Bewertung: 4.5 / 5
Dieser Moment, wenn Maester Pycelle einen griechischer König und Shagga einen trojanischer Krieger spielt. Dieser Moment, wenn Jeor Mormont durch die Hand von Eddard Stark zu Tode kommt. Unglaublich, wie sehr mich eine Serie doch so verfolgen kann! Naja, schlimm finde ich das nicht :D Wahrscheinlich habe ich sogar Recht mit der Annahme, dass sich Drehbuchautor David Benioff an diesen Film zurückerinnert hat, als er (zusammen mit D.B. Weiss) die Rollen der ersten "Game of Thrones"-Staffel casten musste.
So, das war jetzt der Kommentar eine GoT-Liebhabers, eigentlich soll sich die Kritik ja mit Troja beschäftigen...
Troja ist ein Film, den ich seit mindestens 5-6 Jahren nicht mehr gesehen hatte. Damals noch die Kinoversion im TV, heute habe ich mir den 26 Minuten längeren Directors Cut auf Maxdome angeschaut. Ein dreistündiges Sandalenepos, das mir mehrere kultige Momente zurück in Erinnerung gerufen hat, die mein Bruder und ich "damals" gefeiert haben. Da wären z.B. die Schutzschilde der Griechen, die aussehen wie Pringles-Chips, oder Agamemnons heisere Lache beim Kampf zwischen Paris und Menelaos. Ein Hoch auf die deutsche Synchronisation!
Trailer zu Troja
Abseits solchen "Klamauks" bietet Troja natürlich auch viele ernsthafte, bemerkenswerte Momente. Allein die Kulissen, Requisiten, Kostüme und Masken sind schon beeindruckend, detailliert ausgearbeitet und erzeugen eine authentische Atmosphäre. Zusätzlich verschafft James Horners Soundtrack der Geschichte die nötige Dramatik. Die großangelegten Schlachtszenen werden aufgrund des abwechslungsreichen Aufbaus nie langweilig, die Einzelduelle sind hochspannend und perfekt choreographiert. Achilles gegen Boagrius, Paris gegen Menelaos, Hektor gegen Ajax, Achilles gegen Hektor - das sind allesamt einzigartige Duelle, die man so schnell nicht vergisst.
Natürlich erreicht Wolfgang Petersen mit Troja nicht die Komplexität bzw. inszenatorische Rafinesse, wie man sie in Peter Jacksons Der Herr der Ringe oder Ridley Scotts Gladiator findet, nichtsdestotrotz vermag er es, die Geschichte interessant zu gestalten und ein paar anregende Gedanken zu den Themen Politik, Krieg, Arbeitshierarchien und Religion miteinzubauen. Der bodenständige Ansatz, das heißt der Verzicht auf (Halb)Götter als aktiver Bestandteil in der Handlung, gefällt mir übrigens sehr gut. Darüberhinaus hatte Peterson ein hervorragendes Händchen für die Rollenauswahl. Jeder der ikonischen Charaktere der Ilias, sofern sie im Film auftreten, wird durch einen ikonischen Schauspieler dargestellt. Zu nennen wären da z.B. Brian Cox, Brendan Gleeson, Brad Pitt, Sean Bean, Tyler Mane, Peter O´Toole, Eric Bana, Orlando Bloom, Saffron Burrows und Rose Byrne. Jeder dieser Schauspieler erfüllt ihre jeweilige Rolle mit Leben und Individualität, was als Gesamtbild letztendlich in charakterlicher Vielfalt mündet. Unterschiedliche Weltbilder, die in kurzen Dialogen diskutiert werden, tragen ebenfalls zu dieser Vielfalt bei. Des Weiteren erstrahlen manche der Charaktere, die zu Beginn noch schwarz oder weiß gezeichnet wurden, gegen Ende verstärkt in grauem Licht. Ein dreistündiges Epos wie Troja kann von einer solchen Diversität nur profitieren, denn allein mit Schlachtszenen würde das Sepktakel ziemlich schnell langweilig werden. Die einzige schauspielerische Ausnahme bildet hier Diane Krüger. Damals mochte ich sie noch als Helena, jetzt konnte sie mich nicht mehr überzeugen, ihr Spiel wirkt einfach nur aufgesetzt.
Über die Jahre hinweg und nach mehr mehrmaligem Anschauen sind einige der Charaktere für mich unweigerlich mit ihren Rollen verbunden, sodass ich bei einer Neuinterpretation der Ilias erst einmal "umdenken" müsste. Eine Adaption der Odyssee mit Sean Bean als Odysseus wünsche ich mir auch heute noch!
Generell muss man Sean Bean Respekt dafür zollen, dass er mit Boromir, Odysseus und Eddard Stark drei Charaktere in einem vergleichbaren Setting gespielt und langfristig geprägt hat.
Troja gehört zu jener Gruppe Filme des Genres "Sandalen-Epos", deren Produktion auf dem Erfolg von Ridley Scotts Gladiator beruht. Auch wenn Wolfgang Petersen einen größeren Wert auf Actionszenen legt und sein Werk nicht mir der Komplexität und charakterlichen Tiefe Gladiators mithalten kann, so ist es dennoch ein spannender und beeindruckender Genrebeitrag. Troja überzeugt durch die Schlacht- und Kampfszenen sowie durch charakterliche Vielfalt. Aufgrunddessen vergebe ich 8,5/10 Punkten. Bezüglich Petersens Regie und Benioffs Drehbuch würde ich von den 8,5 Punkten eher in Richtung 8 tendieren, das großartige Schauspieler-Ensemble gab jedoch den Ausschlag in Richtung 9.