Bewertung: 3.5 / 5
Anders als bei Comic- oder Videospielfiguren stellt die Adaption einer Spielzeugpuppe für die Leinwand die Drehbuchautoren vor die Herausforderung, eine Geschichte entwickeln zu müssen, ohne dabei auf ein bereits entwickeltes Narrativ bauen zu können. Dies ist natürlich gleichermaßen auch eine Chance, kann man die Verfilmung doch dazu nutzen, viele ganz persönliche Ideen zum Ausdruck zu bringen. Und das ist hier auch so ein bisschen das Problem, denn an Ideen mangelte es Greta Gerwig und Noah Baumbach eindeutig nicht, aber ob die sich am Ende auch zu einem stimmigen Ganzen verbinden lassen, steht wiederum auf einem anderen Blatt Papier.
Die Geschichte, die die beiden sich ausgedacht haben, sieht grob so aus, dass eine von zahlreichen Barbies in der perfekten Traumwelt Barbieland plötzlich von sehr menschlichen Gedanken und Problemen befallen wird, woraufhin sie in die reale Welt ausziehen muss, was zu einer Reise der Erkenntnis führt, die eindeutig als Emanzipationsgeschichte lesbar ist.
Trailer zu Barbie
Der sie begleitende Ken wiederum durchläuft hier eine Incel-Heldenreise. Als Mann, dem seine Traumfrau den Sex verweigert und der Schwierigkeiten hat, einen Sinn in seinem Leben zu finden, verfällt er in der realen Welt hohlen Ideologien und entwickelt sich zum toxischen Alpha-Mann, der kurzentschlossen zurückkehrt und Barbieland in ein Patriarchat umgestaltet. Das sorgt in der Folge für ein paar amüsante Seitenhiebe gegen bestimmte Männlichkeitsrituale.
Das Worldbuilding von Barbieland weiß mit einigen cleveren Ideen zu gefallen, etwas schade ist dabei jedoch, wie wenig Gerwig hier der Intelligenz des Publikums traut und diese oftmals umgehend erklärt, aber das sind eben die Konzessionen an das Mainstream-Kino.
Der bei Filmen dieser Art obligatorische Fan-Service flog qua fehlender Barbie-Sozialisation über den Kopf dieses Rezensenten hinweg, wobei einige Anspielungen auch ohne Kontext funktionieren (Sugar Daddy Ken, WTF?).
Margot Robbie ist die beinahe perfekte Besetzung als stereotypical Barbie (wieso sie nicht ganz perfekt für die Rolle ist, erklärt der Film in einem die vierte Wand durchbrechenden Voice-Over, der einer der besten Gags des Films ist) und bekommt vor allem in der zweiten Filmhälfte den Raum für eine einnehmende Performance.
Daneben lässt Ryan Gosling in seiner dritten "Literally Me"-Rolle (dieses Mal aber unironisch) mit viel Mut zur Peinlichkeit ordentlich die Sau raus. Und falls es noch Menschen gab, die Matchbox Twenty ernst genommen haben, hat er die nun auch eines Besseren belehrt.
Man hat das Gefühl, dass Gerwig hier stellenweise mit angezogener Handbremse agiert. So bleibt eine unterhaltsame Satire auf Geschlechterverhältnisse, die trotz vieler guter Ideen ruhig noch etwas bissiger hätte ausfallen dürfen.