Bewertung: 4 / 5
So, nachdem die Kommentarfunktion dieses Films für eine nicht enden wollende hitzige Diskussion - auch von mir (Schande über mein Haupt) - gekarpert wurde, dachte ich mir, dass ich Buße tun sollte, zu Kreuze kriechen, und dem Film die Würdigung zu Teil kommen lasse, die er verdient. Denn es sollte ja sicherlich um den Film gehen :-D
Das Problem hierbei ist, dass ich eigentlich keinerlei detaillierten Erinnerungen mehr an die Handlung oder den Film habe. Wie soll ich da adäquat den Film, der in seinem Jahrgang den "wichtigsten" Filmpreis in diversen Kategorien einsackte, würdigen, besprechen oder gar kritisch hinterfragen?
Trailer zu The Artist
Wie man sieht: Wieder einmal eine etwas andere experimentelle Kritik
Wie ich mich darauf freue - Händereib !
Also um es vorweg zu nehmen und es mir selbst einfach zu machen, ich zitiere einfach mal Zssnake, um die wichtigen technischen und inhaltlichen Punkte zu benennen, da er es wirklich auf den Punkt bringt:
Der Umbruch von Stummfilm zum Tonfilm, die damit einhergehende Masse an Stars, die hier stellvertretend von Valentin verkörpert wird. Die Performances, denn Stummfilm-Maneurismen bedürfen besonderer Ausdruckskraft. Ein Film über Umbruch, die Probleme und Chancen die damit einhergehen und die Verweigerung eines Mannes, der sich und sein Handwerk als Kunst versteht, diesen Trend blind mitzulaufen, ist mE heute so aktuell wie man sich nur vorstellen kann. In einer Welt zum Bersten vollgestopft mit Blockbustern ohne Herz und Verstand ist Valentin selbst der Stummfilm, der sich traut den Menschen nochmal etwas Besonderes und handwerklich Klassisches zu bieten. Sicher spielt hier Nostalgie eine Rolle, aber eben auch Umbruchsangst, die Verweigerung sich über die Masse definieren zu wollen und der Wille auch in der Unterhaltungsbranche als Künstler seine Integrität nicht zu verlieren. Es ist zugleich das Drama eines Mannes und der Spiegel einer ganzen Industrie, die ungeschönt gezeigt bekommt, wie sie ihre Wurzeln vergisst, weil die technische Neuerung sie überläuft. Dazu spielt dabei natürlich auch der Kommentar in Richtung ewig gestriger eine Rolle, die alles Neue direkt ablehnen und erst lernen müssen sich dafür zu öffnen, wie es Valentin am Ende tut. Der Film will ja nicht einfach bloß Zeitgeist-Portrait sein, er will vielmehr die Mechanismen hinter dieser Form von Umbruch aufzeigen und macht ein stetig aktuelles Problem an seinem ersten Auftreten innerhalb der Filmbranche fest. Es kommt ja nicht von ungefähr, dass der Film 2011 quasi direkt im Nachhall der ganzen 3D-Craze entstanden ist.
Ich stimme mit dieser Analyse nicht zu 100% überein, aber ich finde sie sehr stimmig und passend und hoffe ich habe ZSSnakes Segen, das zu benutzen? Bitte melde dich, wenn ich es rausnehmen soll ;-)
The Artist ist im Grunde genommen, wenn man sich den Film selbst mal so nebenbei anschaut in keinerlei Belang innovativ oder neuartig, er hat auch keinerlei Alleinstellungsmerkmal, was die Story angeht, welche sich sowohl bei A Star is Born und vor allem bei Singing in the Rain reichlich bedient. Die technischen Spielereien bewegen sich auch auf ausgetretenene Pfaden und nur ein schwarz-weißer Stummfilm ist noch lange kein Qualitätsmerkmal.
Aber darum geht es in The Artist auch überhaupt nicht: Es handelt sich zwar um eine Hommage an eine längst vergangene Zeit, die aber auch - wenn man denn interpretieren möchte (oder darf) - gewisse Parallelen zur heutigen Zeit aufzeigt. Aber der Kern von Hazanavicius Film ist doch ein anderer.
Dazu eine kleine Anektode:
The Artist ist der letzte Film, für den ich mir ein kleines Programm-Kino gesucht habe und dort mit einem Glas Lagavulin den Film genossen habe. Das sagt schon sehr viel darüber aus, was der Film ist. Mehr als jegliche Interpretation oder technische Analyse.
Der Film ist eine Hommage und hat das Herz am rechten Fleck, er ist eine Liebeserklärung eines Filmliebenden an andere Filmliebende. Dass der Film inhaltlich höchstens Durchschnitt sein mag, geschenkt, darum geht es ihm nicht, und mir in dem Moment auch nicht.
Ich sitze mit leuchtenden Augen im Kino und geniesse einfach eine längst vergangene Zeit mit den vermeintlichen Mitteln von damals. Das ist trotz aller Vorbehalte große Kunst.
Und der Regisseur Hazanavicius hat mit Jean Dujardin einen Komplizen, der besser nicht sein kann. Mit spielerischer Eleganz imitiert er Gene Kelly in Singing in the Rain, und macht seine Figur trotzdem komplett zu einer eigenen. Und erst wenn man die beiden Vorgänger-Filme dieses Duos sieht (die beiden Agentenpersiflagen/-hommagen OSS117), sieht man auch, wie detailverliebt Hazanavicius und Dujardin an ihre Sache rangehen und wie viel Herzblut in den jeweiligen Filmen steckt. Dort ist Dujardin plötzlich optisch ein perfekter Connery-Bond-Klon, und dennoch auch hier eine komplett eigene Figur.
Langer Rede kurzer Sinn: The Artist ist ein Film für das Herz eines Filmliebhabers alter Schule und daher auch zu Recht sehr hoch angesehen. Allen vorhandenen und nicht weg diskutierbaren Defiziten zum Trotz rettet den Film sein eigenes Riesenherz.
8 Punkte