Bewertung: 4 / 5
Eigentlich wollte ich mich mit dem Streaming von „Wonder Woman 1984“ zurückhalten. Ich wollte den Film um jeden Preis erst im Kino sehen. Doch in Anbetracht der Tatsache, dass der Lockdown nun wohl wieder verlängert wird und nun auch „Zack Snyder’s Justice League“ bei vielen bombastisch gut ankommt, bin ich leider schwach geworden und habe Sky nun doch als Probemonat abonniert. Heute habe ich mir „WW84“ angeschaut.
Bei all der negativen Presse und den negativen User-Scores hatte ich ein wenig Angst davor, dass es mir ebenso ergehen würde und ich den Film nicht gut finden würde. Glücklicherweise empfinde ich „WW84“ jedoch viel besser, als er allgemein gemacht wird. Mehr noch: ich finde ihn sogar richtig gut und sogar besser als seinen Vorgänger. Nun fragt ihr euch sicher, weshalb ich den Film so gut finde? Das will ich euch hier nun erläutern.
Trailer zu Wonder Woman 1984
ACHTUNG: SPOILER!
Beginnen wir mit der Logik des Films, die ja bei vielen Zuschauern häufig stark kritisiert wird.
Klar kann man dem Film negativ ankreiden, dass einige Dinge unlogisch oder nicht nachvollziehbar sind. Im Folgenden einige Beispiele, die von den meisten Kritikern und Usern immer wieder angeführt werden:
Diana ist nach 70 Jahren immer noch in Steve verliebt? Geschenkt, denn es ist ein Superheldenfilm! In fast jedem Film abseits des Genre „Drama“ folgt die Liebe keinen normalen Gesetzen unserer Realität. Diana hat sich, wie sagt man so schön, unsterblich in Steve verliebt. Aus dieser menschlichen Übertreibung wurde eine Tatsache gemacht. Ganz ehrlich: damit habe ich überhaupt keine Probleme. Das unterschreibt nur, wie unglaublich treu Diana ist.
Warum spielt der Film ausgerechnet 1984? Er hätte genauso gut 2020 spielen können, behaupten viele. Und sie haben Recht! Das Jahr bietet der Story keinen Mehrwert und ist auch nicht wirklich logisch passend zu Diana im Jahr 2017 während der Ereignisse von BvS. Von dieser weltweiten Problemlage im Jahr 1984 hat niemals jemand gesprochen. Dennoch bin ich der Ansicht, dass dies eigentlich auch kein großes Problem ist. Es spiegelt doch nur die Comics wider, in denen es doch genauso abläuft. Unzählige Comics widersprechen sich gegenseitig und hebeln die innere Logik der gesamten Comicreihe eines bestimmten Helden aus. Aber ist das wirklich ein Problem in einem Superheldenfilm, der zudem für sich alleine steht? Meine persönliche Meinung dazu: Nein, dies ist kein wirkliches Problem!
Woher weiß Maxwell Lord von dem Wunschstein? Wer hat ihm davon erzählt? Ist er plötzlich ein Experte für antike und uralte legendäre Artefakte? Eine Antwort darauf bleibt der Film dem Zuschauer schuldig. Doch für mich ist das kein wirkliches Problem, verleiht es dem Charakter Maxwell Lord doch etwas Mysteriöses. Ich muss nicht immer alles wissen. Ich nehme es also einfach so hin, denn einen Grund wird es schon haben, weshalb er davon weiß. Das reicht mir völlig. Mir muss nicht immer alles vorgekaut und erklärt werden, denn dann würde aus einem Film auch schnell der Erklärbär werden.
Schauen wir uns andere Superheldenfilme an, ob nun im MCU oder von DC, Logikprobleme gibt es immer und überall in jedem Film. Mal werden die Helden abgeschwächt, mal verstärkt, immer so, wie es gerade passt. In vielen Solofilmen des MCU ist es fragwürdig, weshalb kein anderer Avenger zu Hilfe eilt. Es gibt unzählige Dinge, die in anderen Superheldenfilmen unlogisch sind, aber selten so sehr kritisiert werden wie hier nun bei WW84, was ich persönlich ziemlich unfair finde.
Kommen wir nun zu dem, was ich an dem Film überaus gut bis hin zu großartig finde.
Zum Einen gefällt mir die Anfangsszene auf Themyscira außerordentlich gut. Ein toll anzusehender Wettkampf, tolle Bilder und eine fantastische Musik! Damit hat mich der Film schon mal sofort abgeholt.
Weiterhin ist es die große Kreativität in der Story und im Antagonisten, die ich wirklich klasse finde. Im Normalfall stehen der Held oder die Heldin einem bösen Antagonisten mit Superkräften oder extremer Intelligenz und Hinterhältigkeit gegenüber. Dies ist hier mal erfrischend anders und kreativ: Der Haupt-Antagonist ist ein normaler Mensch mit eigenen Wünschen, die hauptsächlich daraus resultieren, dass er für seinen Sohn der große Held sein will, der alles für ihn schafft und erreicht. Sein Ziel ist jedoch eine Nummer zu hoch gesteckt und er hat sich völlig verkalkuliert. Er will den Wunschstein haben und dazu nutzen, sich seine Träume zu erfüllen. Und als er den Wunschstein in den Händen hält, ist er sogar mal so schlau, den richtigen Wunsch auszusprechen, der ihm dazu verhilft, dass er sich mehr als nur einen Wunsch erfüllen kann, wenn auch nur auf Umwegen, indem er die Wünsche anderer erfüllt und dafür etwas als Gegenleistung bekommt. Jedoch wird er von dieser Macht so schnell korrumpiert, dass er sein eigentliches Ziel, seinen Sohn stolz zu machen, völlig verfehlt hat und massiv über dieses Ziel hinaus geschossen ist. Er will mehr, und die Preise dafür werden ihm immer egaler. Für mich ist diese Art Antagonist daher mal erfrischend anders.
Auch klasse ist die Art des Problems, das Diana bekämpfen muss: Weltweite Anarchie und absolute Selbstzerstörung durch Gier und Wünsche der gesamten Menschheit, die alles ins Chaos stürzen. Diese Ausgangslage hat mir richtig gut gefallen und ist definitiv mal etwas anderes.
Sehr gut gefällt mir auch, dass der Fokus des Films lange auf den Charakteren liegt, seien es Diana, Steve, Barbara oder Maxwell. Jeder Charakter erhält viel Screentime und als Zuschauer baue ich zu jedem davon eine emotionale Bindung auf. Ich kann die Ansichten und Handlungen von allen Charakteren gut verstehen und nachvollziehen.
Weder Barbara noch Maxwell sind wirklich böse, sondern geraten durch Zufälle und falsche Entscheidungen auf die schiefe Bahn. Barbara bekommt Kräfte, verliert aber ihre Menschlichkeit, ohne es direkt zu bemerken, was wirklich schon total bedauernswert ist. Ohne Gewissen stört es sie leider selbst nicht mehr, dass sie ihre gute menschliche Seite verloren hat. Eine echte Tragödie. Schade nur, dass Cheetah am Ende so wenig Screentime bekommen hat. Aber andererseits: was hätte man da noch groß zeigen können. Ab dem Moment, in dem sie ihre guten Eigenschaften völlig verloren hat, ist sie natürlich hoffnungslos verloren und nur noch eine absolut gewissenlose Kreatur. Maxwell hingegen erkennt am Ende, was er getan hat und ist einsichtig. Das ist toll, denn Maxwell ist mir von Anfang an total sympathisch.
Auch Diana muss eine schwere Entscheidung treffen. Einerseits hat sie ihren Geliebten Steve zurück, aber andererseits hat sie dafür ihre Kraft verloren. Sie würde sogar auf ihre Kräfte verzichten, um Steve behalten zu können, doch auch die Menschheit braucht Diana MIT ihren Kräften, um alles wieder in Ordnung zu bringen. Ich finde diese Entwicklung von ihr ziemlich gelungen.
Auch die Schauspieler haben allesamt solide bis gut gespielt. Klar ist die Herausforderung in so einem Film meist nicht sonderlich hoch, doch Gal Gadot, Kristen Wiig und Pedro Pascal haben ihre Rollen überzeugend gespielt.
Die wenigen Actionszenen, die es gibt, gefallen mir gut. Sie sind nicht herausragend oder einzigartig und stechen daher nicht besonders positiv hervor, aber eben auch nicht negativ. Der Fokus des Films liegt eindeutig woanders, und das ist gut so: Moral, Menschlichkeit, Miteinander, Vertrauen, Mitgefühl, Liebe, Zwischenmenschlichkeit. Und genau das hat mir an dem Film wirklich sehr gut gefallen.
Hans Zimmer’s Musik ist wie immer eine echte Bereicherung. Sein Score ist auch hier wieder wirklich ganz große klasse und gefällt mir zu jedem Zeitpunkt.
Auch tontechnisch kann ich nicht klagen, auch wenn es besser geht. Eine abschließende Bewertung möchte ich hierzu aber nicht vergeben, da ich den Film im Stream gesehen habe, wo sowohl Ton als auch Bild niemals das Niveau vom Kino der der Blu-Ray erreichen.
Fazit:
Wonder Woman 1984 hat nicht wenige logische Probleme, die mich jedoch in den meisten Fällen nicht gestört haben. Dem gegenüber steht eine kreative Story, kreative Antagonisten, eine tolle und emotionale Charakterentwicklung auf Seiten der Protagonisten und der Antagonisten und auch der starke Fokus auf menschlichen Werten. Für mich sind die 145 Minuten wie im Fluge vergangen und ich habe mich zu keinem Zeitpunkt gelangweilt. Ich freue mich schon auf die Zweitsichtung, die hoffentlich noch im Kino stattfinden kann, denn eine Sichtung im Kino möchte ich mir bei dem Film ungern entgehen lassen. Die Blu-Ray werde ich natürlich sofort kaufen, sobald sie verfügbar ist.
Für’s erste vergebe ich
8/10 Punkte – Hoher Wiederschauwert
ACHTUNG: SPOILER!