Bewertung: 4.5 / 5
Heute möchte ich mich einem Film widmen, der zweiffellos die Massen gespalten hat. Lange bevor 2014 ein eher klassischer Godzilla über die Leinwände stapfte und die Zuschauer weitestgehend begeisterte, hatte es 1998 bereits einmal eine amerikanische Fassung des ikonischen Monsters gegeben. In einem wahnsinnig unterhaltsamen und für damalige Verhältnisse mit unfassbaren Effekten ausgestatteten Monster-Thriller hatte uns Roland Emmerich die, vielleicht, definitive westliche Fassung dieses Ungeheuers präsentiert, die auch heute noch eine verdammt gute Figur abgibt. Diese Review wird etwas ausführlicher ausfallen als meine üblichen Reviews, da ich diesem Meisterwerk der Unterhaltungskunst gerne gerecht werden und zugleich aufzeigen möchte, warum, in meinen Augen, Emmerich eine der vielleicht besten Inkarnationen dieses Monsters auf die Leinwand zauberte.
Es war etwa um die Zeit des unglaublichen Erfolges seines 1996er-Megahits Independence Day herum, als Roland Emmerich eine Idee wieder aufgriff, welche bereits einige Jahre zuvor unter der Regie von Jan De Bont (Speed) entstehen sollte. Godzilla sollte die amerikanischen Leinwände in einer komplett eigenen Interpretation unsicher machen. De Bonts Film hätte sich relativ nah an den international, insbesondere in den USA, eher unbekannten Toho-Filmen gehalten und das Monster gegen einen neuen Feind namens "The Gryphon" und vermutlich einige andere Kreaturen antreten lassen. Doch als die Produktion nach und nach anrollte und man bereits die ersten Sets und Storyboards am Start hatte wurde, man vermutet aufgrund einiger Unstimmigkeiten bezüglich des Budgets zwischen de Bont und TriStar, welche die Produktion übernahmen, der Film überraschend eingestampft. Die damalige Story wäre aus der Feder von Ted Elliot und Terry Rossio gewesen, welche später mit den Pirates of the Carribean-Filmen noch für Aufruhr sorgen sollten.
So kam es 1996, kurz vor dem Release von Independence Day, zu einem Gespräch mit Roland Emmerich, der bereits einige Kinohits verbuchen konnte. Gemeinsam mit Dean Devlin, der bereits bei Moon 44, Universal Soldier, Stargate und Independence Day mit Emmerich zusammengearbeitet hatte, wollte er jedoch etwas, was sich letztlich als eine der besten Ideen bezüglich dieses Films herausstellen sollte: Er wollte die kreative Kontrolle über das Projekt und gemeinsam mit seinem Team eine völlig eigene Interpretation des Stoffes entwerfen. Fernab von sich prügelnden Monstern, Fantasy-Elementen und Gummianzügen sollte sein Godzilla nur in der Natur verwurzelt sein, als ein schnelles Raubtier und nicht die reine Fantasy-Naturgewalt aus den japanischen Streifen. Einzig das Element der radioaktiven Strahlung als "Geburtshelfer" für das Monster ließ er für seine Storyline bestehen, was jedoch im Hinblick auf den Subtext der Geschichte auch absolut Sinn machte, doch dazu später.
Emmerich beauftragte also Patrick Tatopoulos, der sich später unter anderem mit der Underworld-Reihe weiter als großartiger Kreaturen-Künstler profilieren sollte und mit dem er zuvor bereits Stargate und Independence Day gemacht hatte. Tatopoulos erschuf unter Ideen und Anleitung von Emmerich ein Wesen, welches sich klar von dem urzeitlichen Seeungeheuer aus den Originalen abhob und machte Godzilla eher zu einem mutierten Riesen-Leguan, der sich unglaublich schnell und agil bewegen konnte und dadurch zu einer größeren Gefahr und weniger zur langsam umherwandelnden Zielscheibe. Das Design wurde in einem Meeting mit dem Toho-Verantwortlichen Isao Matsuoka, Produzent Shogo Tomiyama und Effektmann Koichi Kawakita vorgelegt und die drei waren zunächst sprachlos. Nach einer Rücksprache mit Godzilla-Erfinder Tomoyuki Tanaka jedoch wurde das Design abgesegnet, es würde "den Geist Godzillas weiterhin innehaben". Entsprechend ging man, mit einer von den Erschaffern der Reihe abgesegneten, Designidee in den Film und konnte sich frei entfalten.
Nachdem Ideen und Design standen, musste nur noch Geldgeber TriStar überzeugt werden, dem Projekt grünes Licht zu geben und so machten sich Emmerich und Devlin daran, eine erste Fassung des Skripts zu verfassen. In etwa 5 1/2 Wochen, während eines Urlaubs in Emmerichs Ferienhaus in Mexiko schrieben beide den Entwurf fertig und entschieden sich dabei klar für den Ursprung durch die Radioaktivität, weil es Bestandteil der Essenz des Monsters war. Doch ein Monster wollten Emmerich und Devlin letztlich garnicht erschaffen, sondern ein Tier, ein Lebewesen, welches den Naturgesetzen folgte und welches eher zufällig entstand. Mit dieser vollständigen Idee ging man nun zu TriStar, die Emmerich und Devlin nicht nur die geforderte völlige kreative Kontrolle zugestanden, sondern dem Film nun auch grünes Licht gaben. Mai 1997 startete dann die lang erwartete Produktion und der Dreh dauerte insgesamt bis Ende September 1997.
Das Wesen selbst wurde durch eine Kombination aus praktischen Effekten via Animatronik und digitalen Effekten zum Leben erweckt und war damals wohl eines der beeindruckendsten digitalen Wesen, welches die Leinwand je betreten hatte. Gemeinsam mit James Camerons T-2 und seinem Untergang der Titanic waren Emmerichs Independence Day und Godzilla wohl die beeindruckendsten Demonstrationen der neuen technischen Möglichkeiten aus dem Computer. Doch das großartigste Wesen beeindruckt niemanden, wenn es keine Welt und Geschichte drumherum gibt, die es in Szene setzen. Und so wurde Godzilla bzw. Gojira durch Atomtests geboren, um von Wissenschaftlern entdeckt zu werden. Beziehungsweise wird es genau genommen zunächst garnicht entdeckt, sondern lediglich seine Fußstapfen, die mit etlichen Metern Durchmesser für Staunen und Besorgnis sorgen. Matthew Broderick, als sympathischer Lead Nick Tatopoulos (ein freundlicher Wink Richtung des großartigen Kreaturendesigners seitens Emmerich), wird als Experte hinzugezogen, der sich mit den Auswirkungen radioaktiver Verstrahlung auf die Fauna rund um Chernobyl beschäftigt.
Als Zuschauer folgen wir vorwiegend Brodericks Charakter, den er mit realistischer Verblüffung, aufgrund der unglaublichen Entwicklungen, spielt und dabei versucht herauszufinden, warum die riesige Echse sich von Jamaika nach New York begibt. Während das gigantische Wesen eine Schneise der Zerstörung in der Weltstadt hinterlässt folgen ihm neben Tatopoulos auch verschiedene andere Parteien, darunter das U.S. Militär und auch die Direction Générale de la Sécurité Extérieure (der französische Geheimdienst), die ihre Involvierung in die Atomtests vertuschen wollen. Zudem haben wir die persönliche Komponente Nicks, gekoppelt an die Medien, die von seiner Exfreundin Audrey Timmonds, gespielt von Maria Pitilllo, repräsentiert werden. Um auf die Story nicht allzu sehr einzugehen werde ich mich nun vor allem den Motiven der Geschichte widmen, die in meinen Augen ohnehin den wichtigere Part bei der Abgrenzung von den japanischen Monsterschinken bilden.
Zunächst geht es natürlich um die Auswirkungen menschlicher Atomtests auf die Flora und insbesondere Fauna unseres Planeten. Godzilla ist hier, anders als im japanischen Original, nicht die Personifizierung der Atombombe und ihres unbegreiflichen Schreckens, sondern vielmehr ihre Auswirkung. Ist das Ungeheuer in den Toho-Filmen noch zunächst der kritische und emotionale Umgang und die Abrechnung mit der Unfassbarkeit von Hiroshima und Nagasaki, ist es in Emmerichs Film vielmehr der treffende erhobene Zeigefinger für die westliche Welt, das ihr Tun nicht ohne Nachwirkungen bleibt. Die Tests mit der zerstörerischen Technologie lassen die Natur aufbegehren und sich wehren, lassen Wesen entstehen, denen wir uns zunächst hilflos gegenübersehen. Sicherlich, am Ende wird die Echse besiegt, aber zu welchem Preis, und mit welcher Aussicht? Denn obgleich nie ein zweiter Film kam, war das Ende doch eindeutig und klar: Es ist nicht vorbei. Geschichte wiederholt sich, Missetaten können nicht durch weitere Bomben und Schüsse unvergessen gemacht werden. Die Strafe folgt, der Preis ist hoch und am Ende muss man sich dem unausweichlichen Urteil stellen.
Und dieses Urteil ist das titanische Wesen in Gestalt einer Echse, welches das Herz des amerikanischen Geistes angreift und in Schutt und Asche legt. Dabei ist es so schnell und wendig, dass ein ums andere Mal das Militär selbst die historischen Denkmäler zerstört und so eine Dualität zwischen der Rache der Natur und dem was wir uns selbst zufügen ensteht. Treffenderweise ist unser Protagonist bei alledem der "Würmermann" - ein Abbild der Menschen selbst, die im Angesicht dieser gigantischen Wesenheit wie Würmer wirken. Er begreift es vielleicht letztlich am besten und versteht, dass es nur überleben will, wie wir auch, doch er selbst ist genauso machtlos wie alle um ihn herum. Passend auch, dass wir nicht nur ihm und seiner verflossenen Liebe - die ihn verrät und belügt - sondern auch Jean Renos Philippe Roaché (sicherlich ist sein Name nicht grundlos ortographisch sehr nah am amerikanischen Wort für Schabe angesiedelt) folgen. Denn letztlich ist es eine Gemeinschaftsleistung verschiedener Völker, die Godzilla scheinbar besiegen, die sich aber trotzdem gegenseitig belügen und betrügen. Und genau darin liegt auch eine der stärksten Botschaften, nämlich, dass wir nur gemeinsam die Schrecken der Atombombe bekämpfen könnten, wenn wir denn ehrlich zueinander wären. Und trotzdem schwingt eben ein leises "irgendwer macht am Ende ja doch wieder einen Fehler" mit, wenn Godzillas Sohn am Ende trotzig seinen Kopf zum Schrei reckt und das letzte Wort hat.
Im Nachklang bekam der Film sehr gemäßigte Wertungen und wurde nicht besonders gut von den Zuschauern und Kritikern aufgenommen. Doch woran lag das? Daran, dass der Film etwa nicht gut wäre? Das darf bezweifelt werden, da er neben einem enormen Unterhaltungswert und großartigen Effekten eben auch die kritische Ebene mitbringt. Der Aufbau über die sympathische, sehr normale Identifikationsfigur durch Broderick funktioniert gut. Er ist ein durchschnittlicher Typ, leicht trottelig - eben ein Archetyp für den Zuschauer selbst, gebeutelt von persönlichen Rückschlägen, aber hart arbeitend und aufrichtig. Reno bleibt, seiner Rolle entsprechend, durchgehend zwielichtig, genau wie seine Motive, mit denen er sich durch den Film bewegt. Das U.S. Militär tut was es immer tut - es fährt immer größere Geschütze auf, um die eigenen Fehler vergessen zu machen. Der Sieger schreibt schließlich die Geschichte. Dabei übersieht man leicht, dass der Tenor am Ende eben nicht positiv ist, sondern kritisch gespiegelt wird, indem das Ende des vermeintlichen Monsters im Gegensatz zu den gesichtslosen Toten durch das Wesen dramatisiert und emotionalisiert wird.
Doch woran liegt das, warum ist dieses Tier so sympathisch? Wohl daran, dass es mit dem Gedanken aufgeladen wird, dass es nichts dafür kann, dass es ist wie es ist. Wir sind Schuld an seiner Entstehung, wir sind die Leidtragenden unserer eigenen Fehler und Versäumnisse und wir sind es am Ende, die aus unseren Fehlern eben nicht lernen und versuchen Bomben mit Bomben verstummen zu lassen. Denn bei all dem schnellen und unterhaltsamen Blockbuster-Spaß, bei all den Explosionen und Effekten, geht es doch im Kern nur darum, die eigenen Fehler zu vertuschen und zu begradigen. Es konnte nur ein Nicht-Amerikaner den Amerikanern so kritisch den Spiegel vorhalten und damit davonkommen. Denn Emmerich macht eines mit Bravour - er nutzt typisch amerikanisch-patriotische Topoi und Ideologien, um genau diese ironisch zu brechen. Und so reckt der Amerikaner zwar am Ende siegreich die Hand in die Höhe, weil er das Monster erlegt hat, aber der kleine Mann, der Zuschauer, sieht eben die Tragik darin. Und genau darin liegt die Cleverness dieses Films, die ihn für mich über die Porträtierung der Hilflosigkeit in den japanischen Filmen erhebt. Wobei das Original von 1954 zweifellos auch seinen Charme hat und eine Unmittelbarkeit einer Katastrophe hart und greifbar vermittelt. Aber alle darüber hinaus verkommt eben zu oft zu dem was Emmerich schon nicht an Godzilla gefiel: " Monster die sich mit Monstern prügeln".
Fazit:
Godzilla liefert nicht nur einen spannenden und cleveren Effektblockbuster, er hält auch auf geschickte Weise den Amerikanern einen Spiegel vor, der klar sagt "ihr könnt es versuchen, doch ihr kommt nicht mit allem davon". Broderick führt als sympathischer Lead durch eine Geschichte voller Verrat und Intrigen, die alle letztlich das Ziel haben eine Vergangenheit zu begraben, die einen mit voller Wucht einholt und ins Zentrum der westlichen Gesellschaft trifft, wo sie uns zwingt uns unseren Fehlern zu stellen und dafür zu bezahlen. Mit starker Bildsprache und einem von David Arnold gekonnt komponierten Score untermalt, trifft er die Balance aus Katastrophenfilm, Abenteuerfilm und Thriller perfekt und lässt zudem Godzilla so gut, agil und aktuell aussehen, wie nie zuvor. Denn wenn unser eigenes Tun uns dieses mutierte Untier beschert, ist es die perfekte amerikanische Antwort auf die japanische Hilflosigkeit "ihres" Godzillas. Und so tragisch beide Geschichten sein mögen - die realistische Unmittelbarkeit der Emmerich-Variante trifft mich als Mensch der westlichen Welt inklusive aller ihrer Verfehlungen und Verbrechen gegen den Rest der Welt doch deutlich tiefer als es die japanische mit ihren Gummianzügen und Fantasyelementen jemals könnte.
Von mir gibt es starke
4,5/5 Hüte bzw. 9/10 Punkte
und die Empfehlung "unserer" Interpretation der Monsterechse nochmal mit einem etwas anderen Blick eine Chance zu geben und sich dabei mal etwas von besserwisserischem und traditionalistischem Fanboytum für die Toho-Variante zu lösen.