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Killers of the Flower Moon

Kritik Details Trailer News
"Tell and show!" als neues Prinzip

Killers of the Flower Moon Kritik

Killers of the Flower Moon Kritik
6 Kommentare - 23.10.2023 von PaulLeger
In dieser Userkritik verrät euch PaulLeger, wie gut "Killers of the Flower Moon" ist.
Killers of the Flower Moon

INHALT

Der Kriegsheimkehrer Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio) kommt zu Beginn der 1920er Jahre zu seinem Onkel Will Hale (Robert De Niro) nach Oklahoma, um sich hier eine neue Existenz aufzubauen. Zu diesem Zeitpunkt sucht bereits eine Serie von ungeklärten Todesfällen den Stamm der hier lebenden Osage heim. Da auf ihrem Gebiet Erdöl entdeckt wurde, verfügen die Stammesangehörigen über enormen Reichtum, darunter auch die alleinstehende Mollie (Lily Gladstone), der Ernest schon bald den Hof macht.

Trailer zu Killers of the Flower Moon

KRITIK

Scorsese verschiebt in seinem neuen Werk den Fokus der gleichnamigen literarischen Vorlage von den dort im Zentrum stehenden Ermittlungen des FBI-Agenten Tom White, der hier erst im Schlussdrittel erstmals auftaucht, zu Ernest und Mollies Beziehung. Als Begründung gab er zu Protokoll, dass ihm bei der Drehbuchentwicklung bewusst geworden sei, dass man diese Geschichte aus Sicht der Ureinwohner schildern müsse. Ein hehres Anliegen, dem der Film am Ende allerdings nicht gerecht wird. Dieser nimmt nun nämlich größtenteils die Sichtweise der von DiCaprio und De Niro gespielten Figuren ein, womit im Hinblick auf die ursprüngliche Intention nichts gewonnen ist, da die Ureinwohner hier zumeist passive Figuren bleiben.

Ein weiteres Problem ergibt sich dadurch für die Handlung, denn durch den von Scorsese gewählten Fokus ist bereits innerhalb der ersten Viertelstunde klar, wer hinter den Morden steckt, es gibt hier überhaupt kein Mysterium aufzulösen und da Mollie keinen konkreten Verdacht schöpft, passiert hier knapp zweieinhalb Stunden lang auf der Handlungsebene ausgesprochen wenig und das meiste davon ist zudem repetitiv. Der Plot entwickelt keinerlei Dringlichkeit, das Pacing ist träge, da wirklich jede Szene viel zu lang ausgedehnt wird, und so ist die Laufzeit von fast dreieinhalb Stunden am Ende nicht gerechtfertigt.

Nun muss ein Film mit Überlänge nicht zwingend durch seine Handlung glänzen, aber irgendetwas muss er dem Zuschauer stattdessen bieten, damit dieser das Interesse nicht verliert. Das kann zum Beispiel die visuelle Präsentation sein: Die Kameraarbeit von Rodrigo Prieto ist erwartungsgemäß kompetent und setzt mit einer längeren Kamerafahrt durch das Haus, einer durch den Wechsel zu sattem Technicolor ins Surreale übersteigerten Sterbeszene und einem Point-of-View-Shot vereinzelte Highlights, allerdings sind diese zu rar gesät, um hier von einem Werk zu sprechen, das den Betrachter visuell permanent in den Bann ziehen würde. Der Großteil des Films besteht stattdessen aus konventionell via Schuss-Gegenschuss-Montage in Szene gesetzten Dialogen. Diese sind zudem nicht sonderlich gut geschrieben und vermitteln auch keine tieferen Erkenntnisse, so dass nach einer gewissen Zeit selbst die Klasse von DiCaprio und De Niro nicht mehr über ihren banalen Inhalt hinwegtäuschen kann.

Die lange Laufzeit in Kombination mit der Plotarmut bietet sich natürlich für eine Charakterstudie an und vermutlich war die hier auch das Ziel. Allerdings kann auch an dieser Front nicht allzu viel Erfreuliches vermeldet werden, da sämtliche Figuren hier kaum eine Entwicklung durchmachen. Immerhin holen die Darsteller das Beste aus dem Material heraus und sorgen dafür, dass der Film nicht baden geht. Dabei kann sich vor allem ein seine frühere Rolle des Max Cady kanalisierender De Niro profilieren, der als Nebenfigur keine große Entwicklung braucht und hier zu diabolischer Hochform aufläuft. Lily Gladstone kämpft dagegen mit einer subtilen Performance tapfer gegen das Drehbuch an, das ihre Motivationen kaum ergründet und sie häufig in den Hintergrund schiebt. Der omnipräsente DiCaprio spielt den leicht manipulierbaren Einfaltspinsel gewohnt stark, wobei sein etwas zu penetrant herausgestelltes Herunterziehen der Mundwinkel demnächst wohl ein Dasein als Internet-Meme fristen dürfte.

"Killers of the Flower Moon" ist bekanntermaßen der zweite Scorsese-Film, der von einem Streaminganbieter finanziert wird. Diese bieten einem arrivierten Regisseur wie ihm verglichen mit traditionellen Hollywoodstudios nicht nur ein nahezu unbegrenztes Budget, sondern auch das Recht auf den Final Cut, also die volle kreative Freiheit. Im vorliegenden Fall muss man nun leider konstatieren, dass damit in der Postproduktion ein Korrektiv fehlte, das Scorseses Verlangen, am liebsten all sein gedrehtes Material in den Film zu packen, einen Riegel vorschiebt, und ihm nahelegt, sich im Schneideraum von so mancher Szene zu trennen.

Ein besonders auffälliges Beispiel: In dem Film gibt es eine Stelle, an der eine Figur den Ablauf eines Mordes schildert. Direkt darauf zeigt uns Scorsese dann genau diese Mordszene als Rückblende, nicht etwa um die Aussage des Mörders als Lüge zu entlarven, sondern exakt so wie sie geschildert wurde. Scorsese scheint die alte Filmweisheit "Show, dont tell!" auf seine alten Tage zu "Tell and show!" umformuliert zu haben. Dies ist nur der absurdeste Auswuchs, etliche weitere Szenen hätte man herausschneiden können, da sie einfach nur längst Bekanntes wiederholen.

FAZIT

Die Länge ist zwar ein großes, aber nicht das einzige Problem des Films. Selbst wenn man sich den unnötigen Ballast wegdenkt, fällt es schwer dahinter ein Meisterwerk zu erkennen. Der Kardinalfehler liegt an der gegenüber der Vorlage veränderten Erzählstruktur. Zum einen wurde der offiziell dahinter stehende Gedanke einer Verschiebung des Fokus auf die Osage damit nicht erzielt und zum anderen das verlorengegangene Thriller-Potential der Vorlage nicht durch etwas gleichwertig Interessantes wie etwa eine faszinierende Charakterstudie ersetzt. So fragt man sich, ob die Geschichte als Two-hander mit Tom Whites Ermittlungen auf der einen und Mollies Leiden (bei gleichzeitiger Degradierung von Ernest und Will zu Nebenfiguren) auf der anderen Seite nicht besser funktioniert und zudem der Perspektive der Ureinwohner mehr Raum eingeräumt hätte.

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6 Kommentare
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
05.11.2023 17:19 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@PaulLeger
"Der vorliegende Film beantwortet diese Fragen allerdings kaum."

Aber genau darum geht es doch die ganze Zeit im Film, Scorsese nimmt sich nicht umsonst 206 Minuten Zeit dafür.

Weiterführend: "das war alles so unnötig, da hätte es eine schnelle Montage auch getan statt diese belanglosen und repetitiven Szenen so auszudehnen."

Das hat hier finde ich schon System, eine bewusste Entscheidung. Die Osage-Morde zogen sich über 20 Jahre hin und wurden nachträglich durch die FBI-Geschichtsschreibung und die "True Crime"-Verarbeitung mit der Radiosendung umgeschrieben und beschönigt, das Schicksal der Osage ausgeklammert. Scorsese verweigert sich der FBI-Narrative, durchbricht deswegen in der Endszene sogar die vierte Wand, und widmet sich den Osage-Morden detailliert, lang, enervierend und unangenehn. Repetitiv ja, weil es sich um repetitive Verbrechen handelte.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
01.11.2023 21:15 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.354 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ luhp92

Seine Spannung zieht der Film in meinen Augen aus William Hales intrigantem und manipulativem Spiel und aus den Fragen, wie es ihm gelingt, nach und nach die Osage wegen ihres Geldes auszuschalten, ohne dass der Verdacht auf ihn fällt, wie es sein kann, dass es dem Staat und der Polizei so lange egal ist, was hier vor sich geht.

Der vorliegende Film beantwortet diese Fragen allerdings kaum.

Scorsese gelingt das Kunststück, dass sich die 3,5 Stunden nicht wie solche anfühlen, mehr wie 2,5 Stunden.

Für mich haben sie sich wiederum wie fünf Stunden angefühlt.^^ Ich kann mich nicht erinnern wann ich das letzte Mal im Kino während eines Films auf die Uhr geschaut habe, das mache ich so gut wie nie, aber hier war es nach 2:15 Stunden der Fall. Bei "Lawrence von Arabien" oder "Es war einmal in Amerika" hat mich keine Minute gestört, aber der hier hat sich einfach so unfassbar gezogen.

Allein jedes Mal wenn De Niro in einem minutenlangen Dialog DiCaprio beauftragt hat, einen Killer zu engagieren und man dann DiCaprio minutenlang auf der Suche nach und in Gesprächen mit diesen Leuten zu sehen bekommt, das war alles so unnötig, da hätte es eine schnelle Montage auch getan statt diese belanglosen und repetitiven Szenen so auszudehnen.

Und ich habe das Gefühl, dass Kritik am Pacing mittlerweile nach dem ersten überschwänglichen Hype auch allmählich zum Konsens bei der Einschätzung des Films wird und wohl auch einer der Gründe für den schwachen Hold am zweiten Wochenende sein dürfte.

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
01.11.2023 01:15 Uhr | Editiert am 01.11.2023 - 01:22 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Dass die Osage im Vergleich mit den weißen Tätern verstärkt in den Hintergrund rücken, fand ich ebenfalls schade.

Aber dass es dem Film schadet, seine Geschichte nicht aus Sicht der FBI-Agenten zu erzählen, ihm deshalb das Mysterium und die Spannung fehlt, würde ich nicht sagen. Dass die Natives unter den Weißen zu leiden hatten, ist offenkundig bekannt und von Beginn an klar, da benötigt es keine Kriminalgeschichte, die am Ende zu dem Schluss kommt, dass es von den Weißen dieser bestimmte Eine war. Seine Spannung zieht der Film in meinen Augen aus William Hales intrigantem und manipulativem Spiel und aus den Fragen, wie es ihm gelingt, nach und nach die Osage wegen ihres Geldes auszuschalten, ohne dass der Verdacht auf ihn fällt, wie es sein kann, dass es dem Staat und der Polizei so lange egal ist, was hier vor sich geht.

Zudem stützt sich der Film publikumswirksam nicht nur auf diese Spannung, sondern auch auf seine Komik und seinen schwarzen Humor, abseits des Dramatischen und Tragischen handelt es sich bei "Killers of the Flower Moon" zu einem größeren Teil auch um eine Komödie. Leonardo DiCaprios naiver und dummer Ernest Burkhart, der sich ständig übers Ohr hauen lässt und dann die Dreistigkeit, mit der die Weißen hier in ihrem Überlegenkeitsgefühl vorgehen, insbesondere erneut Robert De Niro als William Hale. Schließlich die FBI-Agenten, die in diesem Zirkus und Absurditätenkabinett der weißen Rassisten und Kapitalisten inklusive passender Cameo-Auftritte irgendwie die Morde ermitteln sollen.

Gleichzeitig spielt Scorsese die Komik und Tragik im Film, die Gefühlswelt des Publikums, auch gekonnt gegeneinander aus. Auf das wohlige Gefühl des Komischen folgt meistens ein harter Schnitt hin zu überraschend fiesen und gewalttätigen oder dramatischen und traurigen Geschehnissen, um das Publikum wachzurütteln und jedes Mal auf die wirkliche Situation aufmerksam zu machen.

Alles in allem finde ich dementsprechend schon, dass dem Publikum hier einiges geboten wird, um es interessiert zu halten. Mit den Osage-Morden thematisiert Scorsese darüberhinaus ein Kapitel in der US-Historie, welches vielen Menschen unbekannt sein dürfte, allein die Existenz der wahren Ereignisse sorgt also schon für Interesse.

Scorsese gelingt das Kunststück, dass sich die 3,5 Stunden nicht wie solche anfühlen, mehr wie 2,5 Stunden. Nichtsdestotrotz inszeniert er "Killers of the Flower Moon" nicht so flott und dynamisch wie seine anderen Epen, die gefühlten 2,5 Stunden ziehen sich schon etwas.

Bei Lily Gladstone handelt es sich meiner Meinung nach wahrlich um ein schauspielerisches Jubel im Film, ich kannte sie vorher gar nicht. Trotz oder wegen ihres subtilen Spiels hält sie locker mit den Stars und Schauspielgrößen DiCaprio und De Niro mit und bietet ihnen die Stirn.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
24.10.2023 20:24 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.354 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ luhp92

Ich habe im Familien-, Freundes- und Bekanntenkanal auch auf allen Kanälen Werbung für den Film gemacht, wenn es DiCaprio schon nicht selbst tun kann^^

Hoffen wir mal, dass sie dir das am Ende nicht übel nehmen ;)

Bin übrigens nicht der einzige, der die Darstellung der Osage nicht so gelungen findet: ‘Reservation Dogs’ Star Devery Jacobs Slams ‘Flower Moon’ for Osage Characters Who Are ‘Underwritten’ and ‘Helpless Victims’

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
24.10.2023 19:32 Uhr | Editiert am 24.10.2023 - 19:32 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Ich werde nächsten Montag mit zwei Freunden ins Kino gehen.

Ich habe im Familien-, Freundes- und Bekanntenkanal auch auf allen Kanälen Werbung für den Film gemacht, wenn es DiCaprio schon nicht selbst tun kann^^

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
24.10.2023 00:01 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.354 | Reviews: 17 | Hüte: 263

Die Kritik enthält keine Spoiler, wobei es bei dem Film auch nichts zu spoilern gibt^^

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