Bewertung: 4.5 / 5
Horrorreihen gibt es viele, darunter unglaublich populäre Vertreter wie A Nightmare on Elm Street, Halloween, Friday 13th, Hellraiser oder auch Saw und Paranormal Activity aus neuerer Zeit. Doch eine Reihe hat nicht nur seit fast 40 Jahren bestand, sie ist auch immer eher Geheimtip geblieben. Die Rede ist selbstredend von Phantasm. Hierzulande für lange Jahre unter dem leicht abgedroschen-generischen Titel "Das Böse" vermarktet, gelang es der kultigen Horrorpentalogie um den ikonischen "Tall Man" und den Kampf der Freunde Reggie (ein Eisverkäufer mit Halbglatze) und Mike (ursprünglich ein einfacher Junge, dessen Heimatstadt bedroht wurde) gegen dieses Interdimensionale Wesen niemals so recht Fuß zu fassen. Mag sicherlich daran liegen, dass eine gewisse Zensurgeschichte der Reihe bis zu ihrer Neuprüfung vor Kurzem in Deutschland eine Menge Steine in den Weg legte. Es kann aber auch daran liegen, dass die Reihe, abgesehen vom zweiten Eintrag, immer eher Indi-Horror blieb. Kleine Budgets, viele coole Ideen, aber eben nie der Schritt in das Bewusstsein der großen Massen. Nichtsdestotrotz besitzen die Filme nach wie vor eine sehr treue Fanbase.
Heute fangen wir jedoch dort an, wo es alles begann: Im Jahr 1979, mit dem Erscheinen des Originalen Phantasm, welcher unter Regie (und fast allem anderen auch) von Don Coscarelli entstand und sicherlich als einer der ungewöhnlichsten Horrorfilme aller Zeiten in die Geschichte eingehen sollte.
Die Geschichte dreht sich, wie erwähnt, um den Kampf zweier Freunde, Mike Pearson (A. Michael Baldwin) und Reggie (Reggie Bannister), gegen den Tall Man (Angus Scrimm). Im ersten Film werden sie zudem von Mikes großem Bruder Jody (Bill Thornbury) unterstützt, der in den späteren Filmen allerdings meist auf eine Nebenrolle reduziert bleibt. Der Plot selbst dreht sich um interdimensionale Reisen, Tote, die als Zwergensklaven in der Heimatwelt des Tall Man eingesetzt werden und fliegende Metallsphären. Klingt reichlich abgespaced - ist es auch. Die eigentliche Geschichte ist jedoch die eines Jungen, der mit der Trauer um seine Eltern und großen Verlustängsten zu kämpfen hat. Mike und Jodys Eltern sind vor kurzem ums Leben gekommen, ein guter Freund Jodys ist ebenfalls, scheinbar durch Selbstmord, verschieden und die dräuende Allgegenwart des unnatürlich großen Totengräbers macht es nicht besser.
Motivisch ist der Tod zweifellos das Herz der Story und Mike, der den Verlust seiner Eltern offenbar noch nicht verarbeitet hat, steht nun noch vor dem Verlust seiner letzten Bezugsperson, da Jody ebenfalls plant die Stadt zu verlassen und Mike bei dessen Tante unterzubringen. Mit seinen 13 Jahren steckt der Junge irgendwo zwischen Kind und Mann, von seinen Emotionen überwältigt, nicht sicher wo sein Platz in der Welt ist. Die übernatürlichen Geschehnisse um ihn herum, in die eben insbesondere seine engsten Bezugspersonen verstrickt sind, entwickeln sich zum titelgebenden "Phantasm", einem Begriff der etwas bezeichnet, was man sieht, was aber nicht wirklich da ist. Quasi wie ein Wachtraum oder ein Schreckgespenst. Spielt sich der gesamte Film im Kopf Mikes ab? Hat ihn der Tod seiner Eltern so aus der Bahn geworfen, dass er nun einen irrationalen Verfolgungswahn entwickelt und diesen auf den Totengräber richtet, welcher seine Eltern unter die Erde brachte und nun vermeintlich auch ihn und seine Freunde holen will? Oder passiert all das wirklich?
Bis zum Ende bleibt die Grenze zwischen Realität und Wahn dabei stets schwammig und selten wird sie greifbar. Trotzdem wurde der Film durch Coscarellis kompetente Umsetzung in sich stimmig in der Waage gehalten. Die gesamte Atmosphäre bewegt sich irgendwo zwischen der unpoliert-rohen Brillianz von Carpenters Halloween und Stephen Kings Geschichten über Kinder, die sich übernatürlichen Wesen und unmöglichen Situationen stellen müssen, wie beispielsweise ES oder Stand by Me. Dabei ist dieses Wesen mit Angus Scrimms Tall Man ein unglaublich dominierendes. Die paar Worte, welche er im Film bekommt, tragen zu mystischen Atmosphäre seiner Präsenz bei, der Rest sind ein paar clevere Kameratricks, um seine 1,93 m noch imposanter erscheinen zu lassen und seine Darstellung, die als ehemaliger Bühnendarsteller stets von starker Mimik untermalt wird. Was genau er ist, wird erst später in der Reihe klar, zu Beginn ist er einfach der personifizierte Sensenmann, der Totengräber, welcher die Toten in sein Reich bringt, zu welchem Zweck auch immer.
Darin liegt eben die Furcht, welche auch Mike und seine Freunde antreibt. Was kommt "danach"? Was, wenn der Tod eben nicht das friedliche Ende ist? Was wenn er uns unsere Lieben entreißt und sie einem sinistren Zweck zuführt? Diese Auseinandersetzung mit einer unserer größten Urängste passiert stets zwischen finsterer Atmosphäre und einigen pointierten humorvollen Momenten. Grade Reggie, welcher später zur Badass-Kultfigur wird, die möglicherweise sogar Bruce Campbells "Ash" konkurrenz machen könnte, trägt im Laufe der Reihe viel zu ihrem Charme bei. Hier bleibt er in der Geschichte um die beiden Brüder noch lediglich der dritte im Bunde, spätestens ab Teil 2 wird er jedoch zu einem der Dreh- und Angelpunkte der Story.
Technisch sieht man dem Film seine etwa 300.000 $ Mini-Budet glücklicherweise nur selten an. Einzig eine kurze Sequenz mit einem Monsterinsekt wirkt heute eher slapstickartig und dürfte bereits damals niemanden so richtig überzeugt haben. Doch wie auch die berühmte "Katzen-Sequenz" in Re-Animator verleiht sie dem Film eben auch einen Charme, wie man ihn in technisch perfekten Blockbusterproduktionen nur selten findet. Daneben sieht man jedoch, dass Coscarelli ein unzweifelhaftes Auge für tolle Bilder besitzt und sein kleines Budget auf den Punkt perfekt in ein sehr sehenswertes Erlebnis verarbeitet. Musikalisch, und das soll noch erwähnt werden, hat der Film übrigens insbesondere sein markantes Theme zu bieten, welches sicherlich neben denen zu Nightmare und Halloween problemlos bestehen kann und etwas darstellt, was wir heute leider nur noch selten bekommen. Das Wiedererkennungsmerkmal allein schon über die paar Töne, welche gespielt werden und die Reihe dadurch von anderen abheben. Der Mix aus Synthies und anderen Elementen gelingt Fred Myrow und Malcolm Seagrave ausgesprochen gut und der Film gewinnt dadurch nochmal einiges an Profil.
Fazit:
Phantasm ist auch heute noch ein ausgesprochen sehenswerter und vor allem ungemein ungewöhnlicher Sci-Fi-Horror-Hybrid, der sich eindrucksvoll mit dem Thema Trauer auseinandersetzt und dabei die Angst vor dem Tod selbst, aber eben auch die Tücken des Erwachsenwerdens behandelt. Mike ist ein grundsympathischer Protagonist und der Tall Man ein starker Gegner für ihn. Wie sie als Spiegel des jeweils anderen Tod und Leben verkörpern wird später in einer clever gefilmten und gespielten Einstellung klar, in der sie auf einem Gang aufeinander zugehen und dabei die Bewegung des jeweils anderen kopieren. Wie eben Leben und Tod auch unweigerlich aufeinander zugehen, droht auch bei Mike und dem Tall Man die unweigerliche Konfrontation. Dass diese jedoch nicht das Ende ist, zeigen 4 Fortsetzungen und ein "Schlussgag", welchem Craven in seinem ersten Nightmare später recht unmissverständlich Tribut zollen wird. Ich persönlich kann den Film jedenfalls jedem wärmstens ans Herz legen, der sich gerne mit etwas unbekannteren und "anderen" Horrorfilmen beschäftigt. So oder so bleibt Phantasm eine ungemein clevere kleine Horrorperle, die auch heute noch mit ihrem Charme und den tollen Ideen begeistern kann.
Von mir gibt es entsprechend starke
9/10 Punkte bzw 4,5/5 Hüte
und eine Empfehlung diesem sonderbaren Film unbedingt eine Chance zu geben.