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Oppenheimer

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In der Sache Christopher E. Nolan

Oppenheimer Kritik

Oppenheimer Kritik
22 Kommentare - 23.07.2023 von PaulLeger
In dieser Userkritik verrät euch PaulLeger, wie gut "Oppenheimer" ist.
Oppenheimer

Diese Kritik enthält SPOILER

"I view Oppenheimer as the most important person who ever lived."

Trailer zu Oppenheimer

Diese ob ihrer Einfalt entlarvende Aussage lässt zwei Schlüsse zu: Möglichkeit 1: Sie stammt von einer Person mit einem sehr eingeschränkten Horizont. Möglichkeit 2: Die Person weiß, wie unsinnig diese Aussage ist und tätigt sie lediglich, um ihren anstehenden Film zu promoten.

Der vorliegende Film legt nun allerdings nahe, dass Nolan diesen Satz absolut ernst gemeint hat und somit Möglichkeit 1 zutreffend ist. Oppenheimer ist für Nolan das größte Genie und die Bewunderung für ihn ist in jeder Szene spürbar. Da werden die zeitgenössischen Physiker, die in Fachkreisen allesamt mehr Anerkennung genießen (Link), als Oppy-Fanboys gezeigt, die dessen genialen Gedanken kaum folgen können, sei es Einstein, der von der Entwicklung abgehängte, tatterige Greis, oder Bohr, der von Oppenheimer darüber aufgeklärt werden muss, was aus dem Inhalt seines Gesprächs mit Heisenberg für das deutsche Nuklearprogramm gefolgert werden kann. Die größte Demütigung erfährt indes Heisenberg selbst, indem Nolan ihn von Matthias Schweighöfer darstellen lässt.

Das alles mag für Wissenschaftspuristen ärgerlich sein, ist aber natürlich kein Genickbruch für einen fiktiven Film (Hand aufs Herz, den Absatz hab ich hauptsächlich eingefügt, um einen Schweighöfer-Diss unterzubringen^^). Schwerwiegender ist da die moralische Absolution, die Nolan dem Objekt seiner Verehrung zuteil werden lässt.

Das fängt schon mit der Struktur des Films an. Nolan ergänzt die Haupthandlung durch einen zweiten Erzählstrang um den Politiker Lewis Strauss und dessen anstehende Vereidigung als Kabinettsmitglied unter Eisenhower. Strauss wird hier - von Downey jr. exzellent als kleingeistiger, selbstbezogener Wicht verkörpert - als klassischer Antagonist des Films etabliert, der bei allen Verfehlungen, die sich Oppenheimer im Laufe des Films auch leisten mag, ganz klar die verachtenswerteste Figur bleibt. Spätestens wenn die Anhörung über Oppenheimers Sicherheitsfreigabe, die das Kernstück der Erzählung bildet, als gemeine Intrige des Bösewichts entlarvt wird, liegen die Sympathien des Publikums eindeutig bei Oppenheimer, der sich einem unbegründeten und unfairen Prozess ausgesetzt sieht.

Der Film endet dann mit dem doppelten Triumph Oppenheimers, der indirekt dafür verantwortlich ist, dass Strauss in der Senatsabstimmung scheitert, während er selbst im Weißen Haus durch die Verleihung des Enrico-Fermi-Preises rehabilitiert wird. Wie konstruiert dieses Ende und die Einflechtung des kompletten Strauss-Plots in den Film sind, wird deutlich, wenn man dies mit den historischen Fakten abgleicht. Anders als dargestellt hat die Beziehung zu Oppenheimer in der Strauss-Anhörung in Wirklichkeit eine unbedeutende Rolle gespielt, dieser ist vielmehr hauptsächlich über eigene Falschaussagen und politische Ränkespiele gestolpert. Es stellt sich somit die Frage, wieso Nolan ein mit Oppenheimer kaum zusammenhängendes Ereignis zu einem derart großen Bestandteil seines Films gemacht hat und es liegt nahe, dass er eben unbedingt einen Antagonisten in die Story quetschen wollte, der die Sympathien auf Oppenheimers Seite ziehen soll.

Als Grundlage für sein Drehbuch beruft sich Nolan auf die Biografie "American Prometheus". Ich habe das Buch nicht gelesen und kann daher nicht beurteilen, ob es so nachsichtig mit Oppenheimer ist wie der Film suggeriert oder Nolan den Inhalt hier verfälscht wiedergibt.

Zieht man andere Quellen wie "Heller als tausend Sonnen" von Robert Jungk zu Rate wird jedoch klar, wieso es ein Problem ist, Oppenheimer in einem derart positiven Licht zu zeigen:

"Im Lichte der Jungkschen Untersuchung erscheint Oppenheimer als geltungsbedürftiger Ehrgeizling, der die Atombombe baut, um seine schwindende Potenz als Wissenschaftler zu kompensieren und um sich auf diese Weise eine Position in der Rangliste der großen Atomforscher zu sichern." (Link)

Der Film wiederum präsentiert als Oppenheimers Hauptantrieb wiederholt seine angebliche Ansicht, dass man unbedingt den Nazis mit dem Bau einer solchen Waffe zuvorkommen müsse. Eine Motivation, die durch eine von Oppenheimer höchstpersönlich im Jahr 1965 getätigte Aussage widerlegt werden kann:

"I was more worried about the campaign in Africa and the campaign in Russia when I went to New Mexico than I was about the Germans making a bomb. I thought they might very well be winning the war." (Link)

Ob die beiden Atombombenabwürfe Oppenheimer tatsächlich so sehr verfolgt haben wie der Film suggeriert, darf ebenfalls in Zweifel gezogen werden, da Oppenheimer den Ruhm als "Vater der Atombombe" sichtlich genoss:

"Eine seiner Sekretärinnen war viele Stunden damit beschäftigt, jede Nachricht, jeden Artikel, jede Karikatur, jedes Photo über ihren Chef in Ausschnitt-Büchern zu sammeln und zu ordnen. Der Ruhm war eine schöne Sache, und Oppenheimer, so asketisch er auch mit seinem mageren, fast kantig gewordenen Gesicht wirkte, genoß ihn sichtlich." (Link)

Er drohte dem Schriftsteller Heinar Kipphardt mit einer Klage, weil er in dessen Stück "In der Sache J. Robert Oppenheimer" fälschlicherweise als tragische Figur, die ihre Taten bereue, dargestellt wird (also ähnlich wie in Nolans Film!):

"Bereut hat Oppenheimer seine Rolle bei der Entwicklung der Atombombe entgegen weitverbreiteten Annahmen nie. Im Gegenteil: In den 1960er-Jahren drohte er sogar mit gerichtlichen Schritten gegen den deutschen Schriftsteller Heinar Kipphardt, weil ihn dieser in einem Stück als tragischen Helden skizzierte, der mit den Folgen seiner Arbeit haderte." (Link)

Nun ist es nicht so als würde Nolans Werk negative Punkte vollständig ausblenden. Die Art und Weise ihrer Einbettung in den Filmkontext lässt sie jedoch in der Fülle an Fakten und Figuren untergehen. So ist der Zuschauer beispielsweise gerade noch dabei die stakkatoartig eingeworfene Information aufzunehmen, dass Oppenheimer den US-Militärs haarklein erklärt hat, in welcher Höhe die Bombe optimalerweise detonieren sollte, damit sie die größte Anzahl an Menschenleben fordert, wird aber direkt wieder in die nächste, damit nicht zusammenhängende Szene geworfen, so dass die Information umgehend wieder verfliegt. Die unnötig verwirrende Erzählstruktur, der wilde Schnitt und der manchmal Dialoge übertönende Score können als bewusst eingesetzte Stilmittel gesehen werden, um solche hastig eingeworfenen Informationsbrocken teilweise zu verschleiern.

Fast alle problematischen Aspekte der Person werden als kurze Anekdoten abgehandelt, während der ungerechten Anhörung, die Oppenheimer als Opfer stilisiert, sehr viel Raum eingeräumt wird. Diese Gewichtung der einzelnen Punkte sorgt für einen unausgewogenen Eindruck und einen üblen Beigeschmack.

Da passt es ins Bild, wie eindeutig negativ hier zwei andere historische Figuren wegkommen. So gibt Gary Oldman in einem darstellerischen Karriere-Tiefpunkt eine Truman-Karikatur, während Benny Safdie seinen Edward Teller durch und durch unsympathisch anlegt.

FAZIT

Nolan erliegt seiner Faszination für den von ihm bewunderten Wissenschaftler und setzt dementsprechend in seiner Erzählung die falschen Schwerpunkte. Wenn die größte Tragik in einem Film über Oppenheimer darin besteht, dass diesem die Sicherheitsfreigabe entzogen wurde, ist etwas schief gelaufen.

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22 Kommentare
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MobyDick : : Moviejones-Fan
05.12.2023 01:28 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

PaulLeger:

Da kennst du mich aber ziemlich schlecht, mein Freund und Kupferstecher, ich kriege das auch da noch rein, wenn auch recht subtil wink

Dünyayi Kurtaran Adam
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PaulLeger : : Moviejones-Fan
04.12.2023 21:11 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.355 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ MobyDick

Danke für den Hut. Freu mich darauf, zur Abwechslung mal eine Diskussion in der es nicht um Wokeness gehen wird^^

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MobyDick : : Moviejones-Fan
04.12.2023 16:18 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

PaulLeger

Auch von mir vorab ein Hut für deine Recherchen und ausführliche Kritik :-)

Habe bisher einen großen Bogen um deine Kritik gemacht, und jetzt nur überflogen, weil ich den Film unvoreingenommen sehen wollte, schaue ihn voraussichtlich die Tage und werde dann auch deine Kritik genauer lesen und wahrscheinlich den Film mit einer eigenen Kritik beglücken, wenn er es wert sein sollte.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
01.08.2023 13:03 Uhr | Editiert am 01.08.2023 - 13:24 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@PaulLeger

"Er wurde von höchster politischer Stelle rehabilitiert"

Da hast du Recht. Auf Basis von Murphys Schauspiel in Kombination mit Einsteins Worten aus dem Off habe ich die Szene allerdings so wahrgenommen, dass Film-Oppenheimer auf diese nachträgliche Auszeichnung oder zumindest diese Veranstaltung gerne verzichtet hätte. Wegen der primären Intention der Auszeichnung, die Wogen zwischen den Parteien (Politik und Opposition) zu glätten, nicht unbedingt um Oppenheimers Leistungen zu würdigen.

"[Groves und Truman] ignorieren seine Vorschläge und lassen ihn wie einen dummen Jungen stehen"

Die beiden hören ihn aber zumindest noch an, bevor sie ihn wegen Meinungsverschiedenheiten abservieren. In der öffentlichen Wahrnehmung bleibt Oppenheimer für die Bevölkerung allerdings weiterhin ein Held der Nation und eine Stimme, des weiteren bleibt er ein einflussreicher politischer Sprecher der Atomic Energy Commission. Die Anhörung nimmt ihm schließlich diesen Einfluss und den Gesellschaftsstatus.

"hätte Nolan die Szene doch einfach am Ende zeigen sollen ohne sie zuvor auf diese Weise mit Strauss anzuteasern"

Das stimmt in der Tat.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MB80 : : Black Lodge Su
29.07.2023 10:27 Uhr
0
Dabei seit: 01.06.18 | Posts: 2.916 | Reviews: 44 | Hüte: 261

Luhp92

Der hat wirklich gut recherchierte takes, bringt auch nur alle paar Monate was raus. Schau wir mal seine Demontagen von so alt-right Kanälen an, besonders das Charlottsville Video über die Ausschreitungen.

"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
28.07.2023 22:28 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MB80

Wow, dieser Shaun hat echt meinen Horizont erweitert.

Generell sehr spannende Videos auf seinem Kanal.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
27.07.2023 22:46 Uhr
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Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MB80

Ich verstehe, was du meinst, betrachte es aber dennoch als Doku. Ob TV-Sender oder Youtube-Kanäle dahinterstehen, ist ja erstmal egal, und dieser Kanal nennt in der Beschreibung sogar seine Quellen.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
27.07.2023 21:58 Uhr
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Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.355 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ luhp92

Ich meinte damit die anderen Akteure des Manhattan-Projektes, die Oppenheimer während der McCarthy-Ära den Rücken kehrten und auf der Seite von Strauss standen, beispielsweise Edward Teller.

Okay, aber dann bleibt es dabei, dass die Rehabilitation ein Erfolg für ihn war. Er wurde von höchster politischer Stelle rehabilitiert und sein Ruf in der Öffentlichkeit war dadurch wieder hergestellt. Dass Teller ab diesem Zeitpunkt öffentlich wieder gute Miene ihm gegenüber zeigen muss, verdeutlicht das ja nur.

Der zentrale Fokus ist es ja nicht, sondern einer von dreien bzw. zweien, wenn man die Strauss-Senatsversammlung noch hinzuzählt.

Die Strauss-Abstimmung hängt ja mit der Oppenheimer-Befragung zusammen, die Laufzeit, die für beide aufgewendet wird, müsste man also zusammenzählen.

Zusätzlich zu den besagten Szenen mit Groves und Truman, die Oppenheimer allerdings noch in der Rolle einer stimmberechtigen Opposition zeigen.

Er ist in beiden Szenen ja eben nicht stimmberechtigt, beide ignorieren seine Vorschläge und lassen ihn wie einen dummen Jungen stehen, seine Machtlosigkeit wurde da doch schon vorgeführt. Indem Nolan Strauss verletztes Ego als Antriebsfeder hinter der Anhörung enthüllt, zeigt er ja selbst, dass die ganze Veranstaltung keine bedeutenden politischen Implikationen hatte, sondern mehr ein symbolischer Akt war, um Oppenheimer öffentlich zu demütigen. Sein politischer Einfluss war vorher schon marginal, dafür hätte man diesen Prozess gar nicht gebraucht.

Ich selbst zumindest hatte in keiner der zwei vorherig gezeigten Szenen des Dialogs den Eindruck, dass es hier speziell um Strauss geht.

Ich ebenfalls, deshalb war das Aufbauschen zu einem Twist ja so unnötig. Wenn es ihm nur um das ging, was du beschreibst, hätte Nolan die Szene doch einfach am Ende zeigen sollen ohne sie zuvor auf diese Weise mit Strauss anzuteasern.

Meinst du jetzt die realen Weggenossen oder die im Film? Der Film enthält eine Szene, in der Oppenheimers Mitarbieter Zweifel daran haben, ob die Atombomben nach der deutschen Kapitulation überhaupt noch fertiggestellt werden sollten. Oppenheimer erinnert nach kurzem Überlegen an Japan und überstimmt sie. Im Film schwingt persönliches Interesse am Erfolg mit, auch wenn der Fokus hier freilich auf der Beendigung des Krieges liegt.

Die realen. Was du beschreibst ist wieder so eine kurze kritische Szene, über die der Film schnell hinweggeht. Da hätte es meiner Ansicht nach mehr gebraucht.

@ MB80

Mit der Darstellung Trumans hatte ich übrigens wenig Probleme, der kommt nämlich bei neueren Recherchen auch nicht gut weg, wenn es um den Abwurf der Bomben geht. Der Narrativ, die Bomben wären nötig gewesen, um eine kostspielige Invasion zu vermeiden, bröckelt gerade an allen Ecken.

Die negative Darstellung stört mich auch nicht, ich fand es schauspielerisch einfach nicht gut, jedenfalls in diesem Rahmen.

Das Narrativ ist denke ich schon länger eingebrochen, aber das fällt ja nicht nur auf Truman, sondern eben auch auf Oppenheimer zurück. Merci für den Hut.

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MB80 : : Black Lodge Su
27.07.2023 19:27 Uhr
0
Dabei seit: 01.06.18 | Posts: 2.916 | Reviews: 44 | Hüte: 261

Luhp92:

Vorsicht, keine Doku, aber der macht sehr gut recherchierte Beiträge (Quellen sind bei dem auch immer angesprochen und Links angegeben...).

"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
27.07.2023 19:25 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MB80

Danke für den Link zur Doku.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MB80 : : Black Lodge Su
27.07.2023 18:03 Uhr
0
Dabei seit: 01.06.18 | Posts: 2.916 | Reviews: 44 | Hüte: 261

PaulLeger:

Dito Hut für die Recherche... Ich hatte beim sehen die historischen Details wahrscheinlich genauso wenig im Hinterkopf wie die meisten Kinogänger, fand den Film aber dennoch beeindruckend auch wenn man bei solchen Biopics immer das "fiktive" schon riecht. Ich fand allerdings nie, dass Nolan hier komplett einseitig bleibt, so lässt er den durch Benny Safdie dargestllten Edward Teller die Idee Oppenheimers ins lächerliche ziehen, er habe den Weltfrieden garantiert ("Until someone builds a bigger bomb..."). Ob er hier Oppenheimer Selbstbetrug oder Naivität ankreidet, bleibt offen denke ich.

Anyway, bei mir verordnet sich der Film bei sehr soliden 7.5/10 oder so, stilistisch stark, die letzten 45 Minuten gingen etwas auf den Keks, aber einige Szenen waren großartig und die Schockwellen, die Nolen hier inszeniert, machen den historischen Moment greifbar.

Mit der Darstellung Trumans hatte ich übrigens wenig Probleme, der kommt nämlich bei neueren Recherchen auch nicht gut weg, wenn es um den Abwurf der Bomben geht. Der Narrativ, die Bomben wären nötig gewesen, um eine kostspielige Invasion zu vermeiden, bröckelt gerade an allen Ecken.
Nur ein gut recherchiertes Beispiel (die 140 Minuten sind gut investiert..):

"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."

MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
25.07.2023 21:31 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@PaulLeger

Zur Reinwaschung: Ich meinte damit die anderen Akteure des Manhattan-Projektes, die Oppenheimer während der McCarthy-Ära den Rücken kehrten und auf der Seite von Strauss standen, beispielsweise Edward Teller.

Zur Anhörung und den Schuldgefühlen: Der zentrale Fokus ist es ja nicht, sondern einer von dreien bzw. zweien, wenn man die Strauss-Senatsversammlung noch hinzuzählt. Prä und post Bombenabwürfe. Ich halte die Anhörung und Oppenheimer dort symbolisch schon für sehr wichtig, um Mechanismen des Kalten Krieges, speziell mit Blick auf Atomwaffen offenzulegen. In der Anhörung geht es um Oppenheimers kommunistische Verbindungen, die im Kalten Krieg ganz anders gewichtet werden als im Weltkrieg, sowie Oppenheimers Skepsis hinsichtlch einer weiteren Erforschung und Produktion von Nuklearwaffen, also doch, die Anhörung dreht sich genau um die relevanten Themen. Zusätzlich zu den besagten Szenen mit Groves und Truman, die Oppenheimer allerdings noch in der Rolle einer stimmberechtigen Opposition zeigen. Durch die Anhörung hingegen wird er als Opposition komplett ausgeschaltet. Der Film-Oppenheimer mag nicht 1:1 mit dem realen Oppenheimer übereinstimmen, ist für das größere Bild, welches der Film zeichnet, meiner Wahrnehmung nach aber auch zu vernachlässigen.

Zum finalen Oppenheimer-Einstein-Dialog: Ist es denn wirklich ein Twist? Eine Offenbarung sicherlich, aber an eine Hinterlist glaubt in erster Linie Strauss selbst, aus seiner Sicht ist die Offenbarung ein Twist. Ich selbst zumindest hatte in keiner der zwei vorherig gezeigten Szenen des Dialogs den Eindruck, dass es hier speziell um Strauss geht. Ferner handelt es sich bei dem Dialog in meinen Augen um eine Rekontextualisierung der befürchteten Kettenreaktion, aus Atomkernen werden Atomwaffen, aus der Atmosphärenentzündung wird ein Atomkrieg. Also keine Erweiterung des Gesprächs mit Bohr, sondern eine Erweiterung und Verdeutlichung des Gesprächs, aus Bohrs Warnung ist nun Realität geworden.

Zum wissenschaftlichen Ruhm: Meinst du jetzt die realen Weggenossen oder die im Film? Der Film enthält eine Szene, in der Oppenheimers Mitarbieter Zweifel daran haben, ob die Atombomben nach der deutschen Kapitulation überhaupt noch fertiggestellt werden sollten. Oppenheimer erinnert nach kurzem Überlegen an Japan und überstimmt sie. Im Film schwingt persönliches Interesse am Erfolg mit, auch wenn der Fokus hier freilich auf der Beendigung des Krieges liegt.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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PaulLeger : : Moviejones-Fan
25.07.2023 00:23 Uhr | Editiert am 25.07.2023 - 00:29 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.355 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ luhp92

entsprechend handelt es sich bei der scheinbaren Rehabilitation 1963 nicht um eine Rehabilitation sondern eine Farce, ein weiteres politisches Ränkespiel, um sich reinzuwaschen. Das ist kein Erfolg für Oppenheimer.

Wer sollte sich damit reinwaschen? Die Rehabilitation wurde von dem Demokraten Kennedy beschlossen, die vorherige Demontage erfolgte durch die Republikaner Eisenhower und Strauss. Da Nolan zuvor im Anschluss an die Senatsabstimmung Ehrenreichs Figur den Namen Kennedy ganz prominent als einen der Senatoren, die gegen Strauss gestimmt haben, nennen lässt, war Kennedy dem Film zufolge von Anfang an auf der "richtigen" Seite und musste sich somit mit der Aktion nicht reinwaschen.

Dennoch auch hier erstmal, der unfaire Prozess gegen Oppenheimer und die Sabotage durch Strauss bleiben Tatsachen.

Das bestreitet ja auch niemand. Die Frage ist nur, ob das und damit das:

der Fokus liegt auf Oppenheimers Schuldgefühlen

wirklich der zentrale Fokus eines Films über Oppenheimer sein sollte. Dafür, dass es mit seinen Schuldgefühlen wahrscheinlich nicht so weit her war, wie es uns der Film verkaufen möchte, habe ich ja einige Quellen geliefert.

und der Kontext verschiebt sich sofort Richtung Kalter Krieg, in dem die Abwürfe lediglich das erste Kapitel darstellen, der Wissenschaft mit ihren Deeskalationsplänen die Kontrolle entzogen wird und Politik und Militär übernehmen.

Das wurde doch in mehreren kurzen Szenen (Dialog zwischen Oppenheimer und Damons Figur, später dann zwischen Oppenheimer und Truman) bereits ausreichend gezeigt, dazu braucht es nicht eine Stunde lang die Anhörung, bei der es größtenteils doch um ganz andere Inhalte ging.

Die finale Szene des Films dreht sich ferner nicht um Oppenheimers indirekten Sieg über Strauss oder sonst einen seiner Erfolge, vielmehr nimmt der Film Oppenheimer nochmal in die Verantwortung für die Ermöglichung einer weltenzerstörenden Kettenreaktion, nur eben nicht bezogen die Atmosphärenentzündung sondern das Aufrüsten im Kalten Krieg.

Durch das unnötige Aufbauschen zu einem billigen Twist, indem der Dialog zuvor schon zwei Mal gezeigt wurde, ohne dass wir ihn gehört haben, ist die Szene aber eben auch eine finale Breitseite gegen Strauss, der sich selbst viel zu wichtig genommen hat. Der Antagonist wird noch ein letztes Mal als unbedeutend herausgestellt, was für einen Egozentriker wie ihn die größte Demütigung ist. Der Satz, den Oppenheimer zu Einstein sagt, ist wiederum quasi nur eine Wiederholung aus dem Gepräch mit Bohr, bietet also nicht einmal großen inhaltlichen Mehrwert abgesehen vom "Twist".

Zu Oppenheimers Hauptantrieb: Hier halte ich deine Kritik mehr für Nitpicking. Oppenheimer betont im Film schließlich mehrmals, dass er den Faschismus bekämpfen möchte (sei es der spanische, der deutsche oder der japanische) und spezell auf die Nazis bezogen, dass er persönlich als Jude die Ermordung von Juden aufhalten möchte. Also ihm geht es im Film sehr wohl auch darum, zu verhindern, dass die Nazis den Krieg gewinnen.

Damit ignorierst du aber die von seinen Weggenossen vorgetragenen Vorwürfe, dass es ihm um wissenschaftlichen Ruhm ging. Die Punkte, die du anführst, waren ja mit der Kapitulation des Deutschen Reichs größtenteils passé und dennoch wollte Oppenheimer die Arbeit an der Bombe unbedingt vollenden und diese gegen Japan einsetzen.

Zu Teller: Hat er am Ende nicht sogar gegen Strauss ausgesagt und so zu dessen Ablehnung beigetragen? Bin mir gerade nicht sicher.

Teller hat pro Strauss ausgesagt, Rami Maleks Figur war es, die der Auslöser für die Ablehnung war.

Fast vergessen, danke für den Hut.

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
24.07.2023 22:21 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 9.047 | Reviews: 173 | Hüte: 607

@PaulLeger
Dass es nur um die Sicherheitsfreigabe gehe habe ich nicht behauptet, sondern, dass der größte Fokus darauf gelegt wurde.

Kam mit dem polemischen des Kommentares bei der MJ Kritik für mich anders rüber. Danke, dass du hier nochmal die Brücke geschlagen hast.


MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
24.07.2023 21:22 Uhr
0
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@PaulLeger

Vorab auch ein Hut von mir für deine Recherchen.

Albert Einstein wurde bekanntlich nie warm mit der Quantentheorie, von daher passt dahingehend alles im Film. Er fungiert im Film ansonsten als Ratgeber und Mentor, als es um die Theorie der Atmosphärenentzündung geht, wendet sich Oppenheimer nicht umsonst an Einstein, um physikalische Gewissheit zu erlangen, hier kollidieren eben Quantentheorie und Relativitätstheorie. Einstein durchschaut das auch sofort und gibt die Verantwortung an Oppenheimer zurück. Später gibt Einstein den Rat, den Staatsfiguren nicht zu vertrauen, entsprechend handelt es sich bei der scheinbaren Rehabilitation 1963 nicht um eine Rehabilitation sondern eine Farce, ein weiteres politisches Ränkespiel, um sich reinzuwaschen. Das ist kein Erfolg für Oppenheimer.

Gleiches gilt für Niels Bohr, wie Einstein eine weitere staatsunabhängige Mentorenfigur, der Oppenheimer vertraut und die Oppenheimer zum ersten Mal vor den langfristigen Risiken der Entwicklung einer Atombombe warnt und darauf hinweist, welche politischen Schritte in die Wege geleitet werden sollten.

Zu Lewis Strauss: Warum die Senatsabstimmung so eine große Rolle einnimmt, habe ich auch nicht verstanden. Dennoch auch hier erstmal, der unfaire Prozess gegen Oppenheimer und die Sabotage durch Strauss bleiben Tatsachen. Bei Strauss handelt es sich im Film - ebenso wie Truman später (ich fand Oldman klasse) - um eine wichtige Position innerhalb des US-amerikanischen, politisch-staatlichen Komplexes, gedanklich und ideologisch bereits im Kalten Krieg verankert, der die Demontage Oppenheimers vorantreibt und sich gegen die Bemühung einer Atomwaffenregulierung stellt (Deeskalation und Abrüstung, Diplomatie mt der Sowjetunion, Übergabe der Gewalt und Kontrolle an eine überstaatliche Organisation).

Deswegen ist der Fokus auf die Anhörung hinsichtlich der Sicherheitsfreigabe nach den Atombombenabwürfen auch so wichtig. Nicht wegen Oppenheimer und der Sicherheitsfreigabe im Detail, sondern wegen des höhergesteckten Motivs. Die Entwicklung der Atombombe und die Abwürfe werden ihrer filmischen Überhöhung und Veherrlichung beraubt (wie hätte man die Abwürfe auf Japan auch adäquat darstellen sollen?), stattdessen sieht man eine weitere Stunde Dialogfilm, der Fokus liegt auf Oppenheimers Schuldgefühlen und der Kontext verschiebt sich sofort Richtung Kalter Krieg, in dem die Abwürfe lediglich das erste Kapitel darstellen, der Wissenschaft mit ihren Deeskalationsplänen die Kontrolle entzogen wird und Politik und Militär übernehmen.

Die finale Szene des Films dreht sich ferner nicht um Oppenheimers indirekten Sieg über Strauss oder sonst einen seiner Erfolge, vielmehr nimmt der Film Oppenheimer nochmal in die Verantwortung für die Ermöglichung einer weltenzerstörenden Kettenreaktion, nur eben nicht bezogen die Atmosphärenentzündung sondern das Aufrüsten im Kalten Krieg.

Zu Oppenheimers Hauptantrieb: Hier halte ich deine Kritik mehr für Nitpicking. Oppenheimer betont im Film schließlich mehrmals, dass er den Faschismus bekämpfen möchte (sei es der spanische, der deutsche oder der japanische) und spezell auf die Nazis bezogen, dass er persönlich als Jude die Ermordung von Juden aufhalten möchte. Also ihm geht es im Film sehr wohl auch darum, zu verhindern, dass die Nazis den Krieg gewinnen.

Zu Oppenheimers nachträgliche Haltung zum Bau der Atombomben: Auch hier stellt der Film im Handlungsstrang der Anhörung klar, dass Oppenheimer die Atombomben jederzeit wieder entwicklen und abwerfen lassen würde. Freilich stellt er sich im Film die Frage, ob der Abwurf gerade auf Japan im August noch notwendig für eine Kapitulation gewesen wäre.

Zu Teller: Hat er am Ende nicht sogar gegen Strauss ausgesagt und so zu dessen Ablehnung beigetragen? Bin mir gerade nicht sicher.

Schnitt und Score habe ich gänzlich anders wahrgenommen als du, für mich eine durchgehende Kompromittierung Oppenheimers und des Entwicklungsprozesses der Atombombe. Oppenheimer sehe ich hier quasi auch als Sohn von Daniel Plainview, eine manische, dominanz- und machtliebende Person, nur oberflächlich eine Lichtgestalt. Gegen diese Oberfläche arbeiten dann Schnitt und Score.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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