
Bewertung: 3.5 / 5
Beau (Joaquin Phoenix) ist ein erfolgreicher Unternehmer, der unter Paranoia leidet. Grund dafür ist eine wohl schwierige Beziehung zur eigenen Mutter. Den eigenen Vater hat Beau nie kennengelernt und da er keine Stabilität in der eigenen Psyche finden kann, sucht er Hilfe bei einem Therapeuten. Doch nichts ändert sich zum Guten und im Gegenteil werden die Dinge noch schlimmer. Beau kehrt in die eigene Heimat zurück und scheint dabei immer weiter den Bezug zur Realität zu verlieren.
Das offensichtlich Banale, die Freundschen Verständnisse zwischen Psychologie und Umwelt, sind das Kredo jeder Hollywood-Erzählung. Wir alle haben Probleme und meistens haben wir sie laut dem Mantra der Vergangenheit mit unseren Eltern. Nun, es ist sicherlich richtig, daß Eltern als erste Sozialisationsinstanz einen großen Stellenwert bei der Entwicklung der eigenen Person einnehmen. Aber, sie formen nicht die Persönlichkeit und es ist auch kein wirklicher Background schlechte Eltern zu haben. Man darf hier gerne mal die Kriegs- und Nachkriegsgeneration fragen. Was also ist das mit den Eltern, die auch in Beau Is Afraid wieder einen großen Stellenwert einnehmen? Ehrlich gesagt war das Vorwort beinahe umsonst und diente letztlich nur dazu, mal all den Frust dieser mittelprächtigen Pseudo-Shakespeare-Dramen in die Welt zu tragen. Es ermüdet, weil die Verbindung und die Suche nach Sinn hinter all dem Schmerz hier fast grotesk ironisiert wird. Beau Wassermann leidet unter starken komplexen. Der Vater ist nicht da und die Mutter nimmt natürlich ihren Sohn ein, wie alle fast alle Menschen vereinnahmen, die einen Verlust erlitten. Insofern ist das quasi das Einmaleins der Freudianer. Und ehrlich gesagt funktioniert das auch am Anfang recht gut, weil hier die frage in den Raum geworfen wird, wer nun kranker ist. Die Umwelt oder das Individuum und dadurch wird auch unweigerlich natürlich eine Wechselwirkung in den Raum geworfen.
Trailer zu Beau Is Afraid
Beau stellt sich auch diese Frage und zu Beginn bombardiert Ari Aster den Zuschauer auch mit recht surrealen Eindrucken. Seltsame Gedankenspiele, die sich in Beau Wassermann auftun und die dann letzten Endes aufzeigen sollen, was nun real ist und was nicht. Eine Diskrepanz stellt das deshalb dar und beeinflussten tut es das Sehgefühl auch, weil die normale und die verrückte Welt ziemlich schnell herausgestellt werden. Beau Is Afraid scheitert also daran, eine groß angelegte Systemkritik aufzuzeigen, weil sein Hauptcharakter eigentlich schon allein ob seiner anfänglichen Konstitution nicht in der Lage ist, ein differenziertes Bild für den Zuschauer darzustellen. Natürlich kann man argumentieren, daß der geistige Zustand von Beau aus jener Welt resultiert und eigentlich auch nur das aufkocht, was man sowieso schon weiß. Doch Beau ist gleichzeitig auch der Protagonist Batman aus The Dark Knight (2008) streichen und nur den Joker agieren lassen. Das heißt, diese Kehrseite funktioniert nur in einem radikalen Wandel. Doch dadurch, daß Beau is Afraid noch darüber nachdenkt und bildlich sinniert, ob unsere Welt nun absurd ist, oder nicht, wird eine klare Haltung immer schwammig bleiben. Vielleicht ist das auch zu verkopft und Aster hat den genau den richtigen Kern zwischen irrealem und realem gefunden. Allerdings ist das anzuzweifeln, weil einzelne Versatzstücke um familiäre Strukturen, dann wieder Willkürlichkeit der Welt und die zerstörte eigene Psyche kaum einen Sinnzusammenhang haben. Nun ja, auf oberflächlicher Ebene ist das schon so, aber dann bleibt es mehr die Überlegung eines Konzepts und kein wirkliches Konzept.
Ja, daß sind harsche Worte und vielleicht sind sie sogar unsinnig und völlig falsch gedeutet. Allerdings ist Beau Is Afraid auch weit ab von einem schlechten Film. Diesen lieferte Aster glücklicherweise nach seinem desaströsen herumlamentieren über toxische Beziehungen und dem Wiederaufleben eines Pseudo-Kontrasts mit Mitsommer (2019) nicht erneut. Man kann es gar nicht sagen, was es genau ist mit Beau Is Afraid. Tatsächlich würde ich trotz des psychoanalytischen Leinwand-Trips den Film weniger verkopft, als wirklich skurril bezeichnen. Aster hat eine klare Handschrift, die er hier verfolgt und dann wiederum auch nicht, weil Klarheit ein Trugschluss ist und wir hier immer noch von einer Angststörung reden. Beau leidet unter starken Ängsten und wer sich einmal mit Angststörungen befasst hat, wie auch mit so ziemlich jeder psychischen Erkrankung, der wird keine Klarheit finden. Doch das macht das gesamte Treiben fast schon obsolet. Daher ja, es funktioniert letzten Endes als die Darstellung des Innenlebens solcher Menschen und daher ist natürlich irgendwo auch klar, daß nichts klar ist. Beziehungen aus der Vergangenheit, Verlust und das Abstumpfen gewisser Gefühle. Ja, wäre es keine Angst, könnte man hier auch von einer psychotischen Phase Beaus sprechen. Auch dafür gibt es Indizien, aber leider keine Klarheit. Und so ist das fast schon frustrierend und tatsächlich geht der Film dann auch keinen Schritt weiter, beziehungsweise er endet inhaltlich nach gut der Hälfte. Nun könnte man das natürlich schlimm finden und Aster als Scharlatan hinstellen, dem es an Mut zum Radikalen fehlt. Doch so einfach ist das dann am Ende auch nicht.
Und es ist nicht einfach, weil das Konzept unklarer Verhältnisse einer unklaren Hauptfigur, die den Zuschauer leiten soll, natürlich nicht zur Klarheit führen kann. Es geht hier um die nötige Distanz zum Gezeigten und die fordert Aster schon ein, weil er dem Zuschauer auch im seinem von „Show, don’t tell“ zu wenig an die Hand gibt, um mehr darin zu sehen. Insgesamt ist der Film damit weniger greifbar als etwa ein The Fountain (2006), aber das ist dann wiederum auch ein weiterer Widerspruch. Denn entgegen der Psychoanalyse ist das unerforscht und bleibt im Prinzip ein Mysterium.
Der Höhenflug des verkopften Geistes. Es ist nicht alles klar und Beau Is Afraid hat auch nicht diesen Anspruch. Letzten Endes könnte man genauso einen Film nicht gesehen haben, wie gesehen haben. Es ist egal und irgendwie nicht. Es ist pubertär. Klar, ein wenig befriedigendes Gefühl, aber dennoch genug.
