Bewertung: 0.5 / 5
**********Diese Kritik enthält Spoiler**********
Trailer zu Split
Split ist ein psychologischer Horrorthriller von M. Night Shyamalan (Drehbuch, Regie, Co-Produktion) über einen Mann mit dissoziativer Identitätsstörung (DIS), der drei Mädchen von einem Parkplatz entführt und gefangen hält, um sie einer seiner Persönlichkeiten (Alters) auszuliefern. James McAvoy ("Atonement") spielt als DIS-Patient Kevin damit einen Großteil der Hauptrollen, Betty Buckley (Musical "Sunset Boulevard") seine behandelnde Psychologin und Anya Taylor-Joy ("The VVitch") eines seiner Opfer.
Splits großer Aufhänger sind die 24 Persönlichkeiten von Kevin, einem Mann, der schon seit seiner Kindheit an einer ausgeprägten dissoziativen Identitätsstörung leidet. Die einzelnen Persönlichkeiten unterscheiden sich in Alter, Gebaren, Stimmlage, Kleidung, Zugang zum "Licht" oder Bewusstsein und vor allem Meinung zu einer von ihnen - der Bestie. Deren engste Verbündete in Kevin sind Dennis und Patricia - Dennis entführt drei Teenager, steckt sie in eine unterirdische Zelle und schon sind wir mitten im Plot. Oder fast.
Die Zeit, die die Mädchen mit der vorherrschenden Panik, Erkundung ihrer Zelle und den ersten Fluchtplänen verbringen, wird immer wieder mit expositionslastigen Dialogszenen zwischen Kevin (in dem der "wache" Dennis vorgibt, der stabilere Barry zu sein) und seiner Therapeutin unterbrochen. In diesen lernen wir über ihre Mission, der medizinischen Welt klarzumachen, dass Menschen mit DIS drastisch unterschiedliche physische Formen haben können, je nachdem, welche Persönlichkeit "ins Licht tritt". Außerdem nutzt Shyamalan diese Gelegenheit, uns von der Gruppendynamik zwischen den Alters und ihrem (Un-)Glauben an die Bestie zu erzählen. Die Bestie ist ein bisschen der Hulk, Messias und Jeanne d’Arc für die Alters - die starke, unverletzliche Version ihrer selbst, gekommen, um der Welt zu zeigen, dass sie als "Horde" die neueste Entwicklungsstufe der Menschheit darstellen. Und um geschützt aufgewachsene Mädchen zu fressen. Warum die jetzt unbedingt verspeist werden müssen scheint übrigens nicht weiter von Belang zu sein.
Vorneweg - einiges, was die Fans an diesem Film mögen, hat Hand und Fuß. Als weder Freund noch Feind Shyamalans kann ich der enthusiastischen Meinung, er sei zu seinen alten Höhen ("The Sixth Sense") zurückgekehrt, nicht verlässlich zustimmen. Handwerklich ist Split jedoch bestimmt kein "After Earth". Optisch ist es vielleicht kein Durchbruch, aber durchaus gut anzuschauen, mit vielerlei Hitchcock-Huldigung und einer für einen Superheldenfilm erstaunlich verträglichen matten Farbpalette.
Dass die große Enthüllung des Filmes von Anfang an Teil des Trailers ist, mögen viele erfrischend finden. Wer besonders Wert auf das Gefühl anhaltender Beklemmung ohne großes Auf und Ab in seinen Horror-Thrillern legt, wird mit Split sicherlich Spaß haben. Die beinahe ruhige Plotführung ist wie eine beige Leinwand, vor der die farbenfrohen Alters Kevins leuchten können.
James McAvoy schauspielert sich fast wund an all den Persönlichkeiten - besonders der neunjährige Hedwig bleibt als distinkter Charakter in Erinnerung. Kompetent besetzt wirkt auch die entführte Casey (Anya Taylor-Joy) - eine Rolle, die sich wie ein direktes Yang zu Kevins Yin verhält und sehr wenig an Emotionen auf die Leinwand bringt. Technisch sind sowohl Soundtrack und Sounddesign völlig in Ordnung, retten Split meiner Meinung nach nicht. Ab hier gehts bergab.
Alle Charaktere bewegen sich in ihrem Verhalten auf einer binären Skala von Realitätsferne - die einen katatonisch, die betreffenden Schauspieler offenbar schwer an entsprechenden Regieanweisungen ackernd, mit regungslos ausgepressten Tränen, die anderen maßlos überspitzt in ihren Reaktionen. Gestellte, expositionsgeladene Dialoge ruckeln so dahin. Die Handlung fühlt sich an wie ein vertrautes Muster, aber nicht wohlig nostalgisch und spannend neu interpretiert, sondern wie ein Film, den man schon hundertmal gesehen und noch nie wirklich genossen hat. Man möchte aufstehen und Wäsche falten. Oder weiße Wände neu streichen.
Hier als Einschub - ich habe es bei Filmen wirklich nicht mit der Korrektheit, ich mag meine Actionfilme mit Machotrash genauso gerne wie meine Komödien überladen mit Vorurteilen, da kenne ich nichts.
Dennoch bleibt nach Split ein hartnäckiger Gedanke, der andere Aspekte des Filmes in den Schatten stellt. Die psychische Störung als den bösen schwarzen Mann zu inszenieren, gelingt nicht nur durch das schleppende Tempo eher schlecht, sondern fühlt sich auch noch zutiefst widerlich an.
Ich habe Split auf die Bitte einer befreundeten Therapeutin nicht im Kino gesehen.
Lange Zeit dachte ich, dass die Kritik von Betroffenen möglicherweise überspitzt ist und nicht wirklich DIS als Ursache für das Biest genannt und dargestellt wird, sondern Shyamalan Kevin einen beträchtlichen fantastischen Drall verpasst. Weit gefehlt. Stattdessen wird auch noch sexueller Missbrauch an Kindern als billiger Subplot verschleudert - Shyamalan, warum wirkt das hier so unfassbar faul?
Dieser uninspirierte Baba Jaga einer völlig misrepräsentierten, realen und belastenden Störung ist eine klebrige Ohrfeige ins Gesicht eines jeden Menschen, der jemals Kontakt mit psychisch Kranken hatte. Und das hatten wir alle.
Da wünscht man sich fast, der Streifen würde sich selbst nicht ganz so ernst nehmen. Wer Spaß an schlechter Persönlichkeits-WG hat, sollte lieber Venom gucken.
Auch die Begründung der schlussendlichen Dynamik zwischen Kevin und Casey lässt zu wünschen übrig. Das Phänomen des "letzten Mädchens", dass von dem (oft männlichen oder männlich inszenierten) Monster verschont wird, weil es rein und (sexuell) unberührt sei, ist nichts Neues in der Horror-Welt (Carol J. Clover, 1992). Casey fällt nicht in das Beuteschema der Bestie, die die Schwachen, Unverletzten, "Unzersplitterten" frisst, da sie in letzter Minute die Narben des Mädchens sieht. Das Trauma des sexuellen Missbrauchs als Marker der besseren Menschheit. Was dich nicht tötet, macht dich vollkommener? Wems gefällt.
Wenn schon so tief in die "Trickkiste" menschlichen Leidens gegriffen, hätte man wenigstens mehr damit anfangen können. Der Grund für das Ende von Kevins Hetzjagd allein wäre mir schon sauer aufgestoßen, aber der Film lässt wirklich nichts liegen - es ist eine peinliche Ausschlachtung von Vorurteilen, von denen ich kaum glauben kann, dass man sie 2017 im Kino als "Thriller mit Substanz" feiert. Es hätte mich beschämt, an der Kinokasse das Geld für diesen Film hinzulegen. Der Plot entfaltet sich schleppend, das Ende hat kein finales Gefühl und tröpfelt unsauber vor sich hin. Neu fühlt sich hier nichts an. McAvoy schauspielert und rattert durch seine Dialekte, was das Zeug hält, aber ansonsten würde ich sagen, dass die gespaltene Persönlichkeit hier eine beleidigende und einfallslose Plotpuppe ist, hohl und ordinär in ihrer Ausführung.
Jetzt bleibt mir nur noch Verwirrung - Verwirrung über die doch sehr positive Resonanz.
Wer hier findet, das Problem der Darstellung von Trauma und Krankheitsbild ist keins, schließlich ist es zumindest auf dem Papier ein Horror, damit absichtlich unangenehm und das Klischee der multiplen Persönlichkeit ein Klassiker des Genres - den kann ich zumindest nachvollziehen.
Der unkritische Genuss dieses Films ist bestimmt möglich und ich habe nicht die Absicht, den Spaß an Split zu verurteilen. In Anbetracht dessen, dass das Klischee jedoch nicht gerade neu ist, halte ich die Darstellung von DIS Patienten als gewalttätige, wortwörtliche Monster (sowie den effekthaschenden Umgang mit Missbrauch) in Shyamalans Facettenlosigkeit für unverantwortlich.