
Bewertung: 2 / 5
Spoiler- & Contentwarnung:
Gewalt, Tod, Suizid
Ein leerer Film:
"Dune" (2021) von Denis Villeneuve
Eine (abrechnende) Analyse.
Trailer zu Dune
Farbe ist ein Ausdrucksmittel. Eine der vielen Möglichkeiten, die ein Film hat, seine Themen zu transportieren; eine zusätzliche Ebene neben Tiefenschärfe, Schnitt und all den Dingen, die das audiovisuelle Medium Film als solches auszeichnen. Unterschiede in der Farbtemperatur können Figuren charakterisieren, Farbkontraste die Aufmerksamkeit der Zuschauenden lenken und Farbvariationen ganze Filmkapitel voneinander abgrenzen - die Liste ist endlos. Das Color Grading ist nicht umsonst ein formsprachliches Element mit eigenen Gesetzmäßigkeiten und zentraler Bedeutung für die Ästhetik, Werke wie "Avatar" oder "Mad Max: Fury Road" ziehen ihre Motive auch ganz gezielt eben daraus.
Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, dass in Filmen, die an Farbe sparen, im Vergleich eine Lücke klafft. Denn klar: Sie verzichten auf eine Gestaltungsoption, verzichten auf die Kombination dieser mit weiteren Filmkomponenten, und sind somit um eine Ebene ärmer. Deswegen funktioniert Schwarz-Weiß-Film anders als Farbfilm, eben über Licht und Schatten, und deswegen finden monochrome Filme oft genau darin eine tiefere Bedeutung, die dieses Defizit füllt. Müssen sie auch, wenn sie ihren farbintensiveren Artgenossen nicht per se unterlegen sein wollen, weil ihnen von Beginn an ein Stück mögliche Komplexität fehlt (Beispiel: "The Killer" von David Fincher).
Doch "Dune" von Denis Villeneuve ist in jeder Hinsicht leer. Leer an Farbe, leer an Begründung, leer an Bedeutung. Ihm fehlt die Antwort auf seine monochromen Shots, der Ausdruck hinter all dem Gelb, Grau und Braun. Klar, die längste Laufzeit über spielt der Film auf Arrakis, einem Wüstenplaneten, und vermag seiner Einfarbigkeit somit Kontext zu bieten. Denn wo nur Sand ist, können kaum bunte Bilder entstehen - es fehlt nicht umsonst das Grün, das Blau. Insofern kann "Dune" atemberaubende Aufnahmen vorweisen: Oft sind die Shots beeindruckend detailverliebt, in ihrer Tiefenunschärfe ausgesprochen räumlich und von einer verspielten Zeitlupe geprägt. Insbesondere die riesigen Panoramen von Landschaften und Raumschiffen warten mit einer ausgefeilten Bildkomposition auf, die extreme Größenverhältnisse spielend leicht vermitteln kann.
Ja, "Dune" hat schöne Shots, ist abseits dieser aber erschreckend hässlich. Statt die Hitze der Wüste über das Einfangen der Sonne darzustellen, statt Monochromie mittels Setgestaltung zu erreichen, trübt den Film in jeder Szene ein verwaschener Farbfilter, ist der Himmel weiß gefärbt und alles farbentsättigt, was entsättigt werden kann. Die sinnstiftende Ästhetik der monochromen Aufnahmen von Arrakis zerbricht daran, dass der ganze Film nur aus anderthalb Farbtönen besteht: Pauls Heimatplanet wird im Kontrast zur Wüste als voller Leben beschrieben, besitzt Bäume und Wasser, und ist dennoch nicht minder grau als der Herkunftsort der grausamen Harkonnen. Jede Inneneinrichtung, jedes Setting, jedes Kostüm - nichts davon hat visuelle Strahlkraft. Im Gegenteil, ständig verschwimmt der Farbton von Gesichtern mit dem Hintergrund, immer wieder sind Figuren in Actionszenen kaum auseinanderzuhalten. Kontraste in der Koloration sind konstant auf ganze Szenen limitiert; mal ist das Bild gelb, mal grau, mal vollständig grün beleuchtet, aber in sich ausdifferenziert ist es nie.
Ein Makel, der sich bis auf die Filmsets erstreckt. Man sieht ihnen an, dass sie keinen Beitrag zur Gestaltung leisten müssen - sie sind glatt, sie sind leer, sie sind langweilig. So besteht Arrakeen, die Hauptstadt von Arrakis, lediglich aus graugelben Klötzen, die jedem Fanart zum Buch haushoch unterlegen sind, und sind die blau betonten Augen nicht mehr als die Konsequenz der vielen Farbfilter. Die Action ist mal besser, mal schlechter choreografiert, und der Film teils nicht filmisch genug: Zwar ergibt es durchaus Sinn, dass wir mit Paul über Arrakis lernen, sei es über seine Träume oder über das Hololog, dennoch sind die einführenden Voiceover wenig greifbar und offenbaren Lücken im Worldbuilding. Und wenn Paul erstmalig einen Destillanzug trägt, bei dem er, ohne es zu wissen, seine Stiefel auf angeblich sehr fortgeschrittene Weise gebunden hat, gibt es weder eine Szene, in der er ebendiese anzieht, noch eine Aufnahme der Stiefel während des Dialogs darüber. "Dune" bleibt somit den Beweis seiner eigenen Motive schuldig, ist gerade in den seltenen ruhigen Momenten erschreckend leer.
Fortgesetzt in der Verbildlichung des theologischen Subtextes des Buches: Wie die politischen Intrigen, welche mehrheitlich auf Plottwists und Action reduziert sind, bleiben bei Villeneuve von all der Auseinandersetzung mit Religion seitens Frank Herbert nur Bibelreferenzen, die der Regisseur mit nichts anderem füllen kann, als auf externes Vorwissen zu verweisen. Nicht die Existenz der Referenzen ist das Problem, sondern ihre Leere und damit ihr Elitarismus, wenn "Dune" auf heilige Palmen (der "Baum des Lebens" im Paradies) oder einen Stierkopf (ein Symbol für Kraft im Alten Testament) fokussiert, ohne jene abholen zu können, welche die Bibel nicht gelesen haben. Ein Beleg dafür, dass Villeneuve das Buch nicht verstanden hat, was sich ebenfalls in der Todesszene von Duncan Idaho zeigt - bei Frank Herbert ein nihilistischer Schockmoment, im Film ein minutenlanger Heldentod mit Zeitlupe und dröhnendem Soundtrack. Selbiges beim Suizid von Leto Atreides, der, statt in andächtiger Stille zu schwelgen und so einen Kontrast zu den lauten Actionszenen zu bilden, von Hans Zimmers beeindruckender, aber demnach auch sehr pathetischer Musik entweiht wird.
"Dune" ist eben Erlebniskino, das im filmischen Sinne nicht viel zu erzählen hat. Die gewaltigen Panoramen, der pompöse Soundtrack, die atemberaubenden Schlachten, generell die ganze Epik - all das mag insbesondere im Kino eindrucksvoll erscheinen, hascht aber auch sehr offensichtlich nach genau diesem Effekt, ohne damit viel anfangen zu können. Das Werk scheitert insofern an vielen Stellen daran, was die Aufgabe einer Buchverfilmung ist: Die zugrundeliegende Geschichte, welche in den poetischen Dialogen, interessanten Konflikten und lebendigen Charakteren trotzdem noch zu erkennen ist, passend in Bild und Ton zu kleiden. Denn dazu ist der Film einfach zu leer.
4 von 10 Enten.


