Bewertung: 4 / 5
Es gab eine Zeit, da wurde Oscar Wilde geliebt. Von den Kritikern, die seine Wortgewandtheit lobten, von den Zuschauern, die seine Stücke verehrten und von der besseren Gesellschaft, die sich gerne mit ihm schmückte. Doch als herauskommt, dass sich Wilde einer "verabscheuungswürdigen" Liaison mit dem Sohn einer Herzogin hingibt, da lässt man ihn fallen. Verachtet ihn, bespuckt ihn, verurteilt ihn zu zwei Jahren Zuchthaus. Als er dieses im Jahr 1897 endlich verlassen kann, ist seine Gesundheit dahin. Immer schwächer werdend zieht er sich ins Pariser Exil zurück. Dort lässt er nur wenige Menschen noch an sich heran. Denn er weiß, dass sein Leben enden wird. Ein Leben voller Exzesse, voller illustrer Gedanken. Und voller Liebe. Denn ein Leben ohne Liebe ist für Oscar Wilde undenkbar.
Der Regisseur und Schauspieler Rupert Everett hat mit The Happy Prince einen Film geschaffen, der sich mit den letzten Jahren Oscar Wildes im Exil beschäftigt - und erforscht damit ein Kapitel in seinem Leben, über das bisher nur wenig bekannt war. Everett selbst verkörpert Wilde körperlich eindrucksvoll, facettenreich und ambivalent. In vielen Momenten ist sein Wilde ein charismatischer Mann, dessen großer Geist über den körperlichen Verfall des Fleisches hinwegsehen lässt. Doch in seiner Egomanie, seinem Narzissmus und seinem verschwenderischen Lebenswandel auch eine Art Monster, das die Menschen ausnutzt, die ihm treu zur Seite stehen.
Trailer zu The Happy Prince
Um Everett herum agiert ein großartiges Ensemble, allen voran Colin Firth und Edwin Thomas als treue Freunde Reggie und Robbie, die Wilde bis zu seinem Tod die Treue halten. Erzählerisch springt Everett durch die Zeiten. Fast assoziativ reihen sich Szenen aneinander, nehmen Dialoge aufeinander Bezug. Dabei dient die märchenhafte Erzählung Wildes vom "Glücklichen Prinzen" als roter Faden.
Die große Kunst der Worte wird in den malerischen Bildern der Kamera perfekt gespiegelt. Das Spiel mit Licht und Farbe lässt viele Handlungsorte, ob Neapel oder Paris, wie einen Traum wirken. Und genauso lädt Everett den Zuschauer auch zu Beginn des Films ein, ihm auf seiner Reise zu folgen. Denn "das alles ist nur ein Traum".
Im Jahr 2017 wurde Oscar Wilde, zusammen mit 50.000 anderen Männern, königlich begnadigt und somit wurde offiziell das Unrecht bestätigt, welches ihm aufgrund seiner sexuellen Neigung widerfuhr. Eine längst überfällige Geste, auf die auch Everetts Film am Schluss noch einmal verweist. The Happy Prince von und mit Rupert Everett ist großes bild- und wortgewaltiges Kino und eine respektvolle filmische Verbeugung vor einem künstlerischen Genie, das sein Leben lang nur eines wollte: Lieben und geliebt werden.
Prädikat: besonders wertvoll
Quelle: Deutsche Film- und Medienbewertung