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Systemsprenger

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Systemsprenger Kritik

Systemsprenger Kritik

Systemsprenger Kritik
0 Kommentare - 22.12.2020 von ProfessorX
In dieser Userkritik verrät euch ProfessorX, wie gut "Systemsprenger" ist.

Bewertung: 4 / 5

Das kleine Mädchen Benni (Helena Zengel) wird von Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschickt. Sie leidet unter starken Aggressionsbewältigungsproblmenen, ausgelöst durch ein Trauma. EIgentlich möchte Benni nur bie ihrer Mutter (Lisa Hagmeister) leben. Doch diese ist arbeitslos und mit zwei weiteren Kindern bereits restlos überfordert. Eines Tages macht es sich der Anti-Aggressions-Trainer Michael Heller (Albrecht Schuch) zur Aufgabe Benni unter Kontrolle zu bringen und fährt dafür mit ihr drei Wochen in die freie Natur um sie pädagogisch zu betreuen.

Nach dem Ende des Neuen Deutschen Films Anfang der 1980er Jahre steckte das Land in einer künsterlischen Krise. Unmengen von seichten, sexistischen und rassistischen Komödien, Kinderfilmen, irgendwas mit Nazis und drittem Reich und ein scheinbar primärer Fokus auf Tatort-Produktionen, überschwemmten Deutschland und stürzten es in ein Loch. Kein Produzent traute sich Produktionen zu starten, die abseits dieser Genre fungierten. Doch so langsam aber sicher bringt man Til und Matthias dann doch zum Schweigen und traut sich mehr. Oh Boy, Who Am I, Ballon, Berlin Alexanderplatz und Systemsprenger sind nur ein Paar dieser Perlen, die aus dem Deutschen Art-House enstanden. Und ich begrüße das. Es geht wieder aufwärts.

Trailer zu Systemsprenger

Systemsprenger ist ein Film der zurecht mit zahlreichen Preisen überhäuft wurde. Denn während das Wohlfühlkino mit der Backwerbung-Optik und die Brötchen voller Luft sind, ist Systemsprenger voller wucht. Hier wird nichts verschönt. Ich kann an dieser Stelle sagen, daß ich als angehender Heilerziehungspfleger sehr mit der Darstellung von Menschen mit Beeinträchtigung gehandert habe. Oft sieht man nur die Massentauglichen, oder stellt Krankheiten absolut unterirdisch dar. Man erinnere sich an dieser Stelle an die Fack ju Göhte-Trilogie, in welcher an Asperger-Autist nur wollen muss, dann kann er auch "normal" sein. Daß das natürlich eine zweifelhafte Therapie ist, muss ich glaube ich an dieser Stelle nicht erwähnen.

Doch genug der Umschweife: Systemsprenger liefert genau das, was ein Film in dieser Richtung liefern sollte. Er ist rau, er ist gewagt und er ist ehrlich. Sowohl die kleine Benni mit ihrern Problemen, als auch der Umgang der Erzieher werden mehr als realistisch dargestellt. Es geht sogar so weit, daß man im Film irgendwann nicht mal mehr weiß, ob man Benni mögen soll, oder nicht. Auch die Gespräche unter den Erziehern sind ungeschönt. Da kommt es dann eben auch das ein, oder andere Mal zu einem Gefühlsausbruch. Denn was viele - so glaube ich - nicht ganz verstehen ist, daß Professionalität und Menschlichkeit in diesem Bereich Gegensätze sind. Doch auch wenn Benni sich nicht immer beherrschen kann, muss man trotzdem zu ihr halten. Das ist eine vielleicht sehr kitschige, aber in jedem Fall wahre Aussage. Anders funktionieren Inklusion und Zukunft nicht.

Überraschend ist auch, daß man während des Schauens keine Ahnung hat, wo sich der Film hinentwickelt, zumindest hatte ich das nicht. Und wenn man dann zum Ende gelangt, ist alles erzählt, ja wirklich alles. Während man Albrecht Schuch und Helena Zengel beim Schauspielen beobachtet wird klar, wie gut die beiden sind. Schuch ist ein Schauspieler, der sehr ennehmend, aber zurückhaltent ist. Ein sehr schmaler Grad und im prinzip auch nicht logisch. Doch wer ihn in Systemsprenger, und vor allem in dem brillianten Berlin Alexanderplatz gesehen hat, erkennt, daß er ein Wiesel ist. Ich wünsche so sehr, daß er weitere großartige Filme dreht. Und Helena Zengel ist diese Rolle! Natürlich bedient sich der Film gewissen Stereotypen, aber sie kommen in diesem Fall nicht von ungefähr. Das fängt bei dem Aussehen der Betreuer/Erzieher an und endet beim Artikluieren von (wie wir sie nennen) Klienten.

Darüberhinaus ist der Film auch gleichzeitig eine Milieu-Studie. Doch während in Fack ju Göthe die bösen Eltern aus dem sozialen Brennpunkt daran Schuld sind das Chantal nichts werden kann, zeigt dieser Film die Wahrheit. Die Überforderung die eben auch aus der sozialen Ungerechtigkeit und der eben nicht vorhandenen Chancengleichheit entsteht.

Gleichzeitig wird auch gezeigt, wie wichtig eine professionelle Distanz zu Klienten ist und was passieren kann, wenn diese nicht eingehalten wird. Und dahingehend hat der Film vermutlich seine einzigen Schwächen. Denn während im Film alles passt, weil es passen muss, sieht es in der Realität eben anders aus. Es gibt gewisse Grenzen, die niemand der professionell ausgebildet ist, in diesem Falle überschreiten würde. Da wird dann etwas konstruiert, weil es passen muss. Und obwohl ich auch dem Schauspiel von Helena Zengel viel abgewinnen kann, sehe ich auch, daß mir eben ihr Charakter gegen Ende hin ein wenig zu drüber ist. Es wird dann geschrien, um den Zuschauer zu schocken, und weil es eventuell auch der Realität entsprechen kann. Aber Film und Realität sind nicht das Gleiche und hier springe ich dann auch von meiner "professionellen" Betrachtungsweise ab. Denn Filme funktionieren anders als die Realität. Und handwirklich merkt man dem Film an, daß es sich um Nora Fingscheidts Debüt handelt. Gerade das Wiederholen einzelner Momente, um sie dem Zuschauer zu verdeutlichen ist manchmal ein wenig bevormundend.

Nichtsdestotrotz ist Systemsprenger alle mal sehenswert. Ehrlich, berührend und ungeschönt. Er spricht ein so wichtiges Thema an. Gerade auch im Hinblick auf unsere aktuelle Welt und dem ständigen Wahn nach Selbstoptimierung, legt dieser Film einen Finger in die Wunde und zeigt uns Dinge, die wir vielleicht nicht sehen wollen. Aber genau deshalb, sollten wir sie uns ansehen.

Systemsprenger Bewertung
Bewertung des Films
810

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