Bewertung: 4.5 / 5
Der Wetterfrosch Phil Connors ist mit seinem Job nicht wirklich zufrieden. Wer kann es ihm auch verübeln? Immerhin scheint er zu Höherem berufen, während er bei einem kleinen Lokalsender festhängt. Zu allem Überfluss wird er auch noch mit der neuen Aufnahmeleiterin Rita und dem Kameramann Larry in das verschlafene Nest Punxsutawney geschickt, um dort über den Murmeltiertag zu berichten. Dort wird jedes Jahr im Februar ein riesiges Volksfest veranstaltet, bei dem das Murmeltier Punxsutawney Phil aus seinem Baumstamm gezerrt wird. Sieht es dabei seinen Schatten, so sagt die Legende, geht der Winter noch sechs Wochen weiter. Connors hält das Ganze natürlich für eine schreckliche Hinterwäldlerveranstaltung, will eigentlich gar nicht erst hin, aber auf jeden Fall so schnell wie möglich wieder weg. Doch ein Schneesturm hindert ihn an der Abreise, er und sein Team müssen noch einen endlos langen Tag in der kleinen Stadt verbringen. Wie endlos der Tag werden soll, das ahnt Phil jedoch noch gar nicht: als er am nächsten Tag wach wird, ist gar nicht der nächste Tag. Phil ist in einer Zeitschleife gefangen, gezwungen den vermaledeiten Murmeltiertag immer und immer und immer und immer wieder zu durchleben...
Was macht einen guten Film aus? Es gibt ein paar Tricks und Kniffe, die einem Hollywooddrehbuch bzw. dem darauf basierenden Film Bedeutung verleihen und darüberhinaus auch noch zu einem befriedigenden Erlebnis machen. Einer davon wäre das Prinzip von Wiederholung und Variation: eine Grundsituation, eine Dialogzeile, eine Charakterbeziehung wird mehrfach durchgespielt, ein Bild wird mehrfach gezeigt, man kann noch beliebig viele Beispiele anführen. Manchmal ist das ganz offensichtlich, manchmal wird das maskiert, manchmal fällt es einem beim ersten Schauen schon auf, manchmal braucht man dafür mehrere Durchgänge, gelegentlich fällt es einem vielleicht sogar nie auf. Nun, in „Und täglich grüßt das Murmeltier“ wird diese Technik genommen und für jeden sichtbar an die Oberfläche gekehrt. Das wirkt auf die drei Leute, die den Film noch nicht gesehen haben, beim Lesen vielleicht etwas verkopft, aber das ist der Film, da wird der Rest der Welt zustimmen, gar nicht.
Warum funktioniert das in „Und täglich grüßt das Murmeltier“? Nun, jeder hat wahrscheinlich einmal eine Phase durchlebt, in der sich der alltägliche Trott wie eine Unendlichkeit anfühlt, in der die tägliche Routine gedroht hat, einem die Seele zu zerfressen. So geht es unserem Protagonisten Phil und zwar nicht erst, als er im Purgatorium Punxsutawney landet, sondern bereits vor seiner Abreise. Gelangweilt vom Job, gelangweilt von seinen Mitmenschen, ist er ein zynisch-sarkastischer Miesepeter, dessen Spott gegenüber seinen Mitmenschen ihn in einem anderen Film wahrscheinlich zum Antagonisten gemacht hätte. Und als er dann herausfindet, dass sein Handeln keine Konsequenzen hat, weil er eh immer wieder am Murmeltiertag erwacht, lässt er auch die letzte Maske fallen und entpuppt sich als Beinahe-Solipsist, der andere Menschen nur als Verlängerung seiner Selbst warhnehmen kann. Andere Leute sind im Grunde nur Triviafragen, die es auswendig zu lernen gilt, und Maschinen, die mit dem richtigen Input auch das richtige Ergebnis ausspucken.
Aber wie sieht das „richtige“ Ergebnis denn aus? Nun, das ist durchaus eine der zentralen Fragen in „Und täglich grüßt das Murmeltier“. Vielleicht hilft bei der Beantwortung dieser Frage der Blick auf einen weiteren Trick, nämlich den der „Wants and Needs“. Wenn man einen Charakter schreiben will, hilft es, ihm oder ihr ein paar gegensätzliche Eigenschaften zu geben. Warum, das liegt auf der Hand: die Charaktere fühlen sich zum einen lebensechter an. Niemand kennt eine Person, die nur zynisch oder nur liebenswürdig ist. Zum anderen, das mag fast wichtiger sein, gibt es der Geschichte einen Haken, an dem man sie aufhängen kann. Indem auseinanderfällt, was ein Charakter oberflächlich will und was er eigentlich, meistens ohne dies selbst zu erkennen, braucht, wird Drama erzeugt. Wir sehen dies an Phil beinahe lehrbuchartig, sobald er den ersten Horror seiner Situation verarbeitet hat und sich seinen simpleren Gelüsten hingibt und sich seine Verachtung für andere Menschen in einem der lustigsten Gags des Films entlädt: der nervige Versicherungsvertreter Ned kriegt mit Schmackes die Fresse poliert. War er bei seinen ursprünglichen Begegnungen mit dem „Freund“ von damals noch an soziale Normen gebunden, die ihn zum zivilen Umgang gezwungen haben, kann er nun endlich wie er will. Hieraus zieht der Film auch den Großteil seiner Komik, wenn er den großen Sarkast Bill Murray einfach sein Ding abziehen lässt, wenn er die ganzen nervigen Situationen ein zweites und ein drtittes Mal durchspielen und einfach die Sau rauslassen darf. Denn das ist natürlich auch irgendwo Wunscherfüllung für den Zuschauer: wer hat nicht mal beim Eimkaufen einen alten Bekannten von damals getroffen und hätte ihm nicht am Liebsten das Gesicht neu ausgerichtet? Wer würde nicht gerne den ganzen Tag Kuchen, Kaffee und Kippen in sich reinschieben? Sich all seinen Gelüsten hingeben? Phil will sich nicht von anderen „runterziehen“ lassen, nicht Teil der Gesellschaft sein, auf die er auch noch irgendwie Rücksicht nehmen müsste.
Das ist die „Wollen“-Seite. Aber was ist mit dem „Brauchen“? Nun, nachdem wir die immer gleichen Situationen und die immer gleichen Entscheidungen gesehen haben, die Phil immer und immer leerer zurückgelassen haben, beginnt ein neuer Prozess. Vielleicht sind die anderen Menschen ja gar nicht so schlimm, vielleicht liegt das Seelenheil darin sich auf andere einzulassen, sie nicht zum eigenen Vorteil zu benutzen, sondern auf sie und ihre Bedürfnisse einzugehen. Vielleicht lohnt es sich hier nochmal auf das Prinzip der Wiederholung und Variation zu schauen, indem wir unseren Blick auf Phils Beziehungsleben richten. Wir sehen Phil im Laufe des Filmes mit drei Frauen, ironischerweise liegt einer der Schlüssel aber bereits in seiner Begegnung mit Nancy. Nachdem er auswendig gelernt hat, wo sie zur Schule gegangen ist und sich damit in ihr Leben gelogen hat, landen die beiden auf Phils Hotelzimmer. Doch beim Vorspiel passiert Phil ein entscheidender Fauxpas: er spricht Nancy aus Versehen mit dem Namen seiner Aufnahmeleiterin Rita an. Unterbewusst wäre Phil wohl lieber woanders – was übrigens eine seiner ersten Zeilen im Film ist, auch hier erkennen wir wieder, wie gut der Film eigentlich geschrieben ist – doch er weiß noch gar nicht so richtig, wo er in Wirklichkeit hingehört. Später sehen wir dann, wie er versucht, die gleichen billigen Tricks bei Rita abzuziehen, indem er sie mit falschen Liebesbekundungen und auswendig gelernten Fakten beeindrucken will. Doch die sträubt sich vor seinen forschen Annäherungsversuchen, bleibt für Phil ein unlösbares Problem.
Denn Rita ist mehr als eine Eroberung, sie ist das fleischgewordene Konzept, das Phil in seinem Leben braucht. Sie repräsentiert eine Positivität dem Leben gegenüber, die Phil fehlt, eine gewisse Empathie für alle Mitmenschen. Diese, zusammen mit der Lektion, dass das Leben endlich ist und daraus seine Bedeutung gewinnt, muss er in einer schmerzlichen Sequenz erlernen, in der er versucht, einen alten Obdachlosen immer und immer wieder zu retten, der den Murmeltiertag aber einfach nicht überleben kann. Und erst als er aus dem toxischen Kreislauf, den sein Zynismus seinem Leben verleiht, ausbrechen kann, kann er auch dem höllisch langen Tag entfliehen – und Rita für sich gewinnen. Jetzt ließe sich noch endlos lange darüber referieren, wie vollgepackt der Film mit christlicher Symbolik ist, wie Regisseur Harold Ramis deshalb jedes Bild mit blauen Gegenständen vollpackt, wie es in dem Film um den Kreislauf von Leben und Tod geht und deswegen öfter die Brücke zur Psychoanalyse geschlagen wird und warum es deswegen so wichtig ist, dass Punxsutawney Phil seinen eigenen Schatten sieht, wie er eine der witzigsten Leistungen seines Hauptdarstellers hat, wie er vollgestopft mit schrulligen, liebenswürdigen Charakteren ist und, und, und. Aber letztendlich würden wir doch immer wieder nur das Gleiche aussagen: Die Hölle, das mögen die Anderen sein, aber sie sind auch unsere Rettung. Das gilt es zu erkennen und das führt uns auch zu unserem Fazit:
Der Wetterfrosch Phil Connors ist mit...