Bewertung: 4 / 5
Bei einem Kameradschaftsabend trifft der Redakteur Hermann Willié (Götz George) auf den Kunsthändler Dr. Knobel (Uwe Ochsenknecht). Dieser gibt vor, auf die geheime Tagebücher von Adolf Hitler gestoßen zu sein, wodurch Willié eine Sensation wittert. Nun will seine Zeitung jeden Preis zahlen, um an diese Bücher zu gelangen, was Knobel in eine missliche und großartige Lage zugleich bringt.
In der heutigen Zeit sprechen wir sehr viel über die Wahrheit. Zwar nicht unbedingt mehr als früher, aber anders, kritischer, wütender oder auch falscher. Die Wahrheit gegen Fake-News, sauberer Journalismus gegen Herzensangelegenheit. Was sollte auch falsch daran sein, sich dem Verstand mit dem Herzen zu nähern? Doch genug des Zynismus. Die Wahrheit ist, daß es sowas wie eine journalistische Wahrheit schon gibt. Natürlich sind gerade die polemischen Polit-Magazine durchaus, selbst wenn sie vielleicht hier und da mal die eigene Gedankenwelt widerspiegeln, nüchtern betrachtet doch nicht der beste Journalismus. Das Recht haben ja auch Reportagen, doch sie sind nicht ohne. Die jüngere Vergangenheit zeigt uns aber auch gerade in Deutschland, daß falsche Behauptungen immer mehr genutzt werden, um Menschen zu indoktrinieren. So machen es die Nazis seit Jahrzehnten, eigentlich seit ihrer Existenz und im Zuge der schnellen Nachrichtenverbreitung im Internet, hat das ja noch mal eindeutig zugenommen. Was für eine Bürde auf Journalisten, integren Journalisten zumindest, liegt, daß ist eigentlich selten Bestandteil der Diskussionen, so zumindest der Anschein. Viele schauen sich ja sowieso nur Nachrichten an, um die eigene Meinung bestätigt zu bekommen. Und genau deshalb ist ein Film wie Schtonk! so wunderbar entlarvend und so erschreckend zeitlos.
Die meisten Leute, zumindest die, die sich für derlei Dinge interessieren und faktisch einfach in der Zeit schon Denken, besser gesagt politisch denken konnten, werden sich erinnern können, daß das Vertrauen zur Presse schon mal auf Prüfstand stand, als sich herausstellte, daß die illustrierten Tagebücher, die der Stern im Jahr 1983 herausgab und damit eine Sensation erreichte, einfach erfunden waren. Jahre später sollte sowas Ähnliches nochmal passieren, als der Journalist Claas Relotius viele seiner geschriebenen Reportagen für den Spiegel zu Teilen fälschte. Auch das wurde im Jahre später unter der Leitung von Bully Herbig in Tausend Zeilen (2022) verfilmt. Nun ist klar, daß Deutschland als Land, im Übrigen eine Entwicklung die ebenso den Nazis „zu verdanken“ hat, eben nicht die finanziellen Mittel hat, einen groß ausgelegten Politfilm im Stile von Die Unbestechlichen (1976) oder Spotlight (2015) zu machen. Und dieses handwerkliche Problem ist durchaus negativ auffallend, weil man merkt, daß dem Film eben solche Oberflächlichkeiten wie die richtige Lichtgebung, Ton, oder auch ganz klares Spiel mit Bildern nicht immer gelingt. Wenn etwas an Schtonk! also nicht funktioniert, dann sind es handwerkliche Sachen. Zwar nicht immer und auch nicht zu jedem Zeitpunkt, aber ja das Werk aus dem Jahr 1992 fühlt sich zu Teilen durchaus an, wie das, was man in bestimmten Kreisen häufig als „zu Deutsch“ oder „typisch Deutsch“ tituliert.
Es ist jetzt nicht unerträglich und es ist ja auch ein gewohntes Problem, mit dem sich die meisten Zuschauer wohl auch über die Jahre abgefunden haben. Wenngleich der moderne deutsche Film, in Form von Berlin Alexanderplatz (2020) oder auch Fabian oder Der Gang vor die Hunde (2021) in Sachen Aufmachung durchaus als sehr lernfähig erwiesen hat. Doch nun zurück zu Schtonk!. Denn der Film ist in seinen besten Momenten tatsächlich ein bitterböses Werk über die Gier nach Sensationsjournalismus, integre Menschen dort zu finden, ist sicherlich nicht so einfach. Und auch hier nimmt der Film ja durchaus auch moderne Diskurse vorweg, indem eben eine Redaktion, wie die hier gezeigte ja durchaus in Kauf nimmt, daß das, was dieser Mann, der so glänzend von Uwe Ochsenknecht verkörpert wird, stimmt. Ja, ich würde sogar so weit gehen und behaupten, daß ihnen die Wahrheit völlig egal ist, oder sie einfach nicht genügend Vorstellungskraft haben, sich etwas anderes dabei zu denken. Doch genau in diesen Momenten, wenn der Film nämlich zeigt, wie dieser Fälscher vorgeht, bekommt man von Außen leicht den Eindruck, als sei man überlegen. Man fragt sich, bei diesen absurden Geschichten, wie überhaupt jemand darauf kommen kann, daß da was dran ist. Zur Verteidigung, die Wahrheit hinter der Lüge ist ja auch noch mal eine Spur absurder. Denn niemand geht vermutlich davon aus, daß jemand mit sowas spielt. Und ab dem Zeitpunkt wird Schtonk! zu einem wirklich intelligenten Film, der auch für die Psychoanalyse von Bedeutung ist. Regisseur Helmut Dietl entlarvt nämlich so ziemliche jede Facette im Film und am Zuschauer und schuf damit einen Film, der aktueller kaum sein könnte.
Und dann hat einen brillanten Cast. Man kann sich kaum an Götz George und Uwe Ochsenknecht sattsehen, wenn sie ihre Scharade spielen. Und es gelingt dem Film dadurch auch zusätzlich, diese Ambivalenzen dieser Figuren, besser gesagt am ehesten die, Prof. Dr. Fritz Knobel offenzulegen. Man mag ihn, obwohl er ein Betrüger ist. Das ist etwas, was zum Beispiel einem Steven Spielberg in Catch Me If You Can (2002) weniger gut gelang. Denn der Film weist auch eine gewisse Romantik für das Einfache auf. Das ist ja auch so etwas, was Uwe Ochsenknecht mit Werken wie Fußball ist unser Leben (2000) später noch perfektionieren sollte. Das Selbstbewusstsein, mit dem sich dieses Unternehmen dann brüstet, weil sie da ein Phänomen entdeckt haben wollen, ist ebenso bemerkenswert. Das sorgt eben dafür, daß man auch als Zuschauer nicht umhinkommt, sich da so ein wenig drüber lustig zu machen. Es ist sicherlich viel Schadenfreude dabei, aber die empfindet man auch, wenn die Bild einen Julian Reichelt gehen lässt. Insofern ist das hier durchaus auf eine gewisse Art und Weise befriedigend. Denn Knobel gibt den Redakteuren und damit dem Leser auf den ersten Blick nur was sie wollen, um sie damit dann zu hintergehen. Erahnbar war das, aber alles drumherum schien doch so schön.
Ein wenig mehr in Sachen Handwerk würde diesen Film, vermutlich nahezu brillant machen. Bitterböse und aktueller denn je, ist Schtonk! ein Film, der so überspitzt wirkt, aber es eben selten ist. Dazu gesellt sich wirklich gutes Schauspiel und der Film wirft gekonnt einen Blick auf eine absurde Realität.