Anzeige
Anzeige
Anzeige

Split

Kritik Details Trailer News
Wer leidet, überlebt

Split Kritik

Split Kritik
58 Kommentare - 09.01.2019 von ELanchester
In dieser Userkritik verrät euch ELanchester, wie gut "Split" ist.
Split

Bewertung: 0.5 / 5

**********Diese Kritik enthält Spoiler**********

Trailer zu Split

Split ist ein psychologischer Horrorthriller von M. Night Shyamalan (Drehbuch, Regie, Co-Produktion) über einen Mann mit dissoziativer Identitätsstörung (DIS), der drei Mädchen von einem Parkplatz entführt und gefangen hält, um sie einer seiner Persönlichkeiten (Alters) auszuliefern. James McAvoy ("Atonement") spielt als DIS-Patient Kevin damit einen Großteil der Hauptrollen, Betty Buckley (Musical "Sunset Boulevard") seine behandelnde Psychologin und Anya Taylor-Joy ("The VVitch") eines seiner Opfer.

Splits großer Aufhänger sind die 24 Persönlichkeiten von Kevin, einem Mann, der schon seit seiner Kindheit an einer ausgeprägten dissoziativen Identitätsstörung leidet. Die einzelnen Persönlichkeiten unterscheiden sich in Alter, Gebaren, Stimmlage, Kleidung, Zugang zum "Licht" oder Bewusstsein und vor allem Meinung zu einer von ihnen - der Bestie. Deren engste Verbündete in Kevin sind Dennis und Patricia - Dennis entführt drei Teenager, steckt sie in eine unterirdische Zelle und schon sind wir mitten im Plot. Oder fast.

Die Zeit, die die Mädchen mit der vorherrschenden Panik, Erkundung ihrer Zelle und den ersten Fluchtplänen verbringen, wird immer wieder mit expositionslastigen Dialogszenen zwischen Kevin (in dem der "wache" Dennis vorgibt, der stabilere Barry zu sein) und seiner Therapeutin unterbrochen. In diesen lernen wir über ihre Mission, der medizinischen Welt klarzumachen, dass Menschen mit DIS drastisch unterschiedliche physische Formen haben können, je nachdem, welche Persönlichkeit "ins Licht tritt". Außerdem nutzt Shyamalan diese Gelegenheit, uns von der Gruppendynamik zwischen den Alters und ihrem (Un-)Glauben an die Bestie zu erzählen. Die Bestie ist ein bisschen der Hulk, Messias und Jeanne d’Arc für die Alters - die starke, unverletzliche Version ihrer selbst, gekommen, um der Welt zu zeigen, dass sie als "Horde" die neueste Entwicklungsstufe der Menschheit darstellen. Und um geschützt aufgewachsene Mädchen zu fressen. Warum die jetzt unbedingt verspeist werden müssen scheint übrigens nicht weiter von Belang zu sein.

Vorneweg - einiges, was die Fans an diesem Film mögen, hat Hand und Fuß. Als weder Freund noch Feind Shyamalans kann ich der enthusiastischen Meinung, er sei zu seinen alten Höhen ("The Sixth Sense") zurückgekehrt, nicht verlässlich zustimmen. Handwerklich ist Split jedoch bestimmt kein "After Earth". Optisch ist es vielleicht kein Durchbruch, aber durchaus gut anzuschauen, mit vielerlei Hitchcock-Huldigung und einer für einen Superheldenfilm erstaunlich verträglichen matten Farbpalette.

Dass die große Enthüllung des Filmes von Anfang an Teil des Trailers ist, mögen viele erfrischend finden. Wer besonders Wert auf das Gefühl anhaltender Beklemmung ohne großes Auf und Ab in seinen Horror-Thrillern legt, wird mit Split sicherlich Spaß haben. Die beinahe ruhige Plotführung ist wie eine beige Leinwand, vor der die farbenfrohen Alters Kevins leuchten können.

James McAvoy schauspielert sich fast wund an all den Persönlichkeiten - besonders der neunjährige Hedwig bleibt als distinkter Charakter in Erinnerung. Kompetent besetzt wirkt auch die entführte Casey (Anya Taylor-Joy) - eine Rolle, die sich wie ein direktes Yang zu Kevins Yin verhält und sehr wenig an Emotionen auf die Leinwand bringt. Technisch sind sowohl Soundtrack und Sounddesign völlig in Ordnung, retten Split meiner Meinung nach nicht. Ab hier gehts bergab.

Alle Charaktere bewegen sich in ihrem Verhalten auf einer binären Skala von Realitätsferne - die einen katatonisch, die betreffenden Schauspieler offenbar schwer an entsprechenden Regieanweisungen ackernd, mit regungslos ausgepressten Tränen, die anderen maßlos überspitzt in ihren Reaktionen. Gestellte, expositionsgeladene Dialoge ruckeln so dahin. Die Handlung fühlt sich an wie ein vertrautes Muster, aber nicht wohlig nostalgisch und spannend neu interpretiert, sondern wie ein Film, den man schon hundertmal gesehen und noch nie wirklich genossen hat. Man möchte aufstehen und Wäsche falten. Oder weiße Wände neu streichen.

Hier als Einschub - ich habe es bei Filmen wirklich nicht mit der Korrektheit, ich mag meine Actionfilme mit Machotrash genauso gerne wie meine Komödien überladen mit Vorurteilen, da kenne ich nichts.

Dennoch bleibt nach Split ein hartnäckiger Gedanke, der andere Aspekte des Filmes in den Schatten stellt. Die psychische Störung als den bösen schwarzen Mann zu inszenieren, gelingt nicht nur durch das schleppende Tempo eher schlecht, sondern fühlt sich auch noch zutiefst widerlich an.

Ich habe Split auf die Bitte einer befreundeten Therapeutin nicht im Kino gesehen.

Lange Zeit dachte ich, dass die Kritik von Betroffenen möglicherweise überspitzt ist und nicht wirklich DIS als Ursache für das Biest genannt und dargestellt wird, sondern Shyamalan Kevin einen beträchtlichen fantastischen Drall verpasst. Weit gefehlt. Stattdessen wird auch noch sexueller Missbrauch an Kindern als billiger Subplot verschleudert - Shyamalan, warum wirkt das hier so unfassbar faul?

Dieser uninspirierte Baba Jaga einer völlig misrepräsentierten, realen und belastenden Störung ist eine klebrige Ohrfeige ins Gesicht eines jeden Menschen, der jemals Kontakt mit psychisch Kranken hatte. Und das hatten wir alle.

Da wünscht man sich fast, der Streifen würde sich selbst nicht ganz so ernst nehmen. Wer Spaß an schlechter Persönlichkeits-WG hat, sollte lieber Venom gucken.

Auch die Begründung der schlussendlichen Dynamik zwischen Kevin und Casey lässt zu wünschen übrig. Das Phänomen des "letzten Mädchens", dass von dem (oft männlichen oder männlich inszenierten) Monster verschont wird, weil es rein und (sexuell) unberührt sei, ist nichts Neues in der Horror-Welt (Carol J. Clover, 1992). Casey fällt nicht in das Beuteschema der Bestie, die die Schwachen, Unverletzten, "Unzersplitterten" frisst, da sie in letzter Minute die Narben des Mädchens sieht. Das Trauma des sexuellen Missbrauchs als Marker der besseren Menschheit. Was dich nicht tötet, macht dich vollkommener? Wems gefällt.

Wenn schon so tief in die "Trickkiste" menschlichen Leidens gegriffen, hätte man wenigstens mehr damit anfangen können. Der Grund für das Ende von Kevins Hetzjagd allein wäre mir schon sauer aufgestoßen, aber der Film lässt wirklich nichts liegen - es ist eine peinliche Ausschlachtung von Vorurteilen, von denen ich kaum glauben kann, dass man sie 2017 im Kino als "Thriller mit Substanz" feiert. Es hätte mich beschämt, an der Kinokasse das Geld für diesen Film hinzulegen. Der Plot entfaltet sich schleppend, das Ende hat kein finales Gefühl und tröpfelt unsauber vor sich hin. Neu fühlt sich hier nichts an. McAvoy schauspielert und rattert durch seine Dialekte, was das Zeug hält, aber ansonsten würde ich sagen, dass die gespaltene Persönlichkeit hier eine beleidigende und einfallslose Plotpuppe ist, hohl und ordinär in ihrer Ausführung.

Jetzt bleibt mir nur noch Verwirrung - Verwirrung über die doch sehr positive Resonanz.

Wer hier findet, das Problem der Darstellung von Trauma und Krankheitsbild ist keins, schließlich ist es zumindest auf dem Papier ein Horror, damit absichtlich unangenehm und das Klischee der multiplen Persönlichkeit ein Klassiker des Genres - den kann ich zumindest nachvollziehen.

Der unkritische Genuss dieses Films ist bestimmt möglich und ich habe nicht die Absicht, den Spaß an Split zu verurteilen. In Anbetracht dessen, dass das Klischee jedoch nicht gerade neu ist, halte ich die Darstellung von DIS Patienten als gewalttätige, wortwörtliche Monster (sowie den effekthaschenden Umgang mit Missbrauch) in Shyamalans Facettenlosigkeit für unverantwortlich.

Split Bewertung
Bewertung des Films
110

Weitere spannende Kritiken

The Fall Guy Kritik

Userkritik von Raven13

Poster Bild
Kritik vom 24.04.2024 von Raven13 - 0 Kommentare
Gestern habe ich "The Fall Guy" in einer Sneak im Kino gesehen. Viel gibt es zu dem Film nicht zu sagen, finde ich. Das Positive sind die guten Actionszenen, die Stunts, Ryan Gosling, Emily Blunt und die Darstellung der Stuntleute und Stuntarbeit an einem Actionfilm-Set. Wie realistisch diese Dars...
Kritik lesen »

Hilfe, die Amis kommen Kritik

Hilfe, die Amis kommen Kritik

Poster Bild
Kritik vom 22.04.2024 von ProfessorX - 0 Kommentare
Die Familie Griswold gewinnt bei einem Fernsehquiz und damit eine Reise nach Europa. England, Frankreich und Deutschland stehen auf dem Plan. Doch dort angekommen, macht Vater Clark (Chevy Chase) der Straßenverkehr sehr zu schaffen. In Paris wird der Familie um ihn und Mutter Ellen (Beverly DA...
Kritik lesen »
Mehr Kritiken
Was denkst du?
Ich stimme den Anmelderegeln beim Login zu!
58 Kommentare
1 2 3 4
Avatar
MB80 : : Black Lodge Su
11.01.2019 14:09 Uhr | Editiert am 11.01.2019 - 15:20 Uhr
0
Dabei seit: 01.06.18 | Posts: 2.915 | Reviews: 44 | Hüte: 261

ELanchester:

Gute Kritik, du hast dir einen nicht ganz leichten Winkel gewählt und gut ausgeführt. Die tief negative Bewertung, die du ja im letzten Absatz nochmal hilfreich erläuterst, ist für mich nachvollziehbar. Ich sehe so eine Wertung aus primär einem Angriffswinkel zwar als ein bisschen problematisch an (du ja auch wenn ich hier so durchlese), aber ein gut ausgeführter Verriss, der mich zum Lachen bringt, bereichert mein Leben immer wink

Für mich haben bei Netflix McAvoy und der unangenehme, schräge Spannungsaufbau gereicht, um dan Film als "gut" abzuhaken. Wenn man mich heute fragen würde, warum ich ihn empfehlen würde, stände ich allerdings etwas dödelig da. Ich bin kein großer Fan von M. Night Shyamalan, aber nachdem The Last Airbender und Afterbirth das kineastische Äquivalent zu brennenden Mülltonnen waren, war es glaube ich erfrischend etwas zu sehen, was "funktionierte".

Glass wird übrigens gerade von den Kritikern ausgeweided, wird wohl doch eher ein weiterer "Fuck you its January" Film.

Edit:

ZSSnake:

"Bei Split würde vermutlich der Großteil der Zuschauer nicht auf die Idee kommen, ihn auf eine Lesart der "DIS-Patienten-Verunglimpfung" zu reduzieren. Trifft dieser Aspekt jedoch einen ganz bestimmten Nerv bei einem Zuschauer, in dem Fall dir, kann man denke ich völlig subjektiv durchaus zu einer derartigen, sehr abstrafenden Wertung, greifen."

Mmmmh... aber gerade wenn ein Film einem so eine Botschaft subtil unterjubelt (oder passiv, unterjubeln könnte) sollte man ja auf der Hut sein, was eine solche Kritik umso relevanter macht.

"Fanatical legions worshipping at the shrine of my father’s skull."

Avatar
ELanchester : : Moviejones-Fan
11.01.2019 13:03 Uhr
0
Dabei seit: 12.12.18 | Posts: 30 | Reviews: 3 | Hüte: 9

@ZSSnake

Ich danke vielmals!

MJ-Pat
Avatar
ZSSnake : : Expendable
11.01.2019 10:30 Uhr | Editiert am 11.01.2019 - 13:24 Uhr
1
Dabei seit: 17.03.10 | Posts: 8.948 | Reviews: 184 | Hüte: 616

@ ELanchester:

"Hat ein Film, der handwerklich zumindest kein Reinfall ist, mehr Punkte verdient?"

Eine Wertung ist immer irgendwie arbiträr, das Thema hatten wir zuletzt auch in der einen oder anderen Diskussion hier am Board. Wieviele Punkte man letztlich drunterschreibt ist in der Review der unwichtigste Aspekt, der aber von vielen Lesern trotzdem die größte Bedeutung beigemessen bekommt, insbesondere falls sie selbst anders werten würden. Bei Split würde vermutlich der Großteil der Zuschauer nicht auf die Idee kommen, ihn auf eine Lesart der "DIS-Patienten-Verunglimpfung" zu reduzieren. Trifft dieser Aspekt jedoch einen ganz bestimmten Nerv bei einem Zuschauer, in dem Fall dir, kann man denke ich völlig subjektiv durchaus zu einer derartigen, sehr abstrafenden Wertung, greifen.

Letztlich lässt sich aus deiner Review ja gut herauslesen woher du kommst und wieso die Punkte so darunter stehen. Im Kopf zeichnet die Review ja durchaus das Bild, dass hier auch kompetente 6/10 oder so darunter stehen könnten, dich persönlich die Art des Umgangs mit den gesellschaftlich problematischen Themen jedoch so angewidert hat, dass du für genau diese Darstellung die 1/10 gezückt hast.

Von daher empfinde ich die Kritik als gut begründet und die Punktzahl als absolut nachvollziehbar, auch ohne Split bisher gesehen zu haben. Nach dieser Review denke ich, dass ich fast sicher auf eine höhere Wertung kommen würde, weil mich die angesprochenen Probleme grade im Horrorkontext nur bedingt tangieren - Minderheiten und geistig Kranke zu stigmatisieren und mit dem Bösen zu assoziieren ist einfach zu sehr im Genre verhaftet, als dass es mich stören könnte - aber trotzdem finde ich sie durch ihre spezielle Perspektive durchaus lesenswert. Dementsprechend wilkommen auf MJ und ein Hut dafür wink

"You will give the people of Earth an ideal to strive towards. They will race behind you, they will stumble, they will fall. But in time, they will join you in the sun, Kal. In time, you will help them accomplish wonders." (Jor El, Man of Steel)
Avatar
MobyDick : : Moviejones-Fan
11.01.2019 10:05 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

ELanchester

Das habe ich schon verstanden. Auch ich habe schon den einen oder anderen Film schonmal trotz professioneller Machart mit einem Punkt abgestraft, gerade weil ich die allgemeine Wahrnehmung als zu wohlwollend und übertrieben überschwenglich angesehen habe und ich mich über die Art der Verfilmung so sehr geärgert habe. Und wie gesagt, eigentlich wäre ich damit auch ok gewesen, doch dann bin ich irgendwie in diese interessante Diskussion hier eingetaucht und wollte doch meinen Senf zu geben.

Dünyayi Kurtaran Adam
Avatar
ELanchester : : Moviejones-Fan
11.01.2019 09:35 Uhr
3
Dabei seit: 12.12.18 | Posts: 30 | Reviews: 3 | Hüte: 9

@MobyDick

Erstmal bin ich natürlich froh, dass es hier überhaupt einen Austausch zum Thema gibt - lange Zeit habe ich mich sehr schwer damit getan, Filme zu kritisieren, ohne zu wiederholen, was eh schon gesagt wurde. Daher bin ich mir auch nicht ganz sicher, was hier zum guten Ton gehört und was eben nicht. Ich habe Split bewusst "abgestraft", weil ich mir nach Unbreakable mindestens unterhaltsamen Schund gewünscht hatte. Unterhaltung ist hier extrem subjektiv. Hat ein Film, der handwerklich zumindest kein Reinfall ist, mehr Punkte verdient? In dem Fall gilt das für jeden enttäuschenden Streifen - so viele Menschen (Licht, Ton, Schnitt, Kostüm, Make-up, Animation) machen ihren Job gut - sollte man deren Arbeit immer mit in die Bewertung einbringen? Für mich ist Split bestimmt nicht das Schlimmste, was ich je gesehen habe und schlussendlich bemängel ich etwas, das mir persönlich den Spaß nachhaltig verdorben hat. Geschmack ist immer ein blödes Totschlagargument, deswegen gebe ich mir Mühe, ihn zu begründen - dennoch muss ihn niemand teilen ;)

Avatar
MobyDick : : Moviejones-Fan
10.01.2019 14:54 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Alles worauf ich hinaus wollte, ist, dass ich Elsas einen mickrigen Punkt als Abstrafung als zu hart ansehe für das, was der Film selbst - jetzt nicht die Gesinnung Shyamalans oder die Interpretationsmöglichkeiten - abliefert.

Dass Shyamalan tatsächlich eine gewisse Gesinnung zu haben scheint, die sich mit seinen Filmen zu decken scheint, wird ja wie du schon sagtest, spätestens bei Signs überdeutlich, aber im vorliegenden Fall halte ich diese Hidden Agenda wirklich für vernachlässigbar.

Aber wie dem auch sei, es ist nunmal das Review von Karloffs Frau und ihr gutes Recht es zu sehen, wie er möchte

Dünyayi Kurtaran Adam
Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
10.01.2019 14:05 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

Moby:

"Drecksau" ;) (Also... nicht du, der Film...)

"Es gehört nunmal zum guten Ton bei Horrorfilmen in den meisten Fällen, irgendwelche Krankheiten als teuflische Ursache auszumachen. Das hat meines Erachtens - Im Gegensatz zu Silencios Meinung - nichts mit der Gesinnung des Filmemachers zu tun, sondern ist bloß das erstbeste Vehikel, das man mit Vorurteilen füllen kann und Urängste der ach so normalen Menschen befeuern kann."

Ta-daa! Genau diese Vorurteile und Urängste machen ja gerade diese Gesinnung aus. Würde ich die gleiche Argumentation auf einen Actionfilm (meinetwegen "Rambo 2") übertragen, würden mir da auch die wenigsten widersprechen.

Jetzt kann man natürlich sagen, dass diese Ansicht nichts mit Shyamalans eigener Gesinnung zu tun hat (dazu aber später mehr), weil Abbildung und gutheißen nicht gleichbedeutend sind, dann müsste man ihm aber immer noch ankreiden, dass er diese Urängste für sein Publikum bedient. "Split" hat auch extra ein offenes Ende, damit wir weiterhin Angst und ein mulmiges Gefühl verspüren. Da ändert auch die (gelungene) Mid Credits-Szene nichts dran.

"Selbst ich als Atheist schaue mir gerne solche religiösen Gurken wie Exorzist oder The Wailing gerne an, da sie einfach eine atemberaubende Athmosphäre erzeugen können."

Dito, aber es gilt zu hinterfragem, warum diese Atmosphäre erzeugt wird und warum sie wirkt...

"Und meines Erachtens - vielleicht interpretiere ich zu viel Intelligenz in Shyamalan in diesem Fall hinein? - kennt er diese Tropen und bedient sich ihrer, um seine Geschichte in die gewünschten Bahnen zu lenken. "

Die Bahnen sind aber eben die konventionellen Genrepfade. Würde Shyamalan die Tropen jetzt benutzen und umkehren (hallo, Coen Brüder!), könnte man ein Spiel mit ebenjenen feststellen. MIr scheint aber eher, dass Shyamalan den Genrebaum benutzt, um da "nur" seinen individuellen Ausdruck dranzuhängen. Da sieht er sich dann zu sehr als Hitchcockianer, ohne dessen subversives Element zu haben...

"ich bin eigentlich nicht böse, aber es muss einen Grund dafür geben, warum ich so bin wie ich bin, also muss ich böse werden. Es ist also die Entscheidung der Figur - freier Wille und so, ne?"

Und genau die Frage beantwortet der Film nicht ("Glass" schon - Willis wird ja der gute werden müssen, geh ich mal von aus...). Ich geh so weit und behaupte, das war das letzte Mal, dass Shyamalan die Frage zwischen freiem Willen und Schicksal (semi-)offengelassen hat, denn seine nachfolgenden Filme gehen da schon in eine andere Richtung - gerade "Signs" dürfte die Frage doch beantworten, auf welcher Seite der Debatte Shyamalan wirklich steht. Und ich halte den schon für einen Schlüsselfilm, auch wenn ich von seiner Gesinnung rede: denn das ist der mit den offensichtlichsten religiösen Untertönen (ob man da noch von "Unter-" reden kann, lass ich mal offen...), der, in dem Shyamalan sich am offensichtlichsten positioniert. Und es ist der, der Schicksal als gegeben hinnimmt.

"McAvoys Biest-Charakter ist im Endeffekt eine Ausprägung dieser neuen Evolutionsstufe, aber es ist nicht von vornherein festgelegt, dass es seine Kräfte so einsetzen muss, das ist die Entscheidung der Figur des Biestes."

Nehmen wir das mal hin, würde immer noch offenbleiben, warum Shyamalan sich dafür entschieden hat, seinen Antagonisten so zu zeichnen. Okay, eigentlich nicht, weil er für ein klassisches Hollywooddrehbuch eben einen Antagonisten für Taylor-Joy braucht, den er dann mit ein bisschen Poppsychologie erklärt. Aber es hat ihn niemand dazu gezwungen, den auf diese Art zu zeichnen...

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

Avatar
MobyDick : : Moviejones-Fan
10.01.2019 13:25 Uhr
1
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

ELanchester:

Ehrlich gesagt hat mich deine Kritik zu Split nicht die Bohne interessiert, erst die Kommentare haben mich dazu veranlasst deine Kritik zu lesen. Und ich finde sie, wie soll ich sagen - interessant?

Vorab erstmal meine Herangehensweise und Meinung zu Split: Ich muss sagen, dass ich von Split im Vorfeld nicht viel erwartet habe, da sich Shyamalan zuletzt ja gar nicht mehr mit Ruhm bekleckert hat, selbst sein 6th Sense war für mich ernüchternd. Aber Unbreakable fand ich gut bis sogar sehr gut, aber dazu gleich mehr. Die Trailer zu Split fand ich ganz nett, ja irgendwie billig aber nett, zum mal nebenher schauen. Für mich war es aber anhand der Trailer und meines Wissens um Shyamalans bisheriges Wirken von vornherein klar, dass es sich hierbei um ein Fantasy-/Horrorfilm handeln würde, das einem lediglich am Anfang suggeriert, es handele sich um einen banalen Entführungsfilm mit einem Entführer mit gespaltener Persönlichkeit. Vielleicht war ich dir da etwas im Vorteil, wer weiß das schon. Aber als ich den Film sah, fand ich ihn ganz gut, und kein bißchen schlecht oder irgendwelche Kranken verunglimpfend.

Es gehört nunmal zum guten Ton bei Horrorfilmen in den meisten Fällen, irgendwelche Krankheiten als teuflische Ursache auszumachen. Das hat meines Erachtens - Im Gegensatz zu Silencios Meinung - nichts mit der Gesinnung des Filmemachers zu tun, sondern ist bloß das erstbeste Vehikel, das man mit Vorurteilen füllen kann und Urängste der ach so normalen Menschen befeuern kann. Selbst ich als Atheist schaue mir gerne solche religiösen Gurken wie Exorzist oder The Wailing gerne an, da sie einfach eine atemberaubende Athmosphäre erzeugen können.

Und meines Erachtens - vielleicht interpretiere ich zu viel Intelligenz in Shyamalan in diesem Fall hinein? - kennt er diese Tropen und bedient sich ihrer, um seine Geschichte in die gewünschten Bahnen zu lenken. Der Mann hat schon in seinem ersten Film düsterste menschliche Abgründe ergründet und Kindesmißbrauch in der einen oder anderen Form gehörte damals schon in sein Oeuvre, in Split greift er das Thema halt wie ein roter Faden wieder mal auf. Auch die Tatsache, dass Jacksons Charakter in Unbreakable der Schurke wird, weil er mißgebildet ist, und eine Ursache/ einen höheren Grund dafür sucht und erst dadurch zum Schurken wird, damit es Sinn für ihn macht, damit Willis Charakter der Gute werden kann, ist zum einen eine Bedienung des Tropen des entstellten Bösewichts, aber zum anderen auch eine Unterwanderung dessen: ich bin eigentlich nicht böse, aber es muss einen Grund dafür geben, warum ich so bin wie ich bin, also muss ich böse werden. Es ist also die Entscheidung der Figur - freier Wille und so, ne?

Und so ähnlich verhält es sich bei Split auch: McAvoys Biest-Charakter ist im Endeffekt eine Ausprägung dieser neuen Evolutionsstufe, aber es ist nicht von vornherein festgelegt, dass es seine Kräfte so einsetzen muss, das ist die Entscheidung der Figur des Biestes.

Insofern halte ich die Darstellung der Krankheit zwar als nächste Evolutionsstufe vielleicht ein bißchen für zweifelhaft, aber im vorliegenden Fantasykontext nicht wirklich störend. Aber ich gehe nicht davon aus, dass er sagt, dass jeder der diese Krankheit hat, eine Bestie ausbrüten muss. Das ist dann doch meines Erachtens nach zu viel Empfindlichkeit. Genauso wie wenn jemand nach Unbreakable auf die Idee kommen würde, alle mit Glasknochen würden Zugunglücke herauf beschwören.

Wie gesagt, dein gutes Recht, den Film abzustrafen, zumal du ja jedem, der den Fall mag, auch deinen Segen gibst, bärtige Frau - und ich bin auch der letzte der jeden Film vetrteidigen muss, aber ich denke in diesem Fall bist du einfach ein bißchen zu empfindlich gewesen.

Ach ja, ich fürchte ich gehöre ich gehöre zu den wenigen Leuten, die McAvoys Spiel hier nicht sonderlich gut fanden, das war für mich wie Malen nach Nummern. Da war er beispielsweise in Dreckschwein (glaube ich) deutlich besser...

Dünyayi Kurtaran Adam
Avatar
ELanchester : : Moviejones-Fan
10.01.2019 12:48 Uhr
0
Dabei seit: 12.12.18 | Posts: 30 | Reviews: 3 | Hüte: 9

@Silencio

Völlig richtig, danke für den Hinweis - es handelt sich natürlich um das Musical Sunset Boulevard (siehe Edit) - Buckley hat den Tony Award zwar für Triumph of Love bekommen, Sunset Boulevard habe ich persönlich aber als bekannter eingeschätzt.

Ansonsten vielen Dank für den erläuternden Kommentar. Ab wann ein kreatives Werk ein Thema "differenziert" darstellt, ist nunmal auch Meinungssache. Daher stehe ich zu meiner Meinung zu Split, sehe sie aber nicht als absolut an. Wenn man persönlich kein Problem damit hat, kann es einem auch nicht den Spaß am Film verderben.

Avatar
Silencio : : Moviejones-Fan
10.01.2019 10:41 Uhr | Editiert am 10.01.2019 - 10:42 Uhr
0
Dabei seit: 17.08.17 | Posts: 2.417 | Reviews: 54 | Hüte: 290

ELanchester:

"Betty Buckley ("Sunset Boulevard") seine behandelnde Psychologin"

Da hat sich wohl ein Fehler eingeschlichen, die Buckley hatte ihren ersten Auftritt zwar auch in einem Klassiker, der war aber fast 30 Jahre später und ergibt auch thematisch ein bisschen mehr Sinn: de Palmas "Carrie". ;)

Ansonsten kann man das wahrscheinlich so stehen lassen. Für eine andere Beurteilung müsste ich den noch mal gucken, aber die Trilogie reimt sich nicht umsonst auf "Unwatchable", "Ass" und "Shit"...

luhp:

Ich kann natürlich nicht 100% sagen, was die Elsa da ausdrücken wollte, aber: realen Krankheiten eine übernatürliche Ursache/eine übernatürliche Wirkung zuzuschreiben, ist ja nichts neues und offenbart oftmals die reaktionäre Haltung eines Filmemachers - was aber gleichzeitig mMn nichts über die Qualität aussagt. Nimm "Der Exorzist" - dass Besessenheit eigentlich eine Vielzahl von psychischen Erkrankungen ist, weiß ja heutzutage jeder, der sich mit dem Thema mal länger als drei Minuten beschäftigt hat (außer Friedkin selbst, anders kann ich mir "The Devil and Father Amorth" nicht erklären...) - und trotzdem zieht der Film sein anti-aufklärerisches Programm (sehr effektiv) ab. Diese Art der Kritik zielt dann meistens darauf ab, speziell diese Art des "Otherings" offenzulegen.

"Zudem werden ja auch nicht alle Persönlichkeiten als böse (Gewalttäter, Kannibalen, Sexualstraftäter) dargestellt, sondern nur einige."

Jo, aber das ist doch eine Nebelkerze: auch unter den sympathischen Persönlichkeiten lauert die ständige Drohung, dass das Biest hervorbrechen könnte. Selbst wenn man dem Shyamalan unterstellen wollte, das nicht nur aus rein dramaturgischen Gründen gemacht zu haben, geht das als Versuch einer differenzierten Zeichnung einfach fehl - an einer solchen kann der Film aber auch kaum interessiert sein, weil er einen klaren (tragischen, da würde ich dann zustimmen) Bösewicht braucht.

"I am not fucking around here, I believe a well-rounded film lover oughta have something to say about Jean-Luc Godard and Jean-Claude Van Damme."

-Vern

MJ-Pat
Avatar
luhp92 : : BOTman Begins
10.01.2019 01:53 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.397 | Reviews: 180 | Hüte: 635

"Die psychische Störung als den bösen schwarzen Mann zu inszenieren"
"sondern Shyamalan Kevin einen beträchtlichen fantastischen Drall verpasst"

Aber genau das geschieht doch, indem Shyamalan Kevin als Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten gemäßg klassischer Superheldengeschichten umfunktioniert.

Zudem werden ja auch nicht alle Persönlichkeiten als böse (Gewalttäter, Kannibalen, Sexualstraftäter) dargestellt, sondern nur einige.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

Avatar
ELanchester : : Moviejones-Fan
09.01.2019 19:16 Uhr
0
Dabei seit: 12.12.18 | Posts: 30 | Reviews: 3 | Hüte: 9

@Raven13

Klar kann man sagen, dass es ein zu hoher Anspruch an einen Fantasyhorror ist, aber genau das habe ich ja auch bemängelt. Leider handelt es sich nunmal um eine wirkliche Krankheit und noch dazu eine, die das Leben der Betroffenen sehr stark beeinflusst und noch nicht genug erforscht/in der Gesellschaft akzeptiert ist. Ich bin mir durchaus bewusst, dass meine Kritik als sehr überempfindlich gewertet werden kann - daher mein Schlusskommentar zum unkritischen Genuss. Der Punkt ist nicht, dass irgendjemand hinters Licht geführt wird und glaubt, er sähe eine Dokumentation über DIS, sondern, dass psychische Störungen, die durch Traumata hervorgerufen und/oder verschlimmert werden, in der heutigen Zeit immer noch heikel sind. Hier hätte mir ein größeres Fantasyelement oder eine stärkere Verfremdung geholfen, darüber hinwegzusehen, beispielsweise hätte die Therapeutin glauben können, es sei eine neue Unterart der dissoziativen Störung mit besonderen Auswirkungen etc.

Natürlich ist es aber für jeden eine andere Grenze, ab der man unverantwortliches Handeln definiert. Als kleineren Bestandteil des Filmes wäre meine Bewertung des Umgang mit DIS anders ausgefallen. Als Aufhänger der Handlung ging es mir doch zu weit - oder eben nicht weit genug.

MJ-Pat
Avatar
Raven13 : : Desert Ranger
09.01.2019 15:29 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.16 | Posts: 7.223 | Reviews: 108 | Hüte: 640

@ ELanchester

Nach deiner Kritik bin ich froh, dass ich keine Ahnung von medizinischer Psychologie habe. Ich selbst habe den Film niemals als realgetreue Darstellung von Menschen mit Persönlichkeitsstörungen oder multiplen Persönlichkeiten wahrgenommen. Shyamalan "leiht" sich in meinen Augen nur das Thema aus und verändert es so weit, wie es nötig ist, um den Film so seinen eigenen Charakter zu geben. In erster Linie bleibt der Film Fiktion und Fantasie, gepaart mit Horrorelementen und Anleihen an Comichelden.

Ich glaube, dass auch du wieder nur "falsche Erwartungen" an Split hattest. Ich habe jedenfalls nicht gelesen, dass es sich um eine Dokumentation um das Thema "Persönlichkeitsstörungen" handeln soll.

"In Anbetracht dessen, dass das Klischee jedoch nicht gerade neu ist, halte ich die Darstellung von DIS Patienten als gewalttätige, wortwörtliche Monster (sowie den effekthaschenden Umgang mit Missbrauch) in Shyamalans Facettenlosigkeit für unverantwortlich."

Wieso "unverantwortlich"? Deiner Sichtweise nach ist JEDER Film, der Fiktion beinhaltet, unverantwortlich, denn er zeigt Dinge, die in der Realität nicht möglich sind, nicht funktionieren oder einfach nicht der Realität entsprechen. Wer hier als Zuschauer wirklich glaubt, Split zeige ein wahres Abbild der Realität, der ist selbst nicht mehr taufrisch in der Birne. Also meiner Ansicht nach verfälscht der Film keinesfalls das Bild eines Menschen mit Persönlichkeitsstörungen, denn wie kann eine filmische Fiktion überhaupt die Wahrnehmung der realen Welt verändern? Bei mir jedenfalls ist dies nicht der Fall. Ich urteile nicht über Menschen mit Persölichkeitsstörungen, ohne dass ich das Thema studiert habe. Wer Filme wie Split also als Grundlage für "echtes Wissen" zum Thema verwendet, ist, wie gesagt, nicht mehr ganz frisch in der Birne.

Als Fantasy-Horrorstreifen funktioniert Split meiner Meinung nach sehr gut. Er ist spannend, die Schauspieler spielen sehr überzeugend und der Film nimmt sich die nötige zeit für den Aufbau.

Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.

1 2 3 4
Forum Neues Thema
AnzeigeY