Bewertung: 3.5 / 5
Der Ruhm des alt gewordenen Countrysängers Bad Blake (Jeff Bridges) ist längt vorüber. Nur noch mit Auftritten in schmierigen Lokalen hält er sich über Wasser. Durch seinen Manager wird er zur Vorband des aufsteigenden Künstlers Tommy Sweet (Colin Farrell), der einst sein Schüler war. Dazu verleibt er sich eines Tages noch in die zwanzig Jahre jüngere Journalistin Jean (Maggie Gyllenhaal), die als alleinerziehende Mutter doch nicht von Blake lassen kann.
Ein Musiker, der sich neben seiner Passion für die Musik, auch einem ganz anderen Drang nach Selbstverwirklichung hingibt, war schon immer eine Kombination, die funkte. Nicht selten auch in der Realität begründet, sucht auch Crazy Heart den starken Kontrast aus Talent und Hürde, wenn er einen Musiker im Alkohol versenkt. Es wirkt wie aus dem Lehrbuch, wenn Scott Cooper einen Film inszeniert. Ein Umstand, der sich auch mit der nach seinem Erstling Crazy Heart folgenden Filmografie bestätigen soll. Da kommt dann irgendein weiterer Mafiafilm, irgendein weiterer Horrorfilm und irgendein weiterer Western. Nun mag das vielleicht nicht ganz die späteren Werke des US-Amerikaners beschreiben, allerdings sehr wohl sein Spielfilmdebüt Crazy Heart. Denn was sich hier offenbart, ist Kino nach Schema-F, indem die Figur vor für den Zuschauer ganz klare, simple Hürden gestellt wird, und auch die Konflikte, die sich anbahnen nun mal in leider gar keiner Hinsicht zu überraschen wissen. Hier ein enttäuschtes Familienmitglied, da ein Druck aufbauender Chef, dann eine Liebschaft, die erkennen muss, daß ihr Mann eben doch nicht viel mehr zu sein scheint als seine Krankheit, und so weiter und so fort.
Trailer zu Crazy Heart
Man beginnt also auch regelrecht nach jenen Szenen zu suchen, die sich in einem solchen Film tummeln sollten und beginnt natürlich Vergleiche zu Werken wie Walk the Line (2005) anzustellen, weil man eine gewisse Vorahnung hat, wie sich die Geschichte entwickeln wird und man kann festhalten, daß der Film all diese Erwartungen erfüllt. Dabei gewährt der Film einem auch einen gewissen Einblick in die Geschäftswelt, wie auch die Musik als solche eben einen hohen Stellenwert gewinnt. In diesen Momenten ist der Film zwar abermals unglaublich klischiert, wenn er zeigt, wie seine Hauptfigur Otis Blake versucht, ein Comeback zu starten und das ein oder andere Stückchen trällert. Auf der anderen Seite ist der Film aber auch unglaublich intensiv, wenn es um die innere Psyche seiner Hauptfigur geht. Man versteht Otis als Opfer des Triumphs, insofern, als daß die Figur eben durch ihren Erfolg auch gleichsam ihr Ende hervorruft. Daß ist zwar abermals ein Klischee, dennoch zeigt sich hier auch, eine systemische Analyse, nach welcher die Funktionäre jener Welt sich eben in einen Trott begeben, aus dem sie niemals entfliehen können und somit gebunden daran sind, sich an diese Welt festzuklammern, weil sie auch gar keine andere Wahl mehr haben.
Ohnehin scheint in Crazy Heart auch eine Menge Wahrheit zustecken, wenn es unter anderem auch um das Leben eines Alkoholikers geht. Gleichsam tut der Film auch gut daran, daß diese Geschichte eben nicht nur aus der Sicht seines Protagonisten geschildert wird, sondern durch den Blickwinkel ihn einst und ihn nun liebender Menschen. Es ist ein Umgang, nach welchem sich niemand eine moralische Überlegenheit anmaßen kann, denn schließlich bedeutet Sucht zwangsläufig auch Schmerzen für das soziale Umfeld. Dabei kann es kein Happyend geben und der Film sucht auch keines, wenngleich er die Figur in eine für ihn richtige Richtung lenken will. Doch wenn er auf das Ende zusteuert, so ist der Film eben dennoch nicht so naiv, seinem Charakter ein Mega-Happyend zu schreiben, sondern lässt durchaus auch Scherben auch Scherben sein. Natürlich forciert der Film auch bewusst den ein oder anderen Konflikt, indem eben zum Beispiel ein Ausflug mit einem Kind in einer Suche nach eben jenem mündet. Daß mag vielleicht relativ logisch sein und auch für die Hauptfigur in ihrem Stigma begründet werden, auf der anderen Seite kommen solche Konflikte und auch der darauß resultierende Streit recht abrupt. Und gerade im Hinblick darauf, daß der Film sich eigentlich Zeit lässt, die Beziehung seiner Hauptfiguren zu etablieren, wirkt hier eine Krise schon als recht harter Schritt.
Dabei fragen sich die Figuren das gleiche und fragen auch, wie sie je zueinander finden konnten, weil sie ja eigentlich wussten, wie sie aufeinander wirken würden. Hier verschenkt die Geschichte insofern potenzial, als daß sie dies eben einfach so stehen lässt. Natürlich hätte es dafür auch einen philosophischen Dialog über die Entstehung von Liebe gebraucht. Auf der anderen Seite muss man das dann auch nicht aussprechen, wenn man sowieso nichts zu sagen hat. Denn seine stärksten Momente hat Crazy Heart nicht unbedingt in seinen Countrytypischen, rührseligen Fernwehtexten, sondern in Charakterstudien. So lernen die Zuschauer diesen Otis Blake in der schlimmsten Phase seines Lebens kennen. Einerseits hoffnungsvoll von dem Gedanken, irgendwie ein Comeback zu starten, und dabei eben aus finanziellen Nöten zu gelangen. Dann wieder enttäuscht nur Texter zu sein und hinter dem einstigen Lehrling die zweite Geige spielen zu müssen. Dann wieder erfüllt von der jungen Liebe, die aber auch so wieder verschwindet und zwischen allem tummelt sich dann immer noch das Suchtverhalten. Und gerade diese recht komplexe Person, wird von Jeff Bridges mit so einer Hingabe porträtiert, daß er eigentlich zu gut für den Film erscheint. Es erinnert dabei stark an Renée Zellwegers Interpretation von Judy (2019), welche eine unglaubliche Performance ablieferte, welche aber vom Skript in beiden Fällen nicht aufgefangen werden konnte. Auch die Chemie zwischen Bridges und Gyllenhaal scheint zu stimmen und der Film investiert eben genügend Zeit in die Beziehung der beiden Figuren, sodass deren Schicksal nicht völlig egal bleibt.
Auch das ambivalente Verhältnis zum ehemaligen Schüler Tommy Sweet wird in gewissen Maße teil der Handlung. Wenngleich der Subplot dennoch wenig Ertragreiches oder innovatives zutage fördert, ist dennoch die Performance von Collin Farrell in diesen Momenten recht clever, weil sie zunächst recht eindimensional wirkt, sich aber dennoch als vielschichtiger entpuppt.
Crazy Heart ist in zu vielen Momenten ein Film, wie aus dem Lehrbuch. Konflikte, die Geschichte, die Aufmachung und all das Drumherum wirken wie, als hätte man das schon mehrmals gesehen. Darüber hinaus sind es vor allem die Schauspieler, die im Film so richtig punkten können. Allen voran Jeff Bridges, der hier alles gibt. Aber auch Gyllenhaal bleibt charismatisch und ihre Chemie ist deutlich spürbar. Über allem thront dann die Ehrlichkeit, die der Film sich anmaßt auch im Hinblick auf diese Krankheit anzuwenden, wenngleich er nicht komplett hoffnungslos bleibt.