Bewertung: 4.5 / 5
Sternwanderer ist schon immer einer der Gründe gewesen, warum Matthew Vaughn bei mir ein Stein im Brett hatte und dem ich deswegen nur das Beste wünsche für all seine zukünftigen Projekte. Vaughn mag sich einen Namen gemacht haben, dass er die recht rabiaten Comics von Millar möglichst frech und publikumswirksam zu verfilmen in der Lage war und ist, aber bereits davor hat er immer wieder gezeigt, dass er eine untrügliche Nase für gutes Material hat und dass er eigentlich jedes Genre eigentlich beherrscht. Anfangs als Produzent von der berühmten Gangster Film Reihe von Ritchie, später dann selbst als Gangster Film Regisseur (Layer Cake, der Film der Craig zu Bond machte, damals noch eine gute Entscheidung!) oder gar als Retter des X-Men Franchise mit First Class, ein Film, der sich einen feuchten Kehricht um die Comics oder die innere Chronologe des Franchises und trotzdem als unterhaltender Film perfekt gelang und tatsächlich den Figuren eigene Stimmen gab anstatt etwas nur zu behaupten (etwas was die Trilogie vorher öfters tat). Aber der Film, der ganz klar zeigte, dass Vaughn mehr ist als ein Gangster- oder Comicregisseur ist die Verfilmung von Neil Gaimans Stardust, zu deutsch unter Sternwanderer.
Stardust gelingt das Kunststück gleichzeitig tiefschwarz in seinem Humor zu bleiben und dennoch auch immer positiv fröhlich optimistisch, etwas was eigentlich in dieser Konstellation eigentlich tatsächlich nur die Briten mit so einer Leichtigkeit hinbekommen. Zum einen wird hier nämlich die Grausamkeiten der Märchenwelt ziemlich drastisch aufgezeigt gepaart mit einer überhöhten Darstellung der Menschlichkeit aller Beteiligten (zB indem etwa von den 7 Könissöhnen erwartet wird, dass sie sich des Thrones wegen gegenseitig meucheln bis nur noch einer übrig bleibt, gleichzeitig sorgen sich die Köniskinder doch irgendwie umeinander, mehr wäre jetzt spoilern - oder ein Piratenkapitän und dessen Crew, die zwischen barbarisch und zutiefst human zu oszillieren scheinen).
Dabei dreht er seinen Film ab einem bestimmten Punkt so ähnlich wie viele Gangsterfilme der damaligen Zeit gedreht wurden (was aber niemandem großartig auffällt), und was eigentlich die Art ist, wie viele frühere "Wettlauffilme" auch gedreht wurden: Alle vorgestellten Parteien haben irgendwie dasselbe Ziel und sie steuern allesamt auf einen Kollisionspunkt zu, indem das was gejagt wird ständig von einer Bedrohung ins nächste purzelt. Gleichzeitig ist der Film auch ein kleines Sammelsurium an recht gut eingebundenen Filmzitaten und Ehrerbietungen, das geht bei Adel verpflichtet los und endet nicht erst bei Der tag des Falken. Das ist fantastisch und konsequent zu Ende gedacht, außerdem verscheibt es den Fokus eben doch auch ein gutes Stück vom üblichen "Das Liebespaar geht gemeinsam durch ein paar Abenteuer, der Rest ist halbwegs uninteressant" in solchen Filmen, so kommt es beispielsweise auch nicht von ungefähr, dass mit Mark Strong und Michelle Pfeiffer die zwei Hauptbösewichter durchaus einen gewichtigen Anteil an Leinwandzeit haben und ihre eigentlich sehr eindimensionalen Figuren sowohl greifbar werden als auch teilweise sogar als Identifikationsfiguren taugen - so kommt es auch nicht von ungefähr, dass einer meiner Kids tatsächlich sogar meinte, dass Septimus für ihn sogar der bessere Loki gewesen wäre und er dessen Ende ziemlich schade fand. Ähnliches lässt sich durchaus auch über Pfeiffers Hexe sagen, welche doch ziemlich nuanciert und mit großer Spielfreude dargestellt wird, und man doch trotz aller Niedertracht der Figur ab einem gewissen Punkt doch eine leichte Ambivalenz FÜR diese Figur wahrzunehmen beginnt.
Wie man zwischen den Zeilen vielleicht bisher lesen konnte: der Film ist zudem rappelvoll mit gut gelaunten Darstellern, die ihre Rollen allesamt mehr als adäquat ausfüllen, das geht bei den Hauptbösewichtern los (Strong und Pfeiffer wurden ja schon lobend erwähnt), weiter über solch eine durchaus sehr illustre Nebendarstellerriege (unter anderem Ben Barnes, Sienna Miller und Henry Cavill sowie Peter OToole und nicht zu vergessen einem bestens aufgelegten Robert DeNiro, der selten sich so amüsant über den Machismo seiner Figur lustig gemacht hat und trotzdem sein gesicht wahren konnte, aber dabei bleibt es bei Leibe nicht!) und kulminiert bei den beiden sehr sympathischen und sehr gut harmonierenden Hauptdarstellern Cox und Dane.
All das wird perfekt zusammengehlaten durch die wunderschöne Geschichte von Gaiman, dessen Verfilmungen schon deutlich VOR American Gods, Good Omens oder gar einem Sandman eben mehr als nur eine Randnotiz waren. Während die erstgenannten tatsächlich gefühlt ins gleiche oder zumindest ähnliche Horn blasen, hat der gute Mann zB mit Corlaine oder eben Stardust eben bewiesen, dass er sehr breit gestreut auftreten kann und dass seine Stories auch immer richtig gut funktionieren, vor allem aber auch im Kontext des Übertrags von seinem Ursprungsmedium (sei es Comic oder Buch) auf Zelluloid.
Und Stardust konzentriert sich tatsächlich auf die Story anstatt sich beispielsweise wie das gegen die Wand gefahrene American Gods in Stilgewichse totzureiten. In heute fast schon lächerlich kurzen 2 Stunden wird das komplette Leben der Hauptfigur erzählt, inkl seiner Zeugung, es wird eine sehr deutliche Aussage diesbezüglich gemacht, dass die Liebe der einzige Grund dafür ist, dass die Sterne überhaupt auf die Menschen schauen und somit auch tatsächlich ein absolut positives Signal ans Publikum gesandt, und man lässt bewusst die Grenzen zwischen Realität und Märchen verschwimmen, um eben diese bezaubernde kleine Geschichte zu erzählen.
Vaughn macht dabei alles richtig, die darsteller sind allesamt perfekt besetzt und spielfreudig bis zum Gehtnichtmehr, die Story ist top, die Umsetzung ebenfalls, und damit ist der Film eigentlich mittlerweile ein komplett unterschätzter Klassiker.
9-10 Punkte