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The Banshees of Inisherin

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Userkritik von Raven13

The Banshees of Inisherin Kritik

The Banshees of Inisherin Kritik
2 Kommentare - 14.01.2023 von Raven13
In dieser Userkritik verrät euch Raven13, wie gut "The Banshees of Inisherin" ist.
The Banshees of Inisherin

Bewertung: 4.5 / 5

Gestern habe ich mir "The Banshees of Inisherin" im Kino angesehen. Hier mein persönlicher Eindruck vom Film. Die Kritik ist fast spoilerfrei!

Handlung / Storytelling (minimale Spoiler zur Ausgangslage)

Trailer zu The Banshees of Inisherin

Die Handlung des Films ist eigentlich ziemlich schlicht und einfach, doch atemberaubend und hochemotional inszeniert. Im Grundsatz geht es um Freundschaft, Ziele im Leben und um Veränderung und vor allem Akzeptanz. Das Setting und die Zeit könnte für diese Themen kaum besser gewählt werden. Die Handlung spielt im Jahr 1923 zur Zeit eines Bürgerkriegs auf einer fiktiven, kleinen irischen Insel mit dem Namen „Inisherin“ mit vielleicht ein paar Hundert Einwohnern. Die Insel jedoch bleibt unberührt von dem Bürgerkrieg und die Bewohner bekommen vom Krieg nicht viel mehr mit als die Geräusche von Kanonenfeuer auf dem Festland. Der Film und somit der Zuschauer kann sich daher ganz ohne Ablenkung von außen auf die sehr intime und persönliche Handlung konzentrieren.

Es beginnt damit, dass Pádraic (Colin Farrell) sich zum Haus seines besten Freundes Colm begibt, um ihn, wie jeden Tag, um 14 Uhr abzuholen, um gemeinsam in den Pub zu gehen. Dieses Mal jedoch öffnet Colm (Brendan Gleeson) ihm nicht die Tür. Er sitzt nur da und raucht, ignoriert dabei jedoch Pádraic einfach. Ohne zuviel von der Handlung zu erzählen, läuft es halt darauf hinaus, dass Colm nicht mehr mit Pádraic befreundet sein will und er auch nicht mehr mit ihm reden will. Das wirkt auf den ersten Blick recht kindisch und irgendwie komisch, doch im Verlauf der Handlung spürt man immer mehr, warum Colm so handelt. Und es ist gleichermaßen verstörend und grausam wie auch verständlich.

Colm will vor seinem Ende noch etwas Bedeutendes tun und den Menschen ein Vermächtnis hinterlassen. Er will Musik schreiben und auf seiner Geige spielen. Allerdings will er nicht mehr tagein tagaus mit dem, wie er ihn nennt, Langweiler Pádraic über Nonsens reden und dann einfach irgendwann abtreten, ohne etwas Bedeutenderes erreicht oder hinterlassen zu haben. Er leidet offenkundig an der Angst, als „Niemand“ in Vergessenheit zu geraten. Eine Art von „Torschlusspanik“. Somit hat er für sich entschieden, sein Leben zu ändern und sich von Pádraic zu distanzieren. Allerdings macht er dies halt nicht sanft oder schrittweise, sondern fällt mit der Tür ins Haus und bittet Pádraic, dass dieser ihn ab sofort bitte in Ruhe lassen möge.

Allerdings ist Pádraic jemand, der sehr anhänglich ist und gerne alles so belässt, wie es ist. Er will nicht einsehen, dass sein bester Freund sich verändert hat bzw. Veränderung im Leben sucht und mit ihm daher keine Zeit mehr „verschwenden“ möchte. In seinem schlichten Gemüt „versteht“ er es einfach nicht und will es einfach nicht wahrhaben. Er ist aber auch eher einfältig und nicht unbedingt sonderlich klug im Hinblick auf soziales Verhalten. Nichtsdestotrotz ist er ein netter Typ, der vielleicht ein wenig zu sehr auf sich bezogen ist. Aber irgendwie ist er auch jemand, den man gern hat. Allerdings ist er halt auch jemand, der den Status Quo gern beibehält und keine großen Ambitionen im Leben hat, sondern einfach gern in den Tag hinein lebt, sich um seine Tiere kümmert und mit Milch sein Geld verdient, das er zum Leben braucht. Was ihm wichtig ist, ist seine Freundschaft mit Colm Doherty, mit dem er jeden Tag um 14 Uhr den Rest des Tages im Pub verbringt, um zu trinken und über Nonsens zu reden. Und würde dies plötzlich aufhören, würde ein großer und für ihn wichtiger Teil seines Lebens wegbrechen.

Schauspieler / Charaktere

Schauspielerisch ist dieser Film auf allerhöchstem Niveau. Zum Einen finde ich, dass jede einzelne Rolle im Film perfekt besetzt wurde und zum Zweiten sind die schauspielerischen Leistungen einfach nur herausragend.

Colin Farrell als erste Hauptrolle spielt seine Figur sehr glaubhaft und überzeugend, und zwar so sehr, dass man glaubt, die Figur wäre real. Er spielt Pádraic Súilleabháin, einen alleinstehenden Mann mittleren Alters, der zusammen mit seiner Schwester auf Inisherin in einer Hütte lebt. Er ist eher der „schlichte“, der mit wenig zufrieden ist, Veränderungen scheut und sehr gerne viel redet und erzählt. Man merkt ihm die Verzweiflung daher stark an, die die neue Veränderung mit sich bringen würde. Da sein Gemüt jedoch so schlicht ist, will er das innerlich einfach nicht wahrhaben und akzeptiert die Entscheidung von Colm nicht. All das wird von Farrell wunderbar und wirklich extrem überzeugend rübergebracht, sodass ich mit ihm und seiner Lage regelrecht mitfühlen kann. Mimik, Gestik und Ausdrucksweise sind einfach perfekt.

Colm Doherty, ebenfalls grandios gespielt von Brendan Gleeson, ist ein ebenfalls alleinstehender und etwas älterer Mann auf Inisherin, der allein in einer Hütte in Strandnähe wohnt. Er jedoch befindet sich zum Beginn des Films an einem Wendepunkt im Leben. Er will sein Leben verändern und Fußabdrücke hinterlassen. Die Möglichkeiten auf der einsamen Insel sind begrenzt und daher versucht er, innerhalb dieser Grenzen sein Leben drastisch zu verändern. Auch seine Sicht der Dinge und sein Wille nach Veränderung ist für mich sehr greifbar und verständlich, wenn seine Handlung gegenüber Pádraic auch sehr extrem und hart ist. Aber andererseits ist Härte in seinen Augen nötig, weil Pádraic halt auch sehr störrisch ist und vielleicht sonst nicht begreift, worum es Colm geht.

Diese Wechselspiele der Gefühle der beiden Hauptfiguren sind gleichermaßen faszinierend wie auch verstörend und auch ergreifend. Ich kann beide sehr gut verstehen und auch Verständnis für beide aufbringen, doch wie im echten Leben ist halt nicht immer alles im Leben perfekt und vor Veränderungen ist niemand gefeit. Und Colm ist an einem Punkt angelangt, an dem er einfach in eine andere Richtung schaut als Pádraic, nur das Pádraic eben aus Angst vor Veränderung und Verlust der Freundschaft

Die Entscheidung von Colm nicht akzeptieren will. Eine schwierige Situation für beide.

Das unglaubliche daran ist, dass man Colm anmerkt, dass er Pádraic eigentlich immer noch irgendwie gern hat und es ihn innerlich selbst schmerzt, Pádraic von sich wegzustoßen. Aber da er nun an sich selbst denken will, sieht er keine andere Möglichkeit, als drastisch und hart zu sein, statt zu versuchen, einen Kompromiss zu finden, sich zum Beispiel einfach nur seltener zu treffen, z. B. nur noch einmal die Woche. Beide machen Fehler im Umgang miteinander und beide Seiten zeigen nur wenig Verständnis für die jeweils andere Person. Diese Wechselspiele an Gefühlen erinnern manchmal sehr hart an das echte Leben. Unfassbar, wie der Film und die Figuren es mit minimalen Mitteln schaffen, mich als Zuschauer innerlich so aufzuwühlen.

Dann wäre da natürlich noch Pádraics Schwester Siobhán, ebenfalls hervorragend von Kerry Condon gespielt. Sie hat zwar nur eine wichtige Nebenrolle, ist aber dennoch entscheidender Ankerpunkt für ihren Bruder Pádraic. Aber auch ihr merkt man an, dass sie im Leben vielleicht mal Veränderungen will und nicht immer zufrieden mit ihrem aktuellen Leben ist.

Es gibt da natürlich noch weitere wichtige Charaktere, doch ich will hier nicht alles vorwegnehmen. Jeder Charakter hat seine Eigenheiten und jeder ist auf eine Weise mit eigenen Problemen beschäftigt und sucht den Sinn im Leben auf einer so einsamen Insel.

Setting

Die gesamte Handlung spielt sich in Irland ab, und der gesamte Film wurde ebenfalls in Irland gedreht. Die Bilder sind zum Teil wunderschön und die Landschaft wurde durch tolle Aufnahmen und wunderschöne Bildkompositionen eingefangen. Diese Einsamkeit des Ortes wirkt gleichermaßen schwermütig wie auch befreiend auf mich als Zuschauer, ebenso wie es die Charaktere tun. Dass der Film scheinbar komplett ohne CGI auskommt, macht sich deutlich bemerkbar und hebt diesen Film optisch vom Einheitsbrei der Blockbuster ab.

Es wäre wirklich schön, wenn auch große Blockbuster wieder stärker auf echte Drehorte setzen würden, wie dieser Film es tut. Das Erlebnis ist dadurch um so vieles anders, als wenn man ständig unechte Computer-Umgebungen sieht.

Kamera / Schnitt

Die Kameraführung ist wunderschön, denn es gibt keine Wackelkamera, sondern nur wirklich schöne und ruhige Aufnahmen vom Wesentlichen und der Landschaft. Niemals wirkt ein Bild überladen oder überfrachtet.

Musik

Die Musik ist sehr minimalistisch und dezent gehalten, ist aber dennoch so ausdrucksstark, dass sie dabei trotz der Einfachheit tiefe Gefühle erzeugen kann. Unglaublich passend und wunderschön!

Humor

Der Film hat eigentlich keinen Humor, sondern ist sehr ernst. Nichtsdestotrotz gibt es einige Situationen, die die Zuschauer allesamt zum Lachen gebracht haben. Der Grund dafür ist einzig und allein Collin Farrells Charakter Pádraic. Dadurch, dass er halt manchmal etwas begriffsstutzig ist und sein Wortschatz keine Fremdwörter beinhaltet, ergeben sich teilweise Momente zum Lachen, obwohl Pádraic mir trotzdessen immer irgendwie leid tat. Seine Art ist manchmal einfach nur lustig, obwohl das nicht seine Absicht ist. Der Film hat also Humor, ohne echten Humor zu haben. Klasse!

Fazit

Es gäbe noch so vieles mehr zu dem Film zu sagen und zu schreiben, doch mit allem, was mir zu dem Film im Kopf herumschwirrt, könnte ich einen Roman füllen.

Der Film ist auf den ersten Blick sehr schlicht und einfach und doch ist er extrem vielschichtig, komplex und tiefgreifend. Es gibt so viel Interpretationsspielraum und so viele Situationen, Dialoge und Momente, über die man noch lange nachsinnen kann.

Für mich ist der Film ein kleines Meisterwerk, weil er es schafft, mich auf so vielen Ebenen geistig zu berühren, mich zum Lachen und zum Weinen bringt und weil er mich lange zum Nachdenken anregt. Das gesamte Drumherum ist in allen Belangen quasi perfekt, ob die Musik, die schauspielerischen Leistungen, die Kameraführung, der Schnitt, die Bildgewalt und die Setpieces. Hier passt alles perfekt zusammen und ergibt einfach ein unglaubliches Filmerlebnis, das meiner Meinung nach jeder erleben sollte.

Ich freue mich schon darauf, mir den Film später im Heimkino noch einmal anzusehen.

9/10 Punkte – Mittlerer Wiederschauwert

The Banshees of Inisherin Bewertung
Bewertung des Films
910

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2 Kommentare
MJ-Pat
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Raven13 : : Desert Ranger
15.03.2023 22:13 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.16 | Posts: 7.223 | Reviews: 108 | Hüte: 640

Zweite Sichtung. Ich gehe mit meiner Bewertung nun tatsächlich nochmal nach oben. Für mich ein Meisterwerk schlechthin. Auch meine Mutter war vom Film restlos begeistert, wenn auch unter Tränen.

Der Film hat sich einen Platz in meinem Herzen verdient. Ein Film, den ich niemals mehr vergessen werde. Tatsächlich empfinde ich den Wiederschauwert nun auch noch als höher. Den Film kann ich mir immer wieder ansehen, ohne dass er langweilig wird oder sich abnutzt.

Bewertung: 10/10 Punkte

Wiederschauwert: Hoch

Nachhaltiger Eindruck: Hoch

Emotionale Tiefe: Hoch

Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.

MJ-Pat
Avatar
Raven13 : : Desert Ranger
14.01.2023 14:09 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.16 | Posts: 7.223 | Reviews: 108 | Hüte: 640

Hier meine Kritik.

Auch wenn das Jahr 2023 noch jung ist, ist "The Banshees of Inisherin" mit Sicherheit einer der besten Filme des Jahres für mich.

Meine kritik enthält nur ganz minimale Spoiler zur Ausgangslage.

Viel Spaß beim Lesen!

Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.

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