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Trüben Spoiler unsere Film- & Serienerfahrung?

Der Feind in meiner Bubble: Die Angst vor Spoilern

Der Feind in meiner Bubble: Die Angst vor Spoilern
6 Kommentare - Fr, 31.03.2023 von A. Seifferth
Für viele Film- und Serienfans sind Spoiler eine unerfreuliche Sache. Wie aber sieht die Angelegenheit in einer Redaktion aus, die über alte und neue Werke zu berichten versucht?
Achtung, diese Meldung enthält Spoiler!
Der Feind in meiner Bubble: Die Angst vor Spoilern

Wenn ich beispielsweise im Vorfeld von Richard Linklaters in jahrelanger Kleinstarbeit gedrehtem Boyhood nicht gewusst hätte, dass der dahinterstehende Cast um Ellar Coltrane, Patricia Arquette und Ethan Hawke tatsächlich beim Dreh des Films mitgewachsen sind, wodurch diesem eine quasi-dokumentarische Aura des Vergänglichen im Sinne eines Slice-of-Life-Konzepts anhaftet, hätte ich diesen Aspekt womöglich gar nicht bei meinem Erstkontakt einzuordnen und zu würdigen gewusst. Der Blick hat sich damit freilich akzentuiert, doch ich frage mich ernsthaft, ob das etwas Schlechtes bedeuten muss.

Wenn ich beispielsweise über die beiden Kill Bill-Filme vor dem ersten Sehen lesen würde, dass sie als Gesamtkonzept angedacht sind, die gemäß der Prämisse "Eastern meets Western" gestaltet wurden und dass Beatrix Kiddo (Uma Thurman ) am Ende siegreich von Dannen zieht, indem sie Bills (David Carradine) Herz mit einer geheimen Kampftechnik zum Implodieren bringt, dann weiß ich trotzdem nicht, welch unglaublich mitreißende Dialoge und überdrehte Action-Szenen mich dort erwarten.

Der finale Triumph in einem von Rache angetriebenen Genre-Mix ist wohl kaum der Rede wert, schließlich handelt es sich um ein filmisches Produkt und ein Mann wie Quentin Tarantino bedient nun einmal genauso gern bekannte Erzählmuster wie er sie unterwandert.

Beim aktuell laufenden John Wick - Kapitel 4 wusste ich etwa auch schon, dass es eine atemberaubende "Top-Down-Sequenz" gibt, die durch die gewählte Ästhetik an Videospiele wie die frühen Grand Theft Auto-Ableger oder Hotline Miami 1 und 2 erinnert. Dieses Wissen konnte aber unmöglich das treibende Gefühl trüben, dass ich bei Anbetracht der überaus cleveren Perspektivierung verspürte. Diese Stelle im Film hat mich genauso weggefegt, wie Mr. Wick (Keanu Reeves) seine Widersacher mit der Dragonfire-Shotgun und ich habe mich gefragt: "Warum kamen so wenige andere Leute im Filmbusiness bisher auf diese einfache, aber wirkungsvolle Idee?"

Da fällt mir sogleich noch Ad Astra - Zu den Sternen ein, der mir im Vorfeld als "Apocalypse Now in Space" schmackhaft gemacht wurde und dessen Blu-Ray-Disk erst vor kurzem in meinem Player rotierte. Ich hatte dementsprechend hohe Erwartungen, denn Francis Ford Coppolas Reise ins Herz der Finsternis zählt für mich zu den besten Filmen aller Zeiten. Für mich traf dieser elaborierte Vergleich im Endeffekt nur bedingt zu, denn in diesem wunderbaren Science-Fiction-Ritt steckt noch so unendlich viel mehr, was sich insbesondere im gebrochenen Spiel von Brad Pitt und den sagenhaft gut aussehenden Set-Pieces bemerkbar macht.

Für mich beherbergt dieses Werk nach wie vor eine mythische Aura, die durch keinen Spoiler der Welt agitiert werden könnte, denn mein Blick unterscheidet sich zuweilen sehr wohl von denen anderer Menschen. Bei allen sich daraus ergebenden Problemen ist das eine tolle Eigenheit unserer Wahrnehmung: Jeder kann sich selbst Schwerpunkte suchen und sie eigens interpretieren.

Eine derartige Faszination lässt sich nicht auf ein paar mögliche Spoiler herunterbrechen bzw. wird sie davon bei mir nicht sonderlich tangiert. Anders gesagt: Eine Idee kann sich auf dem Papier gut lesen, doch sie muss es noch lange nicht sein. Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass eine Filmstelle uninteressant klingen kann, sie aber im größeren Kontext eine völlig andere Wirkung entfaltet. Es geht also für mich in erster Linie um das Auskosten von Nuancen.

Gerade bei Produkten, die, (abgesehen von der nicht zu unterschätzenden Vermehrung des schnöden Mammons) vornehmlich für den Zweck des Schönen gedacht sind, kann sich jeder Mensch bedienen und man täte solchen Werken Unrecht, wenn man sie auf einzelne Bestandteile reduziert oder sich davon sogar die Erfahrung kaputt machen lässt.

Wie man an dieser Stelle wahrscheinlich herausliest, ist mein Denken sehr von kompositorischen Entscheidungen geleitet und diese Haltung lässt sich nicht großartig von bloßen Szenen-Beschreibungen beeindrucken. Darüber hinaus ist zu sagen, dass die meisten Interviews und Berichterstattungen, die unseren News-Alltag begleiten, noch genügend Spielraum für Fantasie lassen und es wäre schlimm, wenn man außer derartigen Auftritten nicht weitere Dinge auf der Habenseite eines Projekts verbuchen kann.

Natürlich gibt es dennoch Momente, die man im Vorfeld liebend gern nicht gewusst hätte (das berühmteste Beispiel ist wohl The Sixth Sense), doch derartige Spoiler umschiffe ich durch meine Intuition zumeist relativ gut - und wenn das einmal nicht gelingt, dann geht die Welt auch nicht unter, schließlich gibt es sowieso mehr als genügend Auswahl und es zählt eben auch zur Arbeit eines Redakteurs.

Lest auf Seite 3, weshalb ich denke, dass ein gelassenerer Umgang mit Spoilern helfen könnte.

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6 Kommentare
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
01.04.2023 23:41 Uhr | Editiert am 01.04.2023 - 23:47 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.379 | Reviews: 180 | Hüte: 634

Guter Text mal wieder, André.

Möchte man ein Werk vollumfänglich besprechen und analysieren, kommt man um Spoiler nicht herum. Deswegen ist mir die Spoiler-Manie der letzten zehn Jahre suspekt, ich würde einem Review nie seine Spoiler ankreiden und bei Beschwerden wegen Spoilern muss ich immer etwas mit den Augen rollen. Um Menschen mit anderer Herangehensweise an Filme und Serien entgegenzukommen, kann man Spoiler natürlich ankündigen oder markieren, aber zur Pflicht erheben möchte ich es nicht.

Zum Punkt des audiovisuellen Mediums: Ja, würde ich auch sagen, eine textuelle Inhaltsbeschrebung sagt noch nichts über die letztendliche Umsetzung aus. Und man kann das Thema auch noch weiterspinnen: Wenn man weiß, für welche Art von Filmen/Serien oder Haltungen bestimmte Regisseure, Autoren oder Schauspieler stehen, kann allein die Info der beteiligten Kunstschaffenden auch schon ein Spoiler sein.

Ich halte es individuell und entscheide bei jedem Film und jeder Serie einzeln, wie wichtig Spoiler mir dort sind oder nicht, manchmal mache ich um Spoiler einen großen Bogen, manchmal nicht. Auch weil Spoiler nunmal ein ambivalentes Thema sind, sie können eine Ersterfahrung schon maßgeblich (negativ) beeinflussen, andererseits kommt es auch immer mal wieder vor, dass ich mir bestimmte Filme oder Serien nur vorgemerkt (und angesehen) habe, weil sie mir durch Spoilerinhalte schmackhaft gemacht wurden.

P.S.: Spoiler kann man übrigens auch auf den Sport übertragen. Wenn ich mir beispielsweise vornehme, am Samstag Abend die Sportschau anzusehen, dann vermeide ich es, mich im Vorfeld über die Ergebnisse des Bundesliga-Nachmittags zu informieren. Oder wenn man ein Spiel live im TV sieht, dann durch ein paar Sekunden früher geschaltete Apps oder Liveticker jedoch bereits über Tore informiert wird, empfinde ich das oft als ärgerlich.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
31.03.2023 22:49 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 9.026 | Reviews: 173 | Hüte: 607

@Cineast

Ich habe die Passage zunächst mehrfach gelesen und hatte wegen dem Blick überlegt, fands aber schwer zu deuten, insbesondere beim Rest des sehr langen Meinungsauszugs. Kann deine Perspektive aber nachvollziehen.
Ich mag diesen Beitrag auch nicht verurteilen. Hat mir nur wenig Mehrwert gebracht.


MJ-Pat
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CINEAST : : ReReleaser
31.03.2023 20:54 Uhr | Editiert am 31.03.2023 - 20:56 Uhr
0
Dabei seit: 17.11.09 | Posts: 2.097 | Reviews: 7 | Hüte: 121

@TiiN

denn mein Blick unterscheidet sich zuweilen sehr wohl von denen anderer Menschen.

"Ich würde behaupten, dass das fast jeder von sich behauptet.
Greifst du auf Seite 3 selbst auf, trotzdem hat der (mMn für den Inhalt viel zu lang geratene) Text für meinen Geschmack teils egozentrische Züge, auch wenn ich dir das persönlich nicht unterstellen mag."

Ich glaube, du missverstehst ihn hier... Er meint mit - MEIN Blick - exemplarisch eher so viel wie...JEDE*R EINZELNE hat seinen eigenen Blick auf die Dinge...und bezieht sich nicht nur auf sich. Es ist nur etwas unglücklich formuliert, sodass man es in beide Richtungen lesen kann.

Außerdem denke ich auch nicht das er sonderlich egozentrisch erscheint, eher als wenn das ein Thema ist, dass ihm schon länger unter den Nägeln brennt und das er möglichst vielseitig - zuzüglich eigener Note/Meinung - beleuchten wollte, was ihm auch ganz gut gelungen ist, wie ich finde, auch wenn ich in manchen Dingen anderer Meinung bin.

- CINEAST -

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
31.03.2023 17:05 Uhr
0
Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 9.026 | Reviews: 173 | Hüte: 607

Spoiler sind doch in den letzten Jahren vor allem zu einem großen Marketingding geworden. Die schlimme Geheimhaltung damals bei Star Wars Episode 7. Wenn man diese geniale Handlung vorher schon gekannt hätte - kaum auszumalen! Mit der Geheimniskrämerei schürt man nur mehr das Interesse der Leute, auch wenn relativ oft nur heiße Luft dahinter steckt.

Wenn es dann doch Überraschungsmomente im Film gibt: Natürlich haben diese auch einen Effekt, wenn man es schon weiß. Aber es ist mit Teil des gemeinsamen Kinoerlebnisses, wenn ein ganzer Saal gespannt auf die Leinwand schaut und plötzlich etwas passiert, was niemand geahnt hat. In so einem Kinorahmen wird die Überraschung oft sogar potenziert und das ist doch das wirklich schöne Erlebnis.

Aber solche Szenen sind meiner Meinung nach relativ selten und oft steckt hinter Spoilerwarnungen oder Geheimmaßnahmen lediglich ein PR Gedanke.

denn mein Blick unterscheidet sich zuweilen sehr wohl von denen anderer Menschen.

Ich würde behaupten, dass das fast jeder von sich behauptet.
Greifst du auf Seite 3 selbst auf, trotzdem hat der (mMn für den Inhalt viel zu lang geratene) Text für meinen Geschmack teils egozentrische Züge, auch wenn ich dir das persönlich nicht unterstellen mag.


MJ-Pat
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Raven13 : : Desert Ranger
31.03.2023 15:50 Uhr
0
Dabei seit: 13.02.16 | Posts: 7.208 | Reviews: 105 | Hüte: 638

Bei mir hängt es stark davon ab, um was für eine Art Film, Spiel oder Buch es sich handelt und was der Inhalt des Spoilers ist.

Inhaltliche Story-Spoiler zu Marvel-Filmen sind mir mittlerweile fast egal, weil die Filme recht substanzlos sind. Inhaltliche Spoiler zu einem Film wie "Dune - Teil 2" würden mich da schon sehr viel mehr stören, weil die Story da einfach wertiger und tiefsinniger ist. Da mag ich es dann schon, absolut unwissend herangehen zu können.

Die schlimmste Art Spoiler sind für mich aber Spoiler zum Ende eines Films (jemand überlebt oder stirbt) oder zu wichtigen und unerwarteten Twists (Luke, ich bin dein Vater). Solche Spoiler würden mich massiv ärgern, aber nicht erst heutzutage, sondern auch schon Ende der 90er haben mich solche Spoiler gestört.

Ansonsten habt ihr aber natürlich auch recht, dass der Inhalt manchmal weniger wichtig ist als die Darstellung mit all seinen Formen (Schauspiel, Musik, Audiovisuelle Darstellung, Szenenbilder, Kamera, Beleuchtung, etc.), und diese Dinge kann mir als Zuschauer zum Glück niemand spoilern.

Bei Videospielen verhält es sich aber oft nochmal anders. Da steht für mich die Story oftmals noch mehr im Vordergrund und Charaktere, die man lieben lernt, sterben auch hier und da mal. Spoiler zum Verlauf der Story oder zu bestimmten Charakterschicksalen würden mir das erste Spielerlebnis ruinieren. Da bin ich dann wirklich stinksauer, wenn mich da jemand spoilern würde.

Zum Glück ist es bisher nur sehr selten mal vorgekommen, dass ich stark gespoilert wurde, weil ich selbst sehr vorsichtig im Internet unterwegs bin.

Ein Zauberer kommt nie zu spät. Ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.

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Entenverlag : : Moviejones-Fan
31.03.2023 15:27 Uhr
0
Dabei seit: 20.02.23 | Posts: 103 | Reviews: 21 | Hüte: 17

"Wir befinden uns schließlich in einem audiovisuellen Medium, weshalb ich die Mittel zur Darstellung für deutlich wichtiger befinde."

Und damit ist alles gesagt. Schönes Statement. ^^

"Je poetischer, je wahrer."
~Novalis

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