Bewertung: 5 / 5
Eins vorab: Diese Kritik beurteilt den Ultimate Cut, welcher 215 Minuten geht und dabei den Zeichentrickfilm Tales of the Black Freighter sowie extrem viele weitere Szenen im Vergleich zur Kinofassung beinhaltet. Da ich davon ausgehe, dass jeder der den Film sehen wollte, schon gesehen hat, wird es möglicherweise einige Spoiler geben, die ich nicht so als solche markieren werde. Außerdem gehe ich mittlerweile nicht mehr davon aus, dass es der Ultimate Cut jemals nach Deutschland schaffen wird...
Trailer zu Watchmen - Die Wächter
Wir befinden uns in einer Parallelwelt, in der es zwar keine wirklichen Superhelden mit Fähigkeiten gibt, lediglich ein paar Typen, die sich als Superhelden verkleidet hatten und ihre Taten begehen (Noch einmal: Keine Superkräfte!), die sogenannten Watchmen. Irgendwann hat die Regierung die Watchmen aufgelöst. Einzig Doktor Manhattan hat tatsächlich Superkräfte. In dieser Welt befinden wir uns auf der Höhe des Kalten Krieges Mitte der 1980er und der Nukleare Krieg mit der Sowjetunion steht unmittelbar bevor.
Einer der Watchmen wird ermordet und die Watchmen versuchen, den Fall aufzuklären, dabei kommen sie einer gigantischen Verschwörung auf die Spur. Doch ist es eventuell zu spät?
Ich habe mal die Inhaltsangabe so weit es geht simpel gehalten. In Wahrheit wird nun auf den folgenden fast vier Stunden vom Zuschauer sehr viel Sitzfleisch, Geduld, Aufmerksamkeit abverlangt. Auch wird von ihm verlangt, mit seiner üblichen linearen Sehgewohnheit zu brechen, denn der Fall wird fast wie ein normaler Krimi sowohl mit Rückblenden aus der Sicht der jeweiligen Watchmen erzählt, als auch gleichzeitig das damalige Zeitgeschehen gekonnt satirisch zugespitzt aufs Korn genommen (zB Kubakrise, Kennedys Ermordung, Vietnam-Krieg usw). Als parallele Geschichte wird immer wieder auch noch eine Seeräuber-Geschichte erzählt, die erst bei genauerem Zusehen tatsächlich auch mit der eigentlichen Geschichte einige Gemeinsamkeiten aufweist.
All das ergibt einen Mammut von Comic-Verfilmung, bei der ich mich immer noch frage, wie Warner Bros. das überhaupt durchwinken konnte.
Zu sperrig und nicht-massenkompatibel ist das Ganze. Beispielsweise als der Film ins Kino kam, gab es immer wieder solche Kommentare wie: "Ich wollte eigentlich einen Superheldenfilm sehen, stattdessen hält mir ein blauer Kerl drei Stunden lang seinen Penis ins Gesicht!"
Sicher auf den ersten und zweiten Blick haben die Leute mit Ihrem Kommentar recht, aber dieser Kommentar zeigt auch ganz klar, dass der Film nicht verstanden wurde: Zum einen erzählt der Film von deutlich mehr, und zweitens ist die angesprochenene Figur gerade auf dem Weg, ein Gott zu werden und solche irdischen Probleme wie Kleidung werden immer nebensächlicher, also auch hier ist dies Teil des großen Ganzen.
Die Geschichte wird als typischer Krimi erzählt mit einer wirklich großartigen Auflösung. Die Comic-Puristen sind da natürlich anderer Meinung, aber ich finde diese Lösung für den Film deutlich besser als das Comic. Beispielsweise wird öfters moniert, dass der finale Dialog zwischen Veidt und Manhattan im Film fehlt, aber wenn man mich fragt: Dieser Veidt ist so selbstgerecht und größenwahnsinnig, dass er die angesprochenen Zweifel gar nicht haben dürfte und den Dialog hätte ich eher als störend empfunden.
Die Charaktere sind allesamt dreidimensional, es gibt kein einfaches weiß oder schwarz, nur grau und dunkelgrau. Genial sind der Comedian und Rohrschach geschrieben, doch auch die weiteren Figuren sind allesamt stimmig.
Die Cinematographie ist wie üblich bei Zack Snyder über jeden Zweifel erhaben unbd könnte fast Bild für Bild aus den Comics stammen. Die Dramaturgie ist genial. Das Mitdenken ist erwünscht. Die Filmmusik ist genial, nicht umsonst ist der Vorspann mittlerweile legendär, aber ich finde im Film gibt es so einige Arrangements, die noch deutlich besser sind.
Und wie gesagt, ich wundere mich, wie es diesen Film überhaupt geben konnte, denn im Grunde genommen ist das Werk einfach in einer normalen 2-Stunden-Fassung unverfilmbar. Punkt.
Die Zweieinhalb Stunden-Kino-Fassung macht das Beste aus der Sache, es fehlen zwar wichtige Punkte, aber der Kern der Geschichte bleibt erhalten und man hat auch nicht das Gefühl, dass was fehlen würde. Aber wenn man dann den Ultimate Cut gesehen hat, dann weiß man erst, wie geil der Film tatsächlich ist.
Gibt es also nichts auszusetzen?
Naja, ich hatte ja schon erwähnt, dass der Film recht sperrig ist, lang sowieso, nicht der üblichen Erwartungshaltung entspricht und sehr graphisch für amerikanische Verhältnisse ist. Ich bin mir jetzt nicht sicher welches Rating er in den USA hatte, aber sicher hat das hohe Rating auch zum relativ niedrigen Erfolg beigetragen.
Neben diesen Faktoren sollte ich vielleicht noch erwähnen, was mich persönlich gestört hat:
- Die Watchmen sind - mit Ausnahme von Manhatten - allesamt normale Menschen ohne Superkräfte, trotzdem haben sie im Film Superkräfte. Ich weiß nicht wieso, aber mich hat es gestört.
- Die Masken der historisch verbürgten Karikaturen, äh Personen, fand ich eher lächerlich als authentisch, das hat dem Ganzen ein bißchen seiner Relevanz beraubt.
Unabhängigh davon muß ich aber sagen, dass diese Comicverfilmung für mich die mit Abstand beste Comicverfilmung aller Zeiten darstellt - und alleine dafür hat Zack Snyder bei mir ein Stein im Brett und sollte erstmal seine Vision des DCEU zu Ende verfilmen dürfen, bevor er abschließend ver(be)urteilt wird. Und man sollte seinen Ultimate Cut von Batman v Superman abwarten, der sicherlich auch noch einige Pfeile im Köcher hat. Wenn man sich Batman v Superman mit Watchmen im Hinterkopf anschaut, dann hat man auch ein völlig anderes Seherlebnis!
Also dann, zur Wertung: Ultimate Cut: 5 Sterne
Die Kinofassung: Immer noch sehr gute 4-4,5 Sterne