Bewertung: 4.5 / 5
Mit „Joker“ erwartet uns einer der heißersehntesten Filme des Jahres im Oktober. Dieser Berichte über die achtminütige „Standing Ovation“ im Venedig Film Festival und der Triumph über den prästigiösen Goldenen Löwen soll darauf aufmerksam machen, dass uns etwas ganz besonderes erwartet. Hier eine erste Kritik live aus dem Venedig Film Festival, welche einen ersten Vorgeschmack hinterlassen soll.
Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) versucht in der kaputten Gesellschaft Gothams seinen Weg zu finden. Verdingt er sich tagsüber als Clown, strebt er danach, Nacht als Stand-up-Comedian Karriere zu machen – doch immer wieder scheint der Scherz auf seinen Kosten zu gehen. Gefangen in einer zyklischen Existenz zwischen Gleichgültigkeit und Grausamkeit, trifft Arthus eine falsche Entscheidung, die eine Kettenreaktion eskalierender Ereignisse auslöst.
Wir leben in Zeiten, wo Hollywood ihren Zuschauer den gleichen Einheitsbrei nach dem Anderen liefert. Nur noch laufen Superhelden und Comicbuchverfilmungen in den Kinos und fast jeder dieser Filme sind identisch und austauschbar. Jetzt aber liefert uns Warner Bros, D.C. und RegisseurTodd Philips (Hangover-Trilogie) eine besondere Comicbuchverfilmung, in der eine Comicfigur genommen wird und daraus eine unkonventionelle, tiefgründige, düstere und zugleich anspruchsvolle Charakterstudie zusammengebracht wird.
Trailer zu Joker
In dieser Charakterstudie hat Regisseur Todd Philips das Bild eines Mannes erschaffen, der zwar psychologisch labil ist, aber dennoch als Teilzeitclown in Kinderkrankenhäuser und Möchtegern-Stand-Up-Comedian den Menschen in Gothams moralisch bankrotter Welt ein Lächeln ins Gesicht zaubern will. Denn dieses Gotham, welches hier porträtiert wird, kennt keine Warmherzigkeit und steht vor dem politischen Chaos. Jedoch geben ihm die Leute rundum ihm – seine Mitarbeiter, seine Mutter, die Leute von der Straße – kein Gefühl von Zusammengehörigkeit und so wird Fleck andauernd von der Gesellschaft abgelehnt und am Ende von ihr zerstört. Als Zuschauer trauert man um und mit ihm, und man sieht ihn zu, wie er in einen Abgrund und dann dem Wahn verfällt, bis er zum allgemein bekannten Joker wird, und bis dahin nimmt sich der Film viel Zeit, um bis an dem finalen Punkt anzukommen. Erst dann kann man seine Aktionen, die in den Jahren danach folgen, zwar nicht nachvollziehen, aber definitiv verstehen.
Beim Eintauchen in die düstere und depressive Welt des Films kann man sofort die Parallelen zwischen „Joker“ und zwei Martin Scorsese-Klassikern erkennen – „Taxi Driver“ und „King of Comedy“. Die Atmosphäre, der Look der depressiven und dreckigen 70er-Jahre genauso wie einige politischen Themen, ist als klare Hommage an „Taxi Driver“ zu erkennen, während die Stand-Up-Comedy-Elemente an „King of Comedy“ angelehnt sind. All die Hommagen aus beiden Filmen wurden dabei umgesetzt, ohne beide Filmen zu plagiieren.
Aber das Herz und die Seele, welche diesen Film ausmacht, sind anderenorts zu finden; Joaquin Phoenix gibt eine sprachlose Performance ab; ihm bei der Verkörperung dieser komplexen Figur zuzusehen sollte jeden daran erinnern, warum man gerne Schauspieler beim Spielen zusieht und warum das Schauspiel als Kunst so hoch gehalten wird. Auf der Leinwand sieht sich der Zuschauer nicht Phoenix an, sondern die Figur des Arthur Flecks, der sich langsam in die Figur des Jokers verwandelt. Herr Phoenix verdient definitiv jeden Schauspielpreis, den es zu gewinnen gibt, aber ob seine Performance jetzt nun besser ist als diejenige von Heath Ledgers ikonischer Darbietung in „The Dark Knight“, darüber lässt sich streiten, und es wird wahrscheinlich in den kommenden Jahren immer wieder zum Subjekt zahlloser Debatten werden.
Falls es einen mangelnden Aspekt in diesem Film gibt, dann ist es die Figur von Zazie Beetz (Deadpool 2). Es scheint so auszusehen, als wären meisten ihrer Szene im Schnitt rausgeschnitten worden, denn all ihre Szenen führen nirgendswo hin und besitzt gar keine Charakterisierung. Hätte man sie komplett rausgeschnitten, dann wäre der Erzählfluss flüssiger geworden.
Am Ende bleibt dieser Film ein völliges Meisterwerk. Ein Film, dass nicht nur ein Lächeln ins Gesicht der Comicbuchfans zaubert, sondern ein Film, dass in später Zukunft mit dem Term “Kultklassiker“ in Verbindung gebracht wird, gepackt mit einer unvergesslichen Performance, eine tiefe Charakterstudie und einige Twists am Ende, welche diesen Film mit dem Batman-Comics verbindet (kein Spoiler, aber ein Wort: Wayne).
Ich persönlich kann es kaum erwarten, den Film nochmals im Oktober zu besichtigen!