Bewertung: 5 / 5
Nach diesem Erlebnis muss man erstmal seine Gedanken sammeln. Mit meinem Bruder habe ich den ganzen Abspann lang über das Ende des Films spekuliert, da wir es beide zuerst nicht ganz verstanden hatten. Überall im Kinosaal taten es andere Leute gleich, auch wenn sie natürlich über andere Aspekte des Films gesprochen haben. Dieses Phänomen, dass im Kinosaal während des Abspanns soviel über einen Film diskutiert wurde, habe ich vorher noch nie erlebt. Daran sieht man, der Weltraum bzw. Science Fiction übt eine starke Faszination auf die Menschen aus.
Doch zunächst beginnt alles auf der Erde, die Menschheit steht gegen Ende des 21. Jahrhunderts vor einem Abgrund. Das Klima wird immer trockener, Sandstürme stehen auf der Tagesordnung und die Nutzpflanzen sterben nach und nach alle aus. Nur der Mais bleibt den Menschen, aber auch dessen Tage sind gezählt. Im Geheimen sucht die NASA daher nach einem Ausweg, ihr Blick richtet sich auf den Weltraum und ein neben dem Saturn befindliches Wurmloch. Die Menschheit wurde zwar auf der Erde geboren, aber deswegen muss sie noch lange nicht dort sterben. Während Nolan auf der Erde eine düstere Endzeit-Atmosphäre erschafft, nimmt er den Zuschauer seit dem Moment des Shuttleabflugs mit auf eine atemberaubende Reise in die Weiten des Weltalls.
Dabei bietet "Interstellar" Diskussionspotential en masse, denn Nolan kombiniert geschickt wissenschaftliche Theorien mit philosophischen Gedankengängen. Auch wenn man sich nicht einfach nur berieseln lassen kann, bereitet Nolan die Ansätze der theoretischen Physik zuschauerfreundlich auf. Man bekommt ein gutes Verständnis von Wurmlöchern, Schwarzen Löchern, der Gravitation, etc. und vor allem das Ausmaß der Einsteinschen Relativitätstheorie wird dem Zuschauer hier deutlich vor Augen geführt. Wer an Physik interessiert ist, wird hier denke ich auf jeden Fall seinen Spaß haben. Durch Kombination mit philosophischen Überlegungen geht Nolan der Frage nach dem Wesen des Menschen nach. Was macht den Menschen aus? Was treibt in an? Ist er ein durch und durch emotionales Wesen oder kann er doch rational und wissenschaftlich greifbar gemacht werden? So gut wie jeder Charakter wird in "Interstellar" irgendwann mit der Frage konfrontiert, was für ihn im Leben wichtig ist bzw. was das Leben für ihn speziell überhaupt bedeutet. Es ist interessant zu sehen, wie sich die einzelnen Personen entscheiden und manche davon könnte man sogar in einem Spin-Off weiterführen. Ich persönlich war von Nolans Gedankengängen sehr angetan, vor allem weil er gegen Ende wieder auf seine typischen Aha-Momente zurückgreift. Für Zuschauer in meinem Alter (um die 20) ist es ebenfalls erwähnenswert, dass man sich in Form der Charaktere von John Lithgow und Michael Caine wiederfindet. Diese beiden entsprechen ungefähr unserer Altersklasse, nur halt um 50-70 Jahre gealtert. Eine gewisse Identifikation findet für mich hier also schon automatisch statt und es ist immer spaßig, wenn im Film von "damals" die Rede ist.
Atmosphärisch sind die Reisen durch das Weltall wahrlich herrausragend. In ruhigen Momenten kann man sich an den schönen Bildern erfreuen und in spannenden Momenten wird man quasi in den Sitz gepresst. Verantwortlich dafür sind die meisterhaften visuellen Effekte, die realistische Soundkulisse sowie Hans Zimmers Soundtrack. Der Anblick von Wurmlöchern, Schwarzen Löchern oder einfach nur von Planeten hat schon was an sich und im Kontrast zu dem winzigkleinen Raumschiff kommt die Erhabenheit des Weltalls sehr gut zur Geltung. Die Soundkulisse und Zimmers Soundtrack unterstreichen die Bilder und Effekte stets passend. Im Weltall gibt es keine Geräusche sondern nur im Inneren des Raumschiffs bzw. der Raumanzüge. Das kann sowohl die Spannung anheizen als auch die Schönheit der Bilder hervorheben. Ähnlich fungiert Zimmers Soundtrack. Je nach Situation wechselt er zwischen leise und laut (in 1-2 Szenen zu laut) oder wird sogar ganz abgestellt. Die Main Theme habe ich jetzt auf jeden Fall schon lieben gelernt. Trotz all der Ernsthaftigkeit des Films bleibt er dennoch nicht vollkommen humorlos. Cooper (McConaughey) und seine Tochter (Foy) sind vom Typ her schon sarkastisch ausgelegt, aber die Highlights bilden hier eindeutig die Roboter mit KI. Die Gespräche mit den Robotern sind einfach zu herrlich und immer einen Lacher wert.
Schauspielerisch siedelt sich "Interstellar" ebenfalls in der Spitzenklasse an. Allen voran geht Matthew McConaughey, der hier wirklich beeindruckend und emotional spielt. Eine große (Neu)Entdeckung dürfte wohl Mackenzie Foy als McConaugheys Filmtochter darstellen. Unglaublich, was sie hier mit ihren 14 Jahren auf die Leinwand bringt! Vor allem diese beiden Schauspieler sorgen in "Interstellar" für einige Szenen, die ordentlich unter die Haut gehen. Hinzu gesellen sich z.B. Nolan-Urgestein Michael Caine sowie Anne Hathaway, Jessica Chastain, Matt Damon, John Lithgow und Casey Affleck, welche den Cast mit ihrem Schauspiel bereichern. Besonders unterhaltsam an dem Cast ist die Tatsache, dass ihre jeweiligen Auftritte weit über den Film verteilt sind. Daher kann man während des Handlungsverlaufs immer spekulieren, wer wann auftaucht und welche Figur spielen wird.
Alles in allem ist Nolan hier ein intelligenter Beitrag zum Science Fiction Genre gelungen. Eine interessante und spannende Handlung in Kombination mit einer herausragenden atmosphärischen Ausarbeitung sorgen trotz einer Laufzeit von 169 Minuten für unterhaltsame Kurzweil. Es kamen für mich keine Längen auf und die oft von manchen Kritiken angesprochenen großen Logikfehler konnte ich auch nicht finden. Stilistisch ähnelt "Interstellar" den Werken [b]2001 - A Space Odyssey[/b] und [b]Gravity[/b]. Eine gewisse Grundbegeisterung für diese beiden Filme dürfte für das Sehvergnügen sehr zuträglich sein. Einen Vergleich mit anderen Nolan-Werken sollte man allerdings gar nicht erst ziehen, denn "Interstellar" ist grundlegend anders. Verschachtelungen sucht man hier vergeblich, der Film ist linear aber dennoch ambitioniert und für mich nicht vorhersehbar. Mich hat die Umsetzung dieser Science Fiction Thematik jedenfalls ziemlich begeistert und dafür vergebe ich [b]5/5 Hüten[/b].
Interstellar Bewertung