Bewertung: 4 / 5
Nach Duncon Jones‘ Regiedebüt [i]Moon[/i] war ich mehr als gespannt, was dieses offenbar neue Regietalent, das sich im ersten Film schon eine eigene Bildsprache geschaffen hatte, als nächsten Film realisieren wird. Mit [i]Source Code[/i] bleibt er im SF-Thema und dem Charakterspiel. Ein ansprechender Trailer unterstrich nur noch die gespannte Erwartung auf den Film, der jetzt nun endlich anlief. Der [b]Inhalt[/b] des Films beschreibt den Auftrag Capt. Colter Stevens (Jake Gyllenhaal), den Attentäter auf einen Regionalzug, der nahe Chicago explodiert ist, ausfindig zu machen. Stevens erlebt mittels des Source Codes im Körper von Sean Fentress dessen letzten acht Minuten Lebenszeit. Der Source Code erschafft eine vergangene, alternative Realität, in der Stevens Geist Fentress Körper übernehmen und handeln kann. Zunächst durch den Tod im Körper Fentress und dem Aufwachen in einer seltsamen Kapsel desorientiert, instruiert ihn Capt. Goodwin (Vera Farmiga) über die Vorgänge. Langsam entwickelt sich ein Bild seiner Lage und Stevens erfährt mehr über seine Situation und die Zusammenhänge seines Auftrages. Er muss den Attentäter finden, sonst droht ein weiterer, wesentlich größerer Anschlag mit einer schmutzigen Bombe in Chicago. Doch trotz Dr. Rutledges (Jeffrey Wright) Versicherung, die Passagiere seien tot, die Tat Vergangenheit, der Source Code keine Zeitmaschine, fühlt sich Stevens den Passagieren immer näher, fühlt sich bei jeder Wiederholung deutlicher in einer Realität. Insbesondere Christina (Michelle Monaghan), die bei seiner Rückkehr in den Zug ihm stets gegenüber sitzt und offenbar mit Fentress befreundet ist, hat es ihm angetan. So wird der Auftrag, den Attentäter zu identifizieren, zu einem Teil seiner nun persönlichen Mission, die Passagiere und Christina zu retten. Die auf den ersten Blick komplexe [b]Story[/b] entwirrt sich im Grunde recht schnell. Wie auch schon in Moon erzählt Duncan Jones die Filmgeschichte mit permanenten Informationsbröckchen für die Zuschauer, enthüllt nach und nach die Geheimnisse. Trotz oder gerade deswegen wird Spannung erzeugt, auf einem hohen Niveau, gleichzeitig bleibt man als Zuschauer immer auf der Höhe des Geschehens, wird immer weiter angefüttert. Entsprechend fallen die großen Twists, die großen Reden am Ende, wie alles zusammengehört, weg, was gleich in mehrfacher Hinsicht positiv ist. Jones liefert trotzdem noch eine gute Wendung der Ereignisse, seine Auflösung ist sauber und durchdacht. Allerdings muss ich das Ende doch ein wenig kritisieren. Aus meiner Sicht hätte der Film eher abschließen müssen, die letzte Szene mag zwar sogar als Zeitreisegeschichte stimmig sein, wenn man sich die Aussagen zu den alternativen Realitäten vor Auge führt, aber sie fühlt sich überflüssig an. Sehr stark sogar. Eine, vielleicht sogar zwei Szenen vorher zu enden, hätte gut getan. Und hätte auch eine weitere, moralische Frage vermieden, die nicht beantwortet wird. Eine weitere Parallele zu [i]Moon[/i] ist sicherlich auch die Fokussierung auf die [b]Hauptfigur[/b]. Im Gegensatz zu Jones‘ Erstling interagiert Capt. Stevens mit einer ganzen Reihe anderer Figuren, allerdings in einem ähnlich beschränkten Umfeld. Ausschließlich im Zug, dessen Ort durch die acht Minuten beschränkt sind, und die seltsame Kapsel, in der er sich in seinen Wachphasen befindet. Seine Interaktion innerhalb der Kapsel findet einzig über einen Display zu Goodwin – seltener zu Rutledge – statt. Damit scheint die „reale“ Umgebung unwirklicher als die „künstliche“ im Source Code, wobei eine solche Einteilung schnell hinfällig wird. Damit ist die Entwicklung der Figur Stevens ein wichtiges Spannungselement und der Charakter funktioniert auch wunderbar und bleibt nachvollziehbar. In seiner Angst, seiner Entschlossenheit, seinen Zweifeln, seiner Verwirrtheit. Ebenso funktionieren, wenn auch weniger vielschichtig, aber alles andere als eindimensional, die weiteren [b]Nebenfiguren[/b]. Goodwin als anfangs etwas undurchsichtiges Gegenüber, das mit teils widersprüchlichen Empfindungen die Instruktionen und Erklärungen an Stevens gibt, Dr. Rutledge als nüchterner Projektleiter und Christina als lebensfrohe Mitreisende. Sie alle tragen durchaus entscheidend zur Geschichte bei und haben eigene Spannungsmomente. Die Figuren werden aber erst durch die [b]Schauspieler[/b] mit Leben gefüllt und da muss man leider ein paar kleine Abstriche machen. Jake Gyllenhaal ([i]Donnie Darko, Brokeback Mountain[/i]) spielt sicher alles andere als schlecht. Die emotionalen Phasen, insbesondere die Verzweiflung und Verwirrtheit in der Kapsel, nimmt man ihm jederzeit ab. Auch die Entwicklung bringt er durchaus rüber. In der einen oder anderen Szene neigt er aber ein wenig zum Overacting, die Fixierung auf Christina ist vielleicht auch eine Spur zu viel. Vera Farmiga ([i]Up in the Air[/i]) ist auch sicher gut, aber zeigt wenig Variation. Vielleicht liegt es an ihren kühlen blauen Augen? Die machen zumindest Eindruck. Jeffrey Wright ([i]Syriana, Casino Royale, Ein Quantum Trost[/i]) mimt den coolen, eiskalten Rutledge genial. Allein sein Gesichtsausdruck und der Umgang mit der Krücke demonstriert Präsenz, selbst wenn er nur im Hintergrund zu sehen ist. Michelle Monaghan ([i]Stichtag, Mission Impossible 3[/i]) bleibt unauffällig, darf gut aussehen und ein paar dramatische Momente erleben. Sie bleibt zumindest nicht negativ in Erinnerung. Unter den weiteren Rollen sind ebenfalls keine Ausfälle dabei. Harter Wechsel auf die [b]technische Seite[/b]. Die Kameraarbeit ist überdurchschnittlich. Viele statische Shots, seltener ruhige Kamerafahrten. Keinerlei Gewackel, keinerlei Hektik. Auch den Schnitt muss man loben. Auch hier keine Hektik, es bleibt zu jeder Sekunde klar, wo und wann wir uns befinden, die Szenenübergänge sind sauber. Die Special Effects sind mehr als ansehnlich, vielleicht nicht ganz oberste Spitze, aber nicht weit davon weg, ordentliche Explosionen, ordentliches Feuer, ordentliche Zeitlupen. Kann man nicht meckern. Relativ langweilig und eigentlich auch nicht immer wirklich gut fällt die [b]Musik[/b] aus. Wenn man nicht groß drauf achtet, ist es auch nicht weiter schlimm. Aber zum Beispiel am Anfang ist die gewählte Musik doch eher schlecht als gut. Ein großes Lob geht aber eindeutig an die [b]Inszenierung[/b]. Jones versteht es, die Figuren ins rechte Licht zu rücken, Spannung darzustellen und das alles, ohne riesigen Aufwand betreiben zu müssen. Tatsächlich lebt der Film hier mehr durch die Inszenierung der an sich guten Story als durch die Darsteller. Die mehrstufige Erzählstruktur durch den Wechsel innerhalb und außerhalb des Source Code wird fein unterschieden und aufgedröselt, ohne sich in überflüssige Details zu verlieren. Das [b]Tempo[/b] ist genau angemessen, für einen Thriller von der reinen Handlungsabfolge her eher langsam, was aber durch die eingestreute Informationsdichte wettgemacht wird. Ein interessantes Konzept, das eben nicht dem üblichen Muster folgt. Offenbar wird gern der [b]Vergleich[/b] zu [i]Und täglich grüßt das Murmeltier[/i] gezogen. Aus mehreren Gründen finde ich den Vergleich abwegig. Tempo, Stil und Grundprämisse sind völlig andere, die Figuren sind völlig anders konzipiert und der Aspekt der Wiederholung ist auch ein völlig anderer. Scott Bakulas Stimm-Cameo in der OV zeigt eine Hommage an die Serie [i]Zurück in die Vergangenheit[/i], die mit [i]Source Code[/i] die Idee der „geistigen“ Reise in eine Vergangenheit und die alternative Realität sowie das Übernehmen eines fremden Körpers gemeinsam hat (auch aus der Serie bekannt: Der Zuschauer sieht die Hauptfigur, wie sie wirklich ist, und erst, wenn sie in einen Spiegel blickt, erkennt der Zuschauer die tatsächliche Figur, dessen Körper genutzt wird). Ein bisschen Ähnlichkeit gibt es vielleicht auch noch zu der Serie [i]Seven Days[/i], die allerdings in vielerlei Hinsicht eher plump mit dem Thema umgeht. Auch [i]Déjà vu[/i] kann man noch anführen, dort war die technische Innovation etwas anders, aber im Prinzip nicht ganz unähnlich (und aus meiner Sicht etwas interessanter), und auch dort ging es um einen terroristischen Anschlag, dessen Täter gefunden werden soll, sowie die Verwicklung der Hauptfigur in ein Bedürfnis insbesondere eine Figur retten zu wollen. [b]Insgesamt[/b] bleibt ein SF-Thriller, der überaus gut inszeniert und spannend ist, interessante Figuren bietet und auch im Erzählen der Story nicht nachsteht. Jones zweites Werk überzeugt auf weite Strecken, obwohl mir sein Erstling doch besser gefallen hat. Auch den Vergleich zum starken [i]Déjà vu[/i] muss er nicht scheuen, obwohl er dann am Ende doch den Kürzeren zieht. Die kleinen Makel summieren sich, insbesondere die letzte Szene und die Musik stoßen mir ein bisschen sauer auf. Eine Kinoempfehlung gibt es trotzdem. [b]Fazit[/b]: Spannender Thriller mit SF-Thema, gute Schauspieler mit kleinen Einschränkungen, interessante Story und Figuren und ein paar kleine Macken geben [b]8/10 Punkte[/b] mit Tendenz nach oben.
Source Code Bewertung