Bewertung: 3 / 5
(Spoiler)
Nachdem es im letzten Jahr eher kleinere Namen waren, mit denen das MCU in die nächste Phase nach Thanos gestartet ist, ist 2022 eigentlich voll mit Größen wie Spiderman, Thor und eben Dr. Strange.
Der "Aufbau", der zu diesem Film geführt hat, ist dabei relativ lang, wenn man sich anschaut, dass im Prinzip die Serien Wanda Vision und irgendwie auch Loki und "What if...?", aber natürlich auch No Way Home ihren Beitrag dazu geleistet haben. Und jetzt gibt es also DEN Film der volle Kanne aufs Multiversum setzt. Was kann da schiefgehen?
Nun, leider mehr, als man denkt...um mit der Tür ins Haus zu fallen:
Trotz all des Aufbaus ist die Ausarbeitung einiger eigentlich längst etablierten Figuren ziemlich eindimensional.
Hier fällt vor allem Wanda negativ auf. Nachdem sie ihre eigene Serie hatte, in der man ihr Gefühlsleben ausloten konnte und an dessen Ende es eigentlich eine gewisse Erkenntnis hätte geben sollen, startet sie in diesen Film quasi genau da, wo sie recht früh in "Wanda Vision" bereits war. Grob gesagt: Weil sie mit Verlust nicht klarkommt, flieht sie in eine Scheinwelt und schadet dabei ihrer Umwelt ohne Rücksicht auf Verluste.
In Multiverse of Madness findet aber überhaupt kein innerer Konflikt statt - dabei hätte gerade dieser großes Potenzial gehabt, um nicht nur Spannung für Auge, sondern auch für den Kopf zu generieren.
Man hätte beispielsweise darstellen können, dass es der/das Darkhold ist, der/das (wie ist das im Deutschen denn eigentlich gelöst? Ich lege mich jetzt einfach mal auf "das" fest) Besitzt von Wanda ergriffen hat. Die "wahre" Wanda hätte immer noch irgendwo in ihrem Kopf sein können. Ansätze davon sehen wir auch ganz kurz im Film, aber in anderem Kontext.
Man hätte auch recht früh die Frage stellen können, ob sie ihren Plan, ihre Kinder in einem anderen Multiversum zu "übernehmen", so richtig durchdacht hat. Die erste Frage, die einem in den Sinn kommt, ist doch: Was ist mit der Wanda in diesem anderen Multiversum? Ein klassischer Elefant im Raum. Es hätte doch mal irgendjemand direkt fragen können "...du willst also dein eigenes Ich dort töten? Was meinst du, wie die andere Wanda reagieren wird?". Man hätte an dieser Stelle auch einen großen Kampf zweier Wandas gegeneinander machen können...aber nichts. Nur ganz am Ende kommt es zu einer kleinen Konfrontation, der letztlich auch genau den Ausgang hatte, der abzusehen war.
Weil diese Konflikte nicht ausgearbeitet werden, bleibt Wanda eine blasse Marvel Bösewichtin, wie man sie aus so vielen anderen Filmen bereits kennt. Im Prinzip rennt sie über 2 Stunden nur umher, verbreitet Chaos und sagt "Ja aber meine Kinder!"...
Das kann Marvel besser, wie sie mit Civil War bewiesen haben, wo auch 2 bekannte Helden gegeneinander kämpfen und man sich nur schwer für eine Seite entscheiden kann, weil beide Standpunkte ihre Berechtigung haben.
Und auch Dr. Stranges Entwicklung ist eher mau. Das mag allerdings auch ein wenig dem geschuldet sein, dass er zwischenzeitlich viele Gastauftritte in anderen Filmen hatte, wo er einerseits sehr präsent war, man aber andererseits nicht viel in die Tiefe gegangen ist - was im Kontext dieser Filme aber auch ok war!
Nachdem so viel passiert ist, muss man sich plötzlich wieder in der Tiefe mit ihm auseinandersetzen und überlegen: Wo genau haben wir ihn emotional eigentlich zurückgelassen? Ich persönlich hatte dabei die Reaktion "Oh, achso...DAS ist also noch ein Thema bei ihm?".
Eigentlich versucht der Film den Konflikt für Strange aufzubauen, ob ER denn auch irgendwann mal glücklich sein darf, oder ob er der sich ewig für andere aufopfernde Held ist. Schließlich hat er sich geopfert, um das Universum vor Thanos zu retten. Er war dadurch 5 Jahre weg vom Fenster, während seine große Liebe wen neues gefunden und geheiratet hat.
Der Film geht allerdings auch darauf ein, dass Dr. Strange immer derjenige ist, der "Die Regeln bricht". Der etwas tut, was im Magier-Kodex eiiigentlich für die Guten nicht erlaubt ist. Dafür bekommt er von allen Seiten Kritik. Er ändert aber nichts an seinem Verhalten. Auch nach hinten hin macht Strange immer wieder Dinge, wo jemand sagt "Das ist verboten", um so den Tag zu retten.
Naja und dann ist da noch "America", die ziemlich random in den MCU-Kanon eingeführt wurde, fast schon erzwungen. Es ist die typische "Ich kann meine Kräfte nicht kontrollieren"-Story, bis am Ende jemand sagt "Doch, kannst du". Für den Film selbst hätte es sie nicht gebraucht. Vermutlich wurde sie nur eingeführt, weil sie in späteren Filmen wichtig wird.
Um mal etwas Positives zu sagen:
Selbstverständlich fällt die Gewalt in diesem Film auf. Der Kampf Wanda vs. Illuminati hat fast etwas von Omniman vs. Guardians of the Globe. Wenn Leute also auf recht brutale Art und Weise sterben, dient das allerdings nicht nur dem Schau-Effekt, sondern bringt meiner Meinung nach auch eine Konsequenz in die Kämpfe, die dem MCU durchaus guttun. Es ist kein "Wir prügeln uns ein wenig", sondern ein Kampf, bei dem etwas auf dem Spiel steht.
Wobei...eben jenes Multiversum lässt genau diesen Effekt schnell wieder verpuffen. Klar ist es krass, wenn Captain Marvel, Captain America und Professor Xavier mal eben brutal sterben. Aber...ist halt nicht "unser" Universum *Schulterzuck-Emoji. Man muss sich das einmal vor Augen halten: Mit Mister Fantastic stirbt "Der Klügste Mensch der Erde", ein Vater von 2 Kindern, der Anführer der Fantastischen Vier...das ist eigentlich RIESIG. Aber kümmert uns das 5 Minuten später noch? Nein...
Das alleine rettet den Film allerdings nicht.
Unabhängig von der eindimensionalen Figuren-Darstellung wirkt der Multiversum-Aspekt wie eine Entschuldigung, alle möglichen, random Dinge passieren zu lassen - es fehlt aber der rote Faden. Gefühlt rennt man die ganze Zeit vom einen MacGuffin zum nächsten. Direkt am Anfang wird ein strahlendes Buch vorgestellt, das unbedingt erreicht werden muss. Und wenn man es dann endlich hat, wird es sofort zerstört und so wichtig war es dann eigentlich auch nicht...Im Gegenzug musste man auch schon X-Mal das Darkhold finden, in welcher Form auch immer. America ist letztlich auch ein MacGuffin, oder andere Figuren, die es gilt zu finden.
Der Film schafft es auch einfach nicht, die zentralen Konflikte der Titel-gebenden Figur rund auf den Punkt zu bringen. Strange geht weitestgehend genau so aus dem Film heraus, wie er zu Beginn eigentlich schon war. Die Fragen nach "Persönlichem Glück, ja oder nein?" und "Heiligt der Zweck immer die Mittel?" werden irgendwie auf dem Weg vergessen. Dieser fehlende Fokus ist einfach schade.
Am besten bringt es vielleicht die Post Credit Szene auf den Punkt, als Strange durch die Straßen geht, auf einmal Charlize Theron erscheint, ein Portal öffnet und sagt "Du musst mitkommen". Anstatt groß zu fragen "Wer bist du? Wohin gehts? Was müssen wir tun? Was brauchen wir dafür? Wtf ist überhaupt los?", schmeißt sich Strange sein Cape um, zeigt sein neues, mega uncanny(!) aussehendes, drittes Auge, und springt einfach los.
Der Film hat gute Schauwerte und unterhält definitiv.
Aber am Ende verlässt sich der Film allerdings zu sehr auf eben diese Schauwerte. Für meinen Geschmack ist das alles zu oberflächlich zusammengewürfelt und es fehlt wirkliche Tiefe. Das kann Marvel besser.
Ergänzung:
Und ich glaube, das Problem dieses Films dürfte am Ende doch die Produktionsgeschichte sein - schließlich hätte er bereits 1 Jahr früher erscheinen sollen. Das ist aber höchst problematisch im MCU, das mittlerweile nicht mehr nur auf 3-4 Filmen pro Jahr besteht, sondern obendrauf auch noch aus Serien, die alle miteinander verbunden und aufeinander aufbauen. Wenn man dann feststellt, dass z.B. der Nachfolge-Film (Spiderman) auf einmal zum Vorgänger wird, schmeißt es das Skript ziemlich über den Haufen. Ich kann mir vorstellen, dass bestimmte Elemente des Films etwas "stringenter" hätten verlaufen können. Aber das ist mehr oder weniger Spekulation und dazu wird man sicherlich in Interviews und Making-ofs zu einem späteren Zeitpunkt noch mehr hören.