Bewertung: 1.5 / 5
Die Assassin’s Creed-Spieleserie scheint auf den ersten Blick ziemlich simpel zu sein: Templer und Assassinen bekriegen sich in pseudohistorischen Szenarien quer durch die Weltgeschichte. Kenner der Spiele wissen jedoch, dass der Plot tatsächlich ziemlich schräg ist: er spielt in Wahrheit in der nahen Zukunft, in der eine Maschine – der sogenannte Animus – es erlaubt, die Erinnerungen der Vorfahren eines Menschen aus deren DNS zu extrahieren. Dieser Animus ist zudem das Relikt einer Vorzivilisation, die einst die Menschheit erschuf. Hinzu kommen dann weltzerstörende Sonneneruptionen, antike Göttinnen die ihr Bewusstsein in digitalen Code verwandelt haben und diverse andere Absurditäten.
Wie wandelt man so etwas in einen Film um? Es gibt da meiner Erachtens nach zwei Wege. Zum einen könnte man die absurden Elemente inklusive des Animus einfach entfernen (oder zum Post-Credit-Gag reduzieren) und einen historischen Thriller über den Kampf zwischen Assassinen und Templern machen. Zum anderen könnte man sich mit voller Wucht in die Absurdität werfen und einen hyperstilisierten Film drehen, der die Grenze zwischen virtueller Erinnerung und Realität verwischt. Was wir hier statt dessen bekommen, ist leider nichts halbes und nichts ganzes: eine Adaption die sich zu nah an der Vorlage hält, aber sich scheinbar gleichzeitig nicht für sie interessieren zu scheint.
Trailer zu Assassin’s Creed
Das hier etwas nicht stimmt wird schon am Anfang klar: der Film eröffnet mit einer todernsten Szene, in der die Assassinen 1492 mit einer blutigen Zeremonie neues Mitglied küren. Wir springen dann nach 1986 zu einer furchtbar ernsten Szene, in der ein Junge erfährt, dass sein Vater seine Mutter ermordet hat und fliehen muss. Es folgt eine zähneknirschend ernsthafte Szene, in der dieser nun erwachsene und mit dem Namen Callum Lynch versehene Junge 20 Jahre später wegen Mordes hingerichtet wird. Statt zu sterben, wacht er in einer Forschungseinrichtung auf, in der eine Wissenschaftlerin zusammen mit ihrem Vater nach der Ursache menschlicher Aggression forscht und den sagenumwobenen Apfel von Eden finden will.
Diese Eröffnung funktioniert einfach nicht: der Film nimmt sich viel zu ernst und packt zu viel Information in zu wenig Zeit, ohne dass tatsächlich etwas passiert wäre. Wenn Callum dann in den Animus gesteckt wird, um in die Erinnerungen seines Vorfahren Aguilar und seines Kampfes mit den Templern einzutauchen, schaltet der Film quasi in den Action-Modus um, und diese Szenen sind immerhin schön anzusehen, der Regisseur weiß wie man ein Bild füllt und die Kulissen in Szene setzt. Der Editor machte leider einen deutlich schwächeren Job, die Kämpfe sind oft überhastet geschnitten, wichtige Details fallen unter den Tisch. Am seltsamsten ist jedoch die Entscheidung, währen der Kämpfe immer wieder in die Gegenwart zu springen, in der Callum die Bewegungen seines Vorfahren nachahmt. Das zieht den Zuschauer aus dem Film und macht klar, dass diese Szenen keine reale Gefahr für den Hauptdarsteller sind – Spannung ade.
Die Animus-Sequenz ist jedoch schnell vorbei und wir landen beim Anfangs angesprochenen Problem: der Film ahmt die Animus-Realität-Animus Struktur der Spiele nach, scheint sich jedoch nicht für den eigentlich relevanten Teil der Spiele – die pseudohistorischen Segmente – zu interessieren. Stattdessen verbringen wir viel Zeit in grauen, unterbelichteten Räumen, in denen die Callum und die Wissenschaftler über freien Willen, genetische Veranlagung zu Gewalt und ähnliches diskutieren. Was ja nicht zwangsläufig schlecht ist, aber in einem Assassin‘s-Creed Film nicht wirklich passt – mal abgesehen davon, dass der Dialog zum Großteil einfach nur flach ist. Zudem ist die Charakterentwicklung seltsam hektisch: Callum leidet nach der ersten Benutzung des Animus an Wahnvorstellungen, die nach der zweiten dann kurzerhand verschwinden. Er trifft seinen Vater wieder, beschließt anschließend die Assassinen zu verraten, sieht dann kurz darauf eine Vision seiner Mutter und schließt sich ihnen wieder an. Ein anderer Charakter macht am Ende eine 180°-Wende, nur um ein Sequel vorzubereiten. Die Szenen im Animus geben dem Film immerhin einen Puls, aber Plot und Charaktere in diesen Szenen sind sogar noch unterentwickelter als die in der Gegenwart. Action um der Action willen ist nicht zwangsläufig schlecht, aber in diesem Fall macht es nur noch einmal klar, wie wenig die Filmemacher sich für diesen Teil des Films interessieren.
Ein guter Assassin‘s-Creed Film wäre meines Erachtens nach definitiv machbar. Aber was hier abgeliefert wurde haben ist leider bestenfalls halbgar. Man kann einen Film drehen, in dem Wissenschaftler versuchen die Quelle aller Instinkte des Menschen finden und den Wert des freien Willens beurteilen, oder einen in dem Assassinen und Templer sich zur Zeit der spanischen Inquisition um ein quasi-magisches Artefakt kloppen, aber nicht beides gleichzeitig. Wenn Callum in der Mitte des Films den Kopf schüttelt und „What the fuck is going on?“ murmelt, ist eigentlich alles gesagt.