Anmerkung: Bei diesem Artikel handelt es sich um das letzte Special unseres ehemaligen Redakteurs Robin, das wir leider erst jetzt mit einigen Monaten Verspätung veröffentlichen können.
Ohne eine wirkungsvolle Marketingkampagne tun sich selbst die besten Filme schwer. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass sich die Studios oft unkonventioneller, aufmerksamkeitserregender Mittel bedienen, um aus der Masse herauszustechen und möglichst viele Blicke auf ihre Filme zu lenken - von krassen PR-Stunts über dreiste Angriffe auf die Konkurrenz bis hin zu cleveren Abweichungen von der Norm.
Für die folgenden Filme wurde tief in die Marketing-Trickkiste gegriffen! Mal ging die Strategie voll auf, mal weniger...
Deadpool
Wie viele Filme kennt ihr, deren Marketingkampagnen eine eigene Wikipedia-Seite haben? Das sagt schon einiges darüber aus, in welchem Ausmaß Deadpool das Internet übernahm, als es auf den Kinostart zuging. 20th Century Fox ließ Ryan Reynolds maßgeblich mitbestimmen, wie der Film den Zuschauern in aller Welt verkauft werden sollte - "kreativ" ist noch untertrieben, um zu beschreiben, was dabei herauskam (allein seine Social-Media-Geplänkel mit Hugh Jackman...). Unter anderem wies Deadpool seine männlichen Fans an, Hand anzulegen und sich selbst regelmäßig auf Hodenkrebs zu überprüfen. Er hing mit Manchester United und Betty White rum und "ermordete" Mario Lopez, und wegen ihrer Nähe zum Valentinstag wurde die R-Rated-Comicverfilmung auf Plakaten als schnulzige Rom-Com beworben. Deadpool 2 knüpfte dann nahtlos daran an.
Blair Witch Project
Die Idee hinter dem viralen Marketing für Blair Witch Project war recht simpel: Alles sollte so wirken, als sei es real. Und wenn wir "alles" sagen, dann meinen wir auch alles. Eine sehr überzeugend als Tatsachenbericht getarnte Website wurde geschaltet, komplett mit Fake-Nachrichten und inszenierten Interviews, damit alle auch wirklich glaubten, dass die drei "Filmstudenten" 1994 in den Wäldern um Burkittsville verschwunden und die "gefundenen" Aufnahmen echt waren. Auf ihren jeweiligen IMDb-Seiten wurden die Schauspieler Heather Donahue, Joshua Leonard und Michael C. Williams sogar ein Jahr lang als "vermisst, mutmaßlich tot" geführt, während sie angehalten waren, größere öffentliche Auftritte bis zum Release des Films zu vermeiden. Eine der kreativsten und zugleich kontroversesten Marketingkampagnen in der Filmgeschichte.
The fake missing persons poster for &39;The Blair Witch Project&39;, 1999. pic.twitter.com/nrRFSeofRY
— Collider (@Collider) January 18, 2017
Cloverfield
Die strikte Geheimhaltung und Bewahrung der mysteriösen Aura waren hier der Schlüssel zum Erfolg. Im Sommer 2007 lief vor Transformers ein Teaser-Trailer, der die Zuschauer vor ein Rätsel stellte - da warf ein unbekanntes Wesen den Kopf der Freiheitsstatue hinab in die Straßen von New York City! Es wurde kein weiterer Kontext geliefert, nur der Hinweis, dass Ober-Geheimniskrämer J.J. Abrams hinter dem Film steckte und dieser im Januar 2018 erscheinen sollte. Nicht mal einen Titel gab es, was zu allerlei wilden Spekulationen führte. Könnte es ein neuer Godzilla-Film sein? Eine Lovecraft-Adaption? Oder vielleicht sogar etwas in Zusammenhang mit Lost? Die geniale virale Marketingkampagne tat ihr Übriges, um die Spannung hochzutreiben. Über vier Monate vergingen, bis ein zweiter Trailer kam, der endlich auch den Titel preisgab: Cloverfield war enthüllt!
Child’s Play
Das neue Child’s Play war jetzt nicht so denkwürdig, aber die Marketingkampagne war es auf jeden Fall. Vor allem, als Chucky beschloss, die Box-Office-Konkurrenz abzumurksen. Sein Reboot sollte am selben Tag wie A Toy Story - Alles hört auf kein Kommando in die US-Kinos kommen, also tobte sich die Marketingabteilung aus und veröffentlichte eine Reihe von Postern, auf denen die Mörderpuppe unseren geliebten Pixar-Spielzeugen brutal den Garaus macht. Als erstes musste Woody dran glauben, dann wurde Slinky geröstet (Hot Dog, haha), Buzz Lightyear per Laserpistole umgepustet, Charlie Naseweis erdolcht, Rex abgefackelt und Specky zerhämmert. Und damit nicht genug: Da mit Annabelle 3 nur fünf Tage später noch ein anderer Puppen-Horrorfilm anstand, säbelte Chucky auch noch der guten Annabelle den Kopf ab - nur zur Sicherheit. Erstaunlich, dass Disney all das durchgehen ließ.
There’s a new sheriff in town. Meet your new best friend on June 21. ???? ChildsPlayMovie pic.twitter.com/aarRm1Dxnd
— Child&39;s Play Movie (@ChildsPlayMovie) April 30, 2019
Carrie
Was, wenn Telekinese real wäre? Wie würdest du reagieren? Das zeigt ein extrem unterhaltsames YouTube-Video mit dem Titel "Telekinetic Coffee Shop Surprise", das im Oktober 2013 in Verbindung mit Carrie veröffentlicht wurde - und schon am Tag seiner Veröffentlichung fast eine Million Views anhäufte. War das Horror-Remake mit Chloë Grace Moretz letztlich eher mittelmäßig, kann man das von diesem viralen Video ganz und gar nicht sagen. Mit versteckter Kamera wurden die Reaktionen der ahnungslosen Gäste in einem (leicht modifizierten) New Yorker Coffeeshop eingefangen, als sie Zeuge eines erschreckenden Vorfalls wurden: Eine junge Frau setzt ihre telekinetischen Kräfte gegen einen Mann an, der ihren Kaffee verschüttet hat. Kraft ihrer Gedanken lässt sie ihn dafür büßen. Heute hat das Video über 73 Millionen Views, vermutlich weit mehr als der Film selbst.
Gotti
John Travolta als New Yorker Gangsterboss, wie cool! Denkste, Gotti war ein Flop auf ganzer Linie und wurde reihenweise verrissen, weshalb MoviePass Ventures zu einer verzweifelten (oder mutigen?) Marketingstrategie griff: einfach alle zu beleidigen, die es wagten, den Film zu kritisieren. Nachdem er eine beeindruckend miese 0%-Wertung auf dem Tomatometer von Rotten Tomatoes abgesahnt hatte, begann man, zurückzuschießen und die Kritiker aufs Korn zu nehmen. Es wurde dreist behauptet, dass die Zuschauer den Film "geliebt" hätten, die Kritiker aber nicht wollten, dass man ihn sehe. Warum nur? Noch ein hübsches Beispiel: "Wem vertraust du mehr? Den echten Menschen, die den Film gesehen haben, oder irgendwelchen Trollen hinter einer Tastatur?" Tja, der Plan ging spektakulär nach hinten los. Es hagelte Razzie-Nominierungen, das 10 Mio. $-Budget wurde nicht ansatzweise wieder reingeholt.
Audiences loved Gotti but critics don’t want you to see it… The question is why??? Trust the people and see it for yourself! pic.twitter.com/K6a9jAO4UH
— Gotti Film (@Gotti_Film) June 19, 2018