Bewertung: 4 / 5
Alien: Covenant ist ein seltsames Biest, ähnlich wie die Organismen, um den er sich dreht, schwer zu greifen und amorph. Ein Hybrid aus hochfliegenden Science Fiction Ideen und B-Movie Horrorelementen, grandios in Szene gesetzt und in beiden Gebieten sehr selbstbewusst. Nichts davon ist besonders originell, aber um einmal ein Review eines aktuellen Metal Albums zu zitieren: „Remarkably, the reinvention slays.“
Der Film eröffnet mit einem kleinen Prolog, der noch vor dem Vorgängerfilm Prometheus spielt. Nach einer Minimalreferenz zu 2001 - A Space Odyssey wird das thematische Dach des Filmes in einem Dialog zwischen dem Androiden David (Michael Fassbender) und seinem Schöpfer Peter Weyland etabliert. In seinem sowohl sterilen als auch prunkvollen Büro erläutert Weyland seine Intentionen, David für das Verfolgen seiner Visionen zu benutzen, doch der Android erkennt sofort das Problem in diesem von Menschen als natürlich empfundenen Machtverhältnis, beginnt seine Überlegenheit zu fassen, und fordert Weyland heraus. Dieser schnappt ein, versucht das für ihn normale Machtgefüge wieder her zu stellen, und der Film schneidet zum Kolonieschiff „Covenant“, auf dem Weg den Planeten Origae-6 zu besiedeln. Im einführenden ersten Akt wird die Crew des Kolonieschiffes vorgestellt, vor allem die Hauptcharaktere Daniels (Katherine Waterston), durch ein Unglück unfreiwillig vertretende Kommandantin, Oram (Billy Crudup), durch das gleiche Unglück unfreiwillig Kommandant - und nicht besonders komfortabel in seiner neuen Rolle - und Walter, ein ebenfalls von Fassbender gespielter Androide, der die Mission unterstützt.
Nachdem besagtes Unglück die Moral der Truppe zerstört hat, weckt eine Alien Referenz, ich meine natürlich ein abgefangener, fragmentierter Funkspruch, das Interesse der Crew, die sich nach kurzer Abwägung entschließt, einen Blick auf den Ursprung des Signal, einen bewohnbaren Planeten, zu werfen.
Trailer zu Alien - Covenant
Ridley Scott hatte definitiv Ambitionen mit Alien: Covenant, also vermutlich sollte ich über Themen des Filmes sprechen. Hauptthema ist, wie bei Prometheus, das Verfolgen großer Ambitionen durch die Menschheit, ewiges Leben, Leben erschaffen, oder die Kolonisierung des Weltalls. Weyland startet diese Thematik in der ersten Szene, Oram setzt sie fort. Oram erscheint anfangs wie ein schwach ausgearbeiteter Charakter, aber ich habe ihn eher als Symbol für die Fehlerhaftigkeit menschlicher Ambitionen identifiziert. Er ist klar als religiös dargestellt, sodass er seine Ziele mit einer gewissen Selbstverständlichkeit und Unantastbarkeit verfolgen darf. Zudem ist er von Selbstzweifeln zerfressen, aber durchaus gewillt, eine Machtposition, die ihm wohlgemerkt durch Zufall in den Schoß fällt, einfach zu nutzen. Er unterschätzt und legt völlig falsches Vertrauen in die Kreation der Menschheit, die er selbstverständlich als unterlegen ansieht, was zu seinem Untergang führt. Dass Oram zu Davids Opfer wird, der den Erschaffungsprozess fröhlich umdreht, ist vom Drehbuch völlig bewusst gewählt (was außerdem zu meiner lieblings-„großartigen-albernen-bedeutungsvollen-schlechten“ Szene im Film führt).
Die Diskussion am Ende des ersten Aktes zwischen Daniels und Oram dient in diesem Rahmen als Thesen-Aufstellung des Filmes. Er ist außerdem eine Art Spiegelung desselben Punktes aus Alien, in dem die simple Antwort „wir müssen da jetzt hin“ war. Daniels konfrontiert Orams ambitionierte, aber fatale Einschätzung mit ihrem vorsichtigen „wir sollten das lieber nicht riskieren“. Das ist natürlich eine Referenz auf die ältesten Science Fiction Themen seit Mary Shelleys „Frankenstein“, den der Film später auch zitiert. Und diese These wird am Ende eher boshaft beantwortet, indem die eigenen Ambitionen der Crew, und die ihrer Vordenker (Weyland), ihren Untergang besiegeln. Auch die kritische Daniels ist nicht vor diesem Makel sicher, wird ihr doch ihr zu starkes Vertrauen in die domestizierte Version von David zum Verhängnis. Ebenso findet sich die in den Alien Filmen regelmäßig mehr oder weniger subtil auftretende Thematik von sexuellem Missbrauch auch hier wieder, sowohl in dem Schicksal von Dr. Shaw als auch in einer Szene zwischen David und Daniels, in der ebenfalls angedeutet wird, dass David sich seiner Überlegenheit und seinem Verhältnis zu den Menschen gar nicht so sicher ist.
Zu den stärksten Szenen des Filmes gehören außerdem die Dialoge zwischen David und Walter im bewusst etwas loseren zweiten Akt. Die mögliche Überlegenheit künstlicher Intelligenz und ihr Verhältnis zu ihren Schöpfern werden elaboriert, am Schluss erklärt David seine Überlegenheit und offenbart sein Ziel. Walter fordert ihn heraus, indem er seine Fehlbarkeit, die der durchaus irrationale David gerne übersieht, aufdeckt. Intelligenterweise gibt der Film zu seinen Themen selten klare Antworten, sondern lässt den Zuschauer mit den möglichen Interpretationen allein, was wiederholtes Ansehen umso interessanter macht. Wie Roger Ebert in seiner Kritik zu Prometheus sagte: „Ridley Scotts "Prometheus" is a magnificent science-fiction film, all the more intriguing because it raises questions […] and doesnt have the answers. Its in the classic tradition of golden age sci-fi […]”.
Da der Name jetzt ein paarmal fiel, kurze Exkursion zu David. Einer der stärksten Punkte des Filmes ist sein voll realisierter Antagonist, der mehr als nur eine Herausforderung für die vermeintlichen Helden ist. David hat zentralen Anteil daran, warum der Film funktioniert: Er hat eine eigene Philosophie und Motivation, er ist aktiv und zentral für die Handlung, er ist stark genug um gewinnen zu können, und ist gewissermaßen der Star des Films. In dem Duell David gegen Walter liegt ein existenzieller Schrecken, der das Schicksal der Protagonisten fast nebensächlich werden lässt.
David wird zur zentralen Bedrohung des Filmes, und einige haben es dem Film übel genommen, dass die namengebenden Aliens als sein Werkzeug geschaffen werden. Ich sehe das als weniger problematisch, da man David einfach zutraut, diese Wesen zu erschaffen, sodass der Versuch der Menschen, Gott zu spielen, grausam auf sie zurückgeworfen wird (Shelleys „Frankenstein“ hatte übrigens den Untertitel „Der moderne Prometheus“). Zum anderen vergeht sich der Film auch nicht tiefer in dümmlichen „Mediclorianer“ Erklärungsversuchen, sodass ein Teil des Ursprungs weiterhin mysteriös bleibt.
Wie Ignatiy Vishnevetsky in seiner intelligenten Kritik bemerkte, ist Alien: Covenant wie eine Gothic Version der Reihe, mit vielen schwerwiegenden, finsteren Kameraeinstellungen und Tributen an den britischen Hammer Horror. An diesem Punkt ist der Xenomorph so etwas wie eine Popkultur Ikone, sodass hier wenig Überraschendes zu erwarten ist, aber der Film wartet mit (un)angenehm blutrünstigen Szenen, abstoßenden Hybriden und einem aggressiveren Alien auf, untermalt von einem hervorragenden Sounddesign, so dass auch Veteranen ein angenehmes Gruseln verspüren werden. Davids Labor und die Totenstadt sind fantastisch in Szene gesetzt, und wie in seiner ersten Inkarnation Alien, der hier reichlich referenziert wird, profitiert der Film zumindest in zweiten Akt davon, dass man die Gefahr nicht direkt greifen kann. Auf der anderen Seite zelebriert der Film ungeniert seine B-Movie Wurzeln, was in einer sexualisierten „Tod in der Dusche“ Szene klargemacht wird.
Drehbuchtechnisch ist der Film wie angesprochen thematisch angenehm dicht, was man wahrscheinlich vor allem der Zusammenarbeit mit John Logan (Skyfall) und Michael Green (Logan, Blade Runner 2049) zu verdanken hat. Auch die generelle Struktur ist völlig intakt, allerdings macht der Film im zweiten Akt die interessant-seltsame Entscheidung, die Entwicklung seine Protagonistin quasi einzufrieren, und sich voll auf die Dualität David/Walter und die Entwicklung des Antagonisten zu konzentrieren. Das ist natürlich ein Bruch mit der Struktur der Klassiker Alien und Aliens, oder mit genereller Filmstruktur, aber es ist ein durchdachter. Scott war bewusst, dass ein weiterer Film mit starker Protagonisten und Viechern im Lüftungsschacht nicht funktionieren würde, und verschob den Fokus. Leider leiden auch die restlichen Crewmitglieder unter dieser Entscheidung, viele von diesen sind eher schwach charakterisiert. Der Versuch, den Einschlag der ersten Tode dadurch effektiver zu machen, dass die Crew alle miteinander verheiratete Paare sind, ist gut gemeint, aber nicht so effektiv wie erhofft. Glücklicherweise haben die Alien Filme eine Tradition von guten Schauspielern, und auch bei Covenant schmeißen sich diese in den Ring, um diese Drehbuchschwäche zu kompensieren. Fassbender kann natürlich keiner das Wasser reichen, der mit seiner Walter/David Interpretation aber auch schwer fassbar ist. Abschließend würde ich zu der Struktur noch sagen, dass sich der zweite Akt teilweise etwas hektisch und wackelig anfühlt, und ein wenig den roten Faden gegen seine philosophischen Elemente eintauscht. So geht die Crew zum Beispiel nie wirklich aktiv Davids Geschichte auf den Grund , was allerdings wieder zu der Thematik führt, dass die Menschen die eigene Kreation als unterlegen ansehen.
Ebenfalls in dieses Gebiet fallen die manchmal etwas gestelzten Dialoge. Wenn Oram etwa nach dem offensichtlichen Verrat von David aufwacht, passt es zwar thematisch, dass er diesen fragt, woran er glaubt… Es ist halt keine sehr glaubwürdige Zeile.
Zum dritten Akt würde ich mich eher kurz fassen: Es gibt einen Twist, ein Finale, dass sowohl als Referenz als auch thematisch passt (die über Bord gehenden Terraforming-Traktoren deuten schon das Scheitern der Mission an), einen weiteren Twist, und die vollkommene Realisierung des Antagonisten, durch Wagner musikalisch schlüssig unterlegt (siehe erste Szene).
Also zusammenfassend: Alien: Covenant ist ein ambitionierter, thematisch dichter Science Fiction Horror Film, reich gespickt mit Referenzen und visuellen Anspielungen, einem großartigen Antagonisten und wunderbarer Fotographie (wir reden hier immer noch von R. Scott), die mit sattem Sound- und Musikdesign untermalt sind. Der Film enthält außerdem einige extrem gut dirigierte Szenen, wie die Einleitungssequenz, den ersten Angriff im Grasland, die Konfrontationen von David und Walter, inklusive ihrem finalen Duell, den Rückblick zur Zerstörung der Stadt der „Engineers“ sowie die Flucht vom Planeten . Das Drehbuch ist dabei sowohl die größter Stärke des Filmes (Thematik, Antagonist) als auch der Schwachpunkt (Charaktere, Struktur der Mitte), wobei die Vor- die Nachteile hier überwiegen.
Alien: Covenant ist ein deutlich negativerer Film als Prometheus, der noch einen gewissen Weltraumabenteuer-Vibe hatte. Und auch sein bitterböses Ende hat einen gewissen Alleinstellungswert. Mündete 2001 - A Space Odyssey noch in einer extravaganten, impressionistischen Geburt einer neuen Rasse, so scheint Covenants Botschaft deutlich simpler und finsterer: Es gibt dunkle, unbekannte Orte, im Geist und im All, die man lieber nicht besuchen sollte, auch wenn sie verlockend aussehen.