Bewertung: 4 / 5
Das ist er nun: Der tatsächlich ambitionierteste Ensemble-Superhelden-Film seit Watchmen. Anders kann man es nicht ausdrücken. Logistisch wird hier alles gestemmt, was derzeit machbar ist: Alle verbliebenen zukünftigen Mutanten in einem verzweifelten Überlebenskampf und im Versuch, die Vergangenheit so zu ändern, dass eben diese Zukunft nie realisiert wird. Gleichzeitig (komische Wortwahl, wenn von zwei unterschiedlichen Zeitebenen gesprochen wird) wird ein durch die Zeit zurück geschickter Wolverine (nur sein Geist - ist kompliziert zu erklären) damit beauftragt, die X-Men wieder zusammenzuführen. X-Men Zukunft ist Vergangenheit macht fast alles richtig, was man richtig machen und eigentlich kaum etwas falsch, was man falsch machen kann. Doch die Sachen, die er falsch macht, macht er so elementar falsch, dass sie den Film eine absolute Spitzenplatzierung in den bisherigen Comic-Verfilmungen kosten. Doch zuerst mal die Sachen, die er richtig macht: 1. Die Story und die Ausführung ist wirklich sehr gut gehalten. Niemals verliert man den Überblick, was schon fast ein Kunststück ist, da hier mit ganz vielen Elementen jongliert wird. 2. Wir haben es hier mit einem relativ intelligenten Superhelden-Film zu tun, der sich sowohl von den Action-Szenen her als auch von den ruhigen Passagen gerade die nötige Mixtur gönnt, dass es nie langweilig oder zu effektlastig wird. 3. Trotz der relativ linear gehaltenen Storyline (auch dies mag wie ein Wortwitz in Anbetracht der Handlung wirken) hat der Film genügend Überraschungseffekte, die ihn auch wirklich angenehm abheben. 4. Fast alle Neubesetzungen - sowhl in der Zukunft als auch in der Vergangenheit - sind prinzipiell auf den Punkt besetzt (ja sogar dieser Kerl mit diesem fürchterlichen echten Namen Booboo Stewart und erst recht Quicksilver, der jede Szene stiehlt, in der er auftaucht). 5. Es werden für die Comic-Kenner schöne kleine Leckerlies eingestreut, die Raum für Interpretationen geben ("Meine Mutter kannte mal einen Mann, der gut mit Metall kann..." und dann der Gesichtsausdruck des Angesprochenen - köstlich für den Comic-Kenner) 6. Die visuellen Spielereien, alles tipp-topp 7. Und noch einmal, sowohl Singer als auch die Besetzung machen alle ihre Sache richtig gut, ja fast Perfekt. Und nun die Knackpunkte, die dem Film ein bißchen das Genick brechen, so dass er nur gutes Mittelfeld wird - und hier sollte ich wohl klarstellen, dass es sich um eine Fanboy-Meinung handelt: 1. Die Altbesetzung war damals nicht perfekt und sie ist es jetzt erst recht nicht. Weder Storm, noch Rogue, noch Jean Grey waren damals richtige Ideal-Besetzungen, und die, die in diesem Film in der Zukunft noch leben, wirken allesamt fast wie Fremdkörper im Gegensatz zur fast auf den Punkt besetzte Neuverpflichtungen. 2. Die Sentinels in der Zukunft sind schon angsteinflößend, keine Frage, aber irgendwie wirken sie auch recht lächerlich im Gegensatz zu dem, was man in den Comics mit Nimrod angestellt hat. Ein bißchen nervig fand ich das schon. 3. Auch ist die letzte Bastion irgendwo im Himmalaya eher zu sehr dem Melodrama wegen gemacht worden, und wie die Zukunft am Anfang erklärt wird, ist auch ein bißchen zu schwammig, da hätte ruhig mehr ausgeführt werden können. 4. Kitty Prides Kräfte haben niemals diese Ausgestaltung gehabt, aber rachel Summers hätte man nicht einführen können, insofern ist das wohl okay. 5. Dies ist für mich eigentlich neben den Sentinels der größte Knackpunkt dieses Films: Magneto! Singer gelingt es zu keinem Zeitpunkt die Ambivalenz darzustellen und die Faszination für Magneto zu entfachen, die Vaughn in First Class so locker flockig hingekriegt hatte. Und im Nachhinein betrachtet hat Singer es auch in den ersten beiden Filmen nie richtig hingekriegt, Magneto komplett richtig darzustellen. Damals war es okay, weil die X-Men Filme damals das Mass aller Dinge waren und Comicverfilmungen möglicherweise noch nicht so weit waren. Aber heutzutage kann man es anders machen, und da wäre Singer gut beraten gewesen, sich an Vaughn zu orientieren. 6. Auch die Dramaturgie - vor allem mit Magneto - ist ehrlich gesagt leider kein Neuland. Sieht zwar Top aus aber im Grunde genommen leider nicht wirklich neu. 7. Wiegt auch nicht wirklich schwer, aber ein bißchen ärgere ich mich darüber, dass eine Figur, die nur in einem einzigen Comic vorkommt, und dort auch nur als Priester, in den Filmen immer und immer wieder in den wichtigsten Rollen auftaucht. Wenn ich ehrlich bin, ist das alles meckern auf richtig hohem Niveau. Der Totalausfall, den ich befürchtet hatte, ist Days of Future Past (so der englische Originaltitel) nicht geworden, dafür hat Singer gerade rechtzeitig die Kurve gekriegt. Die erste Hälfte ist richtig gut, die zweite Hälfte dann umso interessanter, weil hier die überraschende, abweichende Handlung vom Comic stattfindet. Aber hier wird der Film dann aber auch etwas zerfahrener und Magnetos Darstellung ist ein bißchen zu sehr Singer und zu wenig Vaughn. Sei es wie es ist. Ein wirklich ziemlich guter Film, der zum Glück auch einige Fehler der vergangenen X-Men Filme korrigieren kann. Er ist deutlich ambitionierter als jeder andere Mainstream-Blockbuster-Comic-Film der letzten Jahre und kann seine Message gut transportieren. Und außer vielleicht dem letzten Captain America Film ist er auch deutlich besser als jeder MCU Film. Aber irgendwie kann er nicht an die Klasse der beiden besten X-Men Filme (Teil 2 und First Class) anknüpfen. Ich freue mich auf Fortsetzungen - und das ist ein sehr gutes Zeichen für das Franchise. 4 Hüte (8 Punkte)
X-Men - Zukunft ist Vergangenheit Bewertung