Bewertung: 4 / 5
Wie gefühlt sehr häufig gerade ist auch dies ein Retroreview früherer Comicverfilmungen und ein zu Kreuze kriechen ob der tatsächlich vorhandenen Qualitäten des vorliegenden Filmes, welche ich damals einfach nicht gewürdigt habe. Ich bin Moment dabei, meinen Kindern sukzessive das MCU näher zu bringen (unter anderem, Star Wars, Harry Potter, Western usw sind auch dabei) und manchmal schaue ich mir die Filme vorab selber auch schonmal an, um zu schauen, ob man den Film den Kindern überhaupt zutrauen kann. Der Unglaubliche Hulk war definitiv einer der Filme, die ich eigentlich ausklammern wollte, da der Film ja ab 16 ist. Aber dann kommt gerade She-Hulk um die Ecke und der nächste große Gegner von Cap wird hier eingeführt, also war die Frage kann man den Film den Kindern trotzdem vorsetzen?
Kurze Antwort: Man kann, heute würde der Film locker ab 12 jahren durchgehen, es gibt weitaus grausamere und grafischere Transformers Filme.
Trailer zu Der unglaubliche Hulk
Lange Antwort: Man kann und sollte es auch tun, denn neben der Tatsache, dass der Film eben die ab 16 nicht wirklich rechtfertigt, ist er auch tatsächlich - ich kann es nicht oft genug wiederholen: ENTGEGEN meiner Erinnerung! - ein rundum gelungener und guter Film. Und damit ans Eingemachte, diesmal etwas kürzer als sonst, aber was solls, ist ja auch nur ein Retroreview:
Zum einen geht dieser Hulk irgendwie schon als Fortsetzung des Ang Lee Hulks durch (mit sehr viel Goodwill wie sich beim letzten Sehen herausgestellt hat, ich hatte das alles ganz anders in Erinnerung), aber eigentlich braucht man den Ang Lee Hulk für diesen Film überhaupt nicht. Und wenn man den Film gesehen hat, weiß man, dass man den Ang Lee Hulk tatsächlich ignorieren kann, da er eben keine fadenscheinige Fortsetzung ist. Nur weil er in Südamerika beginnt, dort wo Ang Lees Film endete, heisst es nicht, dass es eine Fortsetzung ist. (Das tut schon weh, das so schreiben zu müssen, denn bis jetzt hatte ich immer Ang Lees Film als Teil des MCU verteidigt, das ist jetzt vorbei!)
Nein, der Vorspann erzählt eine komplett andere Geschichte als wir sie im Ang Lee Film gesehen haben, und die Geschichte wird dann später auch nochmal verbal wiedergegeben und so ganz klar artikuliert, dass dies ein anderer Ansatz ist. Auch gut, und sonst?
Mit Edward Norton haben wir tatsächlich einen Darsteller für den Hulk, der endlich mal der Comicversion von Banner entspricht, und zudem auch sensationell spielen kann und tut. Nichts gegen Eric Bana oder Mark Rufallo, aber Norton ist eine klare Bank und für mich nach Sichtung dieses Films der beste Hulk-Darsteller der Neuzeit (Bixby lasse ich mal außen vor!). Er ist verletzlich, er ist lässig und cool, er ist glaubhaft.
Wir haben hier Banner am Scheideweg, er will den Hulk unbedingt loswerden, lernt aber im Laufe des Films über seinen Schatten zu springen und daran zu arbeiten sich mit seinem grünen Alter Ego zu arrangieren. Insofern haben wir tatsächlich auch eine für einen Film dieser Art notwendige Heldenreise anzubieten, wie sie in den neueren MCU-Filmen immer seltener der Fall sind (wir erinnern uns: Es dauert geschlagene 3 Filme bis der Holland Spider-Man mal eine soclhe charakterliche Entwicklung überhaupt durchmachen darf, bis dahin ist es quasi nur Fun gewesen). Wir haben die hoffnungslose Liebe zu Betty Ross, und auch hier stimmt die Chemie zwischen den darstellern aber auch die geschriebene Chemie: Wenn sie Hulk das erste Mal sieht, kommt da nicht sowas Oberflächliches wie bei den späteren Black Widow Szenen (Hey, mein Großer, blablabla...), sondern tatsächlich etwas richtiges und wahrhaftiges, indem sie ihn mit dem Namen anspricht: Bruce! Das mag auf den ersten Blick trivial erscheinen, aber das ist ungemein elementar dafür, dass Bruce auch erkennen kann, dass diese Figur eben kein reines Monster ist, eben weil sie es auch sieht. Und auch hier geht der Film noch ein Stück weiter, indem es auf der erotischen Ebene eben auch angedeutet wird, dass da auch eine gewisse Spannung zwischen Betty und dem Hulk geben könnte...
Klar ist da auch nicht alles Gold was glänzt, teilweise ist die Musik aufgesetzt schwülstig, teilweise erinnert das alles an King Kong und die Weisse Frau, aber im Grunde und im Kern macht der Film hier alles richtig. Und wenn man es genau nimmt, wer diesen Film gesehen hat, der sollte die Black Widow Romanze meines Erachtens nicht mehr ganz für bare Münze nehmen, denn das ist die Frau, die er liebte und die ihn liebt. Wieso der Whedon das so einbauen musste, erschliesst sich mir auch Jahre später nicht, da nie sonderlich viel aus der Romanze gemacht wurde.
Aber damit nicht genug - der Film ist tatsächlich zum Bersten voll mit Charakterisierung und Handlung - wir haben mit generall Ross auch einen Schurken, der tatsächlich auch gut heraus gearbeitet ist, und in seiner selbstgerechten Haltung absolut ein glaubhaftes Arschloch ist. Ich würde soweit gehen zu behaupten, dass das bis Zemo der beste Schurke im MCU überhaupt ist. (Komisch, dass ausgerechnet die Schurken ohne Superkräfte bei mir so gut abschneiden?!?) Und selbst der erfährt im laufe des Films eine Läuterung, die sich gewaschen hat - wie sich in späteren Filmen herausstellen wird, bleibt der Typ ein selbstgerechtes Arschloch, aber für den vorliegenden Film reicht es dicke. Und William Hurt spielt das alles sensationell, sehr guter Schauspieler, leider viel zu früh von uns gegangen.
A Propos Schurke Tim Roths Schurke ist genauso nachvollziehbar und erlebt seinen eigenen - ja ich langweile euch - Handlungsbogen, der dann ja in She-Hulk endlich weiter geführt wird... Auch hier Top-Schauspieler, viel zu wenig anerkannt, auch der hätte viel mehr aus seiner Karriere machen können und müssen.
Und dann haben wir da den Mann, der später als Leader wieder auftauchen soll (in Captain America 4): Auch wenn dieser Mann nur etwa 10-15 Minuten dabei ist, merkt man recht schnell, der Nette kann auch zum Bösen werden, da der wissenschaftliche Zweck die Mittel heiligt, alles nur angedeutet, aber das dafür sehr deutlich. Insofern top Einführung.
Und sonst: Natürlich baut Letterier auch noch Stan Lee ein, aber damit nicht genug, sowohl Bixby als auch Ferrigno sind auch dabei, wirklich top!
Der Film ist kurzweilig, hat ein Anfang, ein Ende, eine Entwicklung der Figur, worauf man in Avengers dann mit anderem Darsteller aufbaut und er ist jetziger Stand meiner Rewatch Liste tatsächlich bis Captain America 2 der beste MCU Beitrag, wer hätte das gedacht!
Sowohl alle Darsteller, die allesamt topnotch sind als auch Regie sind einfach wunderbar und es ist schade, dass hier alle bis auf Hurt ausgetauscht wurden oder einfach von der Bildfläche verschwanden und das Hulk-Comicversum einfach mal links liegen gelassen wurde. Wenn es ein Mainstream-Comicuniversum gibt, das mit einer tiefen komplexen tragischen Story aufwarten kann und das auch verdient verfilmt zu werden, dann ist das Hulk. Das wurde von Ang Lee schonmal versucht, aber da war es für solch einen Versuch einfach noch zu früh, denn man kann nicht mit Ödipus ins Haus fallen, wenn das Volk Dragonballs erwartet, und das wurde ansatzweise mit diesem zweiten Hulk auch subtil weiter gesponnen. Alles was danach folgte waren quasi leere Lippenbekenntnisse und nicht der Rede wert.
Und um es hier auch nochmal ganz deutlich zu machen: Die Brasilien Action Szenen hier ziehe ich jederzeit der Fast and Furious Variante vor - bäm.
Wie auch immer astreiner und oft verkannter MCU Film: 8 Punkte!