
INHALT
Der Kriegsheimkehrer Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) kommt zu Beginn der 1920er Jahre zu seinem Onkel Will Hale (Robert De Niro) nach Oklahoma, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt sucht bereits eine Serie von ungeklärten Todesfällen den Stamm der hier lebenden Osage heim. Da auf ihrem Gebiet Erdöl entdeckt wurde, verfügen die Stammesangehörigen über enormen Reichtum, darunter auch die alleinstehende Mollie (Lily Gladstone), der Ernest schon bald den Hof macht.
Trailer zu Killers of the Flower Moon
KRITIK
Scorsese verschiebt in seinem neuen Werk den Fokus der gleichnamigen literarischen Vorlage von den dort im Zentrum stehenden Ermittlungen des FBI-Agenten Tom White, der hier erst im Schlussdrittel erstmals auftaucht, zu Ernest und Mollies Beziehung. Als Begründung gab er zu Protokoll, dass ihm bei der Drehbuchentwicklung bewusst geworden sei, dass man diese Geschichte aus Sicht der Ureinwohner schildern müsse. Ein hehres Anliegen, dem der Film am Ende allerdings nicht gerecht wird. Dieser nimmt nun nämlich größtenteils die Sichtweise der von DiCaprio und De Niro gespielten Figuren ein, womit im Hinblick auf die ursprüngliche Intention nichts gewonnen ist, da die Ureinwohner hier zumeist passive Figuren bleiben.
Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch für die Handlung, denn durch den von Scorsese gewählten Fokus ist bereits innerhalb der ersten Viertelstunde klar, wer hinter den Morden steckt, es gibt hier überhaupt kein Mysterium aufzulösen und da Mollie keinen konkreten Verdacht schöpft, passiert hier knapp zweieinhalb Stunden lang auf der Handlungsebene ausgesprochen wenig und das meiste davon ist zudem repetitiv. Der Plot entwickelt keinerlei Dringlichkeit, das Pacing ist träge, da wirklich jede Szene viel zu lang ausgedehnt wird, und so ist die Laufzeit von fast dreieinhalb Stunden am Ende nicht gerechtfertigt.
Nun muss ein Film mit Überlänge nicht zwingend durch seine Handlung glänzen, aber irgendetwas muss er dem Zuschauer stattdessen bieten, damit dieser das Interesse nicht verliert. Das kann zum Beispiel die visuelle Präsentation sein: Die Kameraarbeit von Rodrigo Prieto ist erwartungsgemäß kompetent und setzt mit einer längeren Kamerafahrt durch das Haus, einer durch den Wechsel zu sattem Technicolor ins Surreale übersteigerten Sterbeszene und einem Point-of-View-Shot vereinzelte Highlights, allerdings sind diese zu rar gesät, um hier von einem Werk zu sprechen, das den Betrachter visuell permanent in den Bann ziehen würde. Der Großteil des Films besteht stattdessen aus konventionell via Schuss-Gegenschuss-Montage in Szene gesetzten Dialogen. Diese sind zudem nicht sonderlich gut geschrieben und vermitteln auch keine tieferen Erkenntnisse, so dass nach einer gewissen Zeit selbst die Klasse von DiCaprio und De Niro nicht mehr über ihren banalen Inhalt hinwegtäuschen kann.
Die lange Laufzeit in Kombination mit der Plotarmut bietet sich natürlich für eine Charakterstudie an und vermutlich war die hier auch das Ziel. Allerdings kann auch an dieser Front nicht allzu viel Erfreuliches vermeldet werden, da sämtliche Figuren hier kaum eine Entwicklung durchmachen. Immerhin holen die Darsteller das Beste aus dem Material heraus und sorgen dafür, dass der Film nicht baden geht. Dabei kann sich vor allem ein seine frühere Rolle des Max Cady kanalisierender De Niro profilieren, der als Nebenfigur keine große Entwicklung braucht und hier zu diabolischer Hochform aufläuft. Lily Gladstone kämpft dagegen mit einer subtilen Performance tapfer gegen das Drehbuch an, das ihre Motivationen kaum ergründet und sie häufig in den Hintergrund schiebt. Der omnipräsente DiCaprio spielt den leicht manipulierbaren Einfaltspinsel gewohnt stark, wobei sein etwas zu penetrant herausgestelltes Herunterziehen der Mundwinkel demnächst wohl ein Dasein als Internet-Meme fristen dürfte.
"Killers of the Flower Moon" ist bekanntermaßen der zweite Scorsese-Film, der von einem Streaminganbieter finanziert wird. Diese bieten einem arrivierten Regisseur wie ihm verglichen mit traditionellen Hollywoodstudios nicht nur ein nahezu unbegrenztes Budget, sondern auch das Recht auf den Final Cut, also die volle kreative Freiheit. Im vorliegenden Fall muss man nun leider konstatieren, dass damit in der Postproduktion ein Korrektiv fehlte, das Scorseses Verlangen, am liebsten all sein gedrehtes Material in den Film zu packen, einen Riegel vorschiebt, und ihm nahelegt, sich im Schneideraum von so mancher Szene zu trennen.
Ein besonders auffälliges Beispiel: In dem Film gibt es eine Stelle, an der eine Figur den Ablauf eines Mordes schildert. Direkt darauf zeigt uns Scorsese dann genau diese Mordszene als Rückblende, nicht etwa um die Aussage des Mörders als Lüge zu entlarven, sondern exakt so wie sie geschildert wurde. Scorsese scheint die alte Filmweisheit "Show, dont tell!" auf seine alten Tage zu "Tell and show!" umformuliert zu haben. Dies ist nur der absurdeste Auswuchs, etliche weitere Szenen hätte man herausschneiden können, da sie einfach nur längst Bekanntes wiederholen.
FAZIT
Die Länge ist zwar ein großes, aber nicht das einzige Problem des Films. Selbst wenn man sich den unnötigen Ballast wegdenkt, fällt es schwer dahinter ein Meisterwerk zu erkennen. Der Kardinalfehler liegt an der gegenüber der Vorlage veränderten Erzählstruktur. Zum einen wurde der offiziell dahinter stehende Gedanke einer Verschiebung des Fokus auf die Osage damit nicht erzielt und zum anderen das verlorengegangene Thriller-Potential der Vorlage nicht durch etwas gleichwertig Interessantes wie etwa eine faszinierende Charakterstudie ersetzt. So fragt man sich, ob die Geschichte als Two-hander mit Tom Whites Ermittlungen auf der einen und Mollies Leiden (bei gleichzeitiger Degradierung von Ernest und Will zu Nebenfiguren) auf der anderen Seite nicht besser funktioniert und zudem der Perspektive der Ureinwohner mehr Raum eingeräumt hätte.