Bewertung: 3 / 5
Endlich habe ich jetzt alle für die Academny Awards 2019 irgendwie relevanten Filme durch, und mit Vice einen Film geschaut, der "völlig zu Recht" letztendlich bei den Academy Awards bei dem ganz relevanten Preis (bester Hauptdarsteller!) leer ausging.
Vice ist ein extrem garstiger, bitterböser, akribisch recherchierter und fulminant inszenierter Film, der ganz klar eine liberale Einstellung hat und daher auch politisch motiviert ist, aber andererseits auch trotzdem nüchtern und sachlich an die Sache rangeht und trotz aller Polemik, das Monstrum und den menschen Dick Cheney unter einen Hut zu bringen in der Lage ist. Das ist ein Paradebeispiel eines Filmes, wie ihn ein Michael Moore gerne drehen würde, wenn er könnte.
Trailer zu Vice - Der zweite Mann
Und doch ist der Film alles andere als eine Dokumentation, er ist ein Schelmenstück der übelsten Sorte und zeit minutiös auf, wie ein Mann, der aus dem Hintergrgund die Fäden zieht zum wahrscheinlich mächtigsten Mann der Welt aufsteigen konnte. Und wie er mit zunehmender Dauer auch seinem Frankenstein entwächst und sein eigenes Werk wird.
Dabei ist die Inszenierung herrlich (geht das in diesem Zusammenhang überhaupt?) ambivalent und zeigt ihn einerseits als rücksichts- und gewissenlosen Politprofi gleichermassen wie als vorbehalt- und bedingungslosen Familienmenschen. Das ist aller erste Güte einer guten Inszenierung, wenn sie den lächerlich zu stellenden als wahren Menschen darstellt.
Es ist auch irgendwie dem Film extrem hoch anzurechnen, dass er Cheney nicht einfach zu einem boshaften Schurken demontiert sondern ihn als einen Menschen wiedergibt.
Und hier muss man ganz klar die Darsteller mal hervorkramen: Allesamt machen sie ihre Sache souverän, aber Christian Bale schiesst den Vogel komplett ab. Wenn es eine Performance in den letzten 30 Jahren gibt, die gewürdigt werden sollte, dann gehört diese Performance - diese Tour de Force - eindeutig in die engere Wahl. Er IST Cheney! Und er gibt diesem Schurken die Menschlichkeit, dass man alles was hinter seiner Fassade passiert irgendwie dennoch ansieht. Dass er hierfür keine Oscar bekommt, leigt ganz klar daran, dass der Film so unbequem und masseninkompatibel ist. Da ist ein weichgespülter Freddie Mercury, der als lieber Onkel um die Ecke inszeniert wird, natürlich deutlich konformer.
McKays Inszenierung ist über jeden Zweifel erhaben, höchst informativ und aufgezogen wie ein großer perfider Polit-Thriller mit krimi-Komponente. Er schmeisst uns teilweise Bröckchen zu, um sie dann ganz spät wieder auszugraben. Er bombardiert uns mit einer Information nach der anderen. Und je länger der Film wird, desto fassungsloser wird man.
Und desto krasser wird offenbart, dass die Gewaltenteilung und das System in den USA eine evtl. dringende Frischzellenkur benötigen.
Vice ist besser als The Big Short, er ist größer und er ist auch deutlich verständlicher. Dennoch ist er auch weniger massenkompatibler, weil er so rigoros ist, weil er nicht EINE Identifikationsfigur bietet (Mal ehrlich, wenn in einem Film ausgerechnet George Bush Jr. am besten wegkommt?!?) und einfach weil er schmerzhaft aufzeigt, wie die ganze Welt betrogen wird, nur damit ein Mann und seine Maschinerie die Macht bekommen, erhalten und sie ausschlachten können, und dabei noch das Kunststück vollbringt, den Mann nicht zu dämonisieren.
Aber wie gesagt, er ist extrem unbequem und hat eine Inszenierung, die manchmal sogar ein bißchen selbstzweckhaft rüber kommen könnte. Es gab in dem Jahr noch den anderen unbequemen politisch motivierten Film - zwar über ein anderes, aber auch ein uramerikanisches und gleichzeitig sehr globales Thema - und beide sind intellektuell einfach nicht für die Massen gemacht, beide gehen letztendlich mit einer bitteren Pointe aus dem Ring und beide sind sie sehr gut und Anzeichen einer Zeitenwende für investigative Filme, die auch mal wagen, anders zu sein. Und sowohl Blakkklansman als auch Vice sind daher einfach beides keine Mainstreamfilme.
Da hat McKay einfach seine Carte Blanche gezogen, ein Riesenbudget nach The Big Short sich geholt und einen kleinen gemeinen Guerilla Film abgeliefert, der extrem unwahrscheinlich, aber auch bitter nötig war.
Für mich so um 8 Punkte, aber ich denke, wenn ich gefragt würde, ob ich ihn ohne Umschweife jedem empfeheln kann, muss ich das verneinen. Und dieser Aspekt drückt ihn dann irgendwie in niederere Regionen. Das hat nichts mit meiner subjektiven Wahrnehmung zu tun, sondern eher damit, dass der Film wie gesagt einfach nur ein Nischenpublikum beglücken kann, Qualität in allen Belangen hin oder her!
Sehr sehr gute 6 Punkte