
Bewertung: 3 / 5
ACHTUNG! SPOILER-KRITIK!
„Deadpool & Wolverine“ ist ein klassischerer Fall der Polarisierung, so wie es auch schon bei den Vorgängern war. Entweder, man liebt die Filme und dessen Humor und Art oder man wird damit einfach nicht warm. Ich zähle zu letzterer Personengruppe, hatte aber vereinzelt dennoch meinen Spaß, vor allem mit „Deadpool 2“, den ich wegen seiner Handlung, der Gruppendynamik und Josh Brolin als Cable wirklich ganz gut finde. Bei „Deadpool & Wolverine“ hatte ich Hoffnung, dass es ähnlich wie bei Deadpool 2 eine spannende und gute Handlung gepaart mit einer tollen Gruppendynamik und einem tollen Hugh Jackman als Logan / Wolverine geben würde. Meine Hoffnung ging aber nur bedingt in Erfüllung.
Trailer zu Deadpool & Wolverine
Ab hier dicke SPOILER!
Die Handlung von „Deadpool & Wolverine“ ist sehr flach, banal, unspektakulär und emotionsarm. Die Handlung ist in meinen Augen die größte Schwäche des Films, und genau deswegen bin ich auch eher enttäuscht worden. Klar kann man nun daherkommen und sagen: „Wer erwartet denn von Deadpool eine gute Story?“ oder „Bei „Deadpool“ geht es nicht um die Handlung, sondern um den Humor.“ So „kann“ man es sehen, doch ich betrachte das etwas anders, und dies aus zwei Gründen: zum einen, weil „Deadpool 2“ bereits gezeigt hat, dass auch ein Deadpool-Film eine gute Geschichte erzählen kann. Der andere Grund ist, dass man von Seiten Disney, Marvel und Ryan Reynolds bereits im Vorfeld vollmundig angekündigt hat, dass „Deadpool & Wolverine“ das MCU in eine neue Richtung lenken wird, dass der Film wichtig für das MCU wird und dass er gar der „Retter des MCU“ wird. Nach meiner Sichtung des Films war ich ernüchtert, weil eigentlich nichts davon wirklich zutrifft.
Zusammengefasst steckt Wade Wilson / Deadpool in einer Sinnkrise, erfährt von der TVA, dass sein Universum in einigen tausend Jahren sterben wird, weil der Universums-Anker Logan / Wolverine gestorben ist. Ein Abtrünniger der TVA will das Universum sofort stutzen statt es tausende Jahre zu beobachten und zu betreuen. Deadpool reist irgendwie durch Raum und Zeit und holt sich einen lebendigen Logan aus einem anderen Universum, um sein Universum zu retten. Wenn sie nicht gestorben sind, (was sie nicht sind), leben sie noch heute. Alles, was dazwischen passiert, ist reiner Fanservice und für die Handlung ziemlich unwichtig.
Klar, die Mutanten sind jetzt offiziell Teil des MCU… oder? Nichts im Film weißt aber nun darauf hin, dass wir bald mit den Mutanten oder X-Men oder X-Force im MCU rechnen können. Also ist der Status Quo weiterhin derselbe: Die Mutanten sind Teil von Marvel und Disney, doch wann man diese nun in das MCU „integriert“, ist weiterhin völlig unklar. Es könnte bereits in „Captain Amercia: Brave New World“ passieren, aber es könnte auch erst nach „Avengers 6“ passieren.
Die Handlung ist zudem voller Logikfehler, z. B. spielt der Film nach der zweiten Staffel von der Serie „Loki“. Der Film „Logan“ spielt aber weiter in der fernen Zukunft (wohl 2029). Wenn „Deadpool & Wolverine“ aber zeitlich davor spielt, wie kann Logan da dann schon tot sein? In „Logan“ sind alle Mutanten tot oder werden gejagt. Weshalb leben dann noch einige X-Men (die Freunde von Wade)? Und weshalb wissen sie nichts von der dystopischen Zukunft der X-Men? Sie leben doch auf derselben Erde im selben Universum. Dann ist da diese unsinnige Sache mit dem „Anker“ für jeden Zeitstrahl bzw. jedes Paralleluniversum. Bisher wurde uns erklärt, dass ein neuer Zeitstrahl immer dann entsteht, wenn jemand die Vergangenheit ändert. Dies ist in der X-Men-Filmreihe mehrmals passiert (in „Deadpool 2“ und in „X-Men: Zukunft ist Vergangenheit“). Ergo müsste es sogar mehrere Universen geben. Nehmen wir an, das Deadpool-Universum und das X-Men-Universum sind ein und dasselbe, zu jedem Zeitpunkt, auch nach den Vergangenheitsreisen. Warum sollte dann ausgerechnet Logan der Ankerpunkt des Universums sein? Lt. vorherigen Erklärungen entsteht ein neuer Zeitstrahl durch eine neue Variante, so z. B. bei Loki, wenn er durch die Zeit reist. Also ist ja demnach eigentlich dieser zeitreisende Loki der Anker eines neuen Zeitstrahls. Wer genau soll es denn dann im X-Men-Universum sein? Zu Beginn in „X-Men“ aus 2000 gab es keine Zeitreise, die den Zeitstrahl hätte entstehen lassen können. Für mich ergibt das alles nur wenig Sinn, und dieser neu erfundene „Anker“ ist mehr als nur lächerlich. Das heißt, dass eigentlich jedes Universum stirbt, wenn die Anker-Person auf natürliche Weise stirbt. Wer ist denn dann der Anker des „wahren Zeitstrahls“, also des MCU-Universums? Wie kann es dann Universen geben, die alt sind? Warum gibt es immer nur eine Anker-Person? Das ergibt einfach gar keinen Sinn.
Auch unsinnig ist, wie es sein kann, dass Blade, X-23 oder Elektra im „Nichts“ gelandet sind. Wer sollte die Charaktere im X-Men-Universum oder dem Blade-Universum oder dem Daredevil-Universum gestutzt haben und vor allem: warum? Soll die Erklärung nur lauten, dass sie gestutzt wurden, weil Disney Fox aufgekauft hat und das alte Fox nun „tot“ ist? Okay, kann man so sehen, ist aber doch irgendwie total Banane und verrückt. Und wie kann es sein, dass X-23 erwachsen ist, wenn „Deadpool & Wolverine“ zeitlich weit vorher spielt?
Fragen über Fragen, und dank „Deadpool & Wolverine“ ist das MCU gerade um einiges unlogischer und komplizierter geworden. Naja, was soll man erwarten? Unser Jesus Christus hat die Religionen und das Leben ja ebenfalls kompliziert gemacht. Wo wir schon bei „Jesus“ sind. Wenn Deadpool Marvel-Jesus sein soll, warum stirbt er dann am Ende nicht? Normalerweise funktioniert es so, dass Jesus sich für alle anderen opfert. Hier haben Marvel und Ryan Reynolds etwas missverstanden.
Aber genug von der Handlung und den Logikproblemen. Schauen wir uns mal die Charaktere an.
Ja, Deadpool steckt in einer Sinnkrise. Warum wird uns nicht gezeigt oder gesagt. Deadpool wird von der TVA entführt, um einem Abtrünnigen der neuen TVA zu helfen, sein eigenes Universum zu stutzen. Was für eine hirnverbrannte und unlogische Idee von diesem abtrünnigen TVA-Agenten Mr. Paradox. Deadpool ist also motiviert, das Ende seines Universums zu verhindern. Soweit so nachvollziehbar. Aber was ist die Motivation von Mr. Paradox, das Universum und viele andere zu stutzen? Haben die Universen ihm etwas getan? Mag er seinen Job einfach nicht mehr? Steckt er in einer Midlife-Crysis? Warum tut er das und was nutzt es ihm? Ja, Mr. Paradox ist sehr schlecht geschrieben und sein Handeln kaum nachvollziehbar. Der Charakter ist letztendlich auch total unwichtig und uninteressant.
Logan ist hier der wohl beste und interessanteste Charakter des ganzen Films. Der Logan, den wir hier bekommen, ist ein Versager in seiner Welt, denn er ist ein Trinker und er ist Schuld, dass die X-Men alle tot sind. Oder zumindest hat er keinen Finger gerührt, um das zu verhindern. Das ist potentiell am interessantesten und vielschichtigsten, und dadurch berührt mich sein Charakter am meisten. Mehr erfahren wir hier nur leider nicht, was schade ist. Statt uns mehr von seiner Vergangenheit zu „zeigen“, wird uns dies nur kurz durch Exposition erklärt. Exposition gibt es in dem Film auch zu viel. Immer wird erklärt und gesagt, viel zu selten jedoch „gezeigt“. Hier wurde auch nur wieder viel Potential verschenkt. Trotzdessen ist Logan der beste und einzig interessante Charakter des Films. Wenn Logan im Fokus ist, spielt selbst Deadpool nur noch die zweite Geige. Hugh Jackman hat einfach viel mehr Charisma und Starpower als Ryan Reynolds.
Wade´s Freund und auch Vanessa sind hier nur kurz zu sehen und spielen auch keine wirklichen Rollen.
Dann sind wir schon bei den ganzen Cameos. Diese sind nur da, um da zu sein. Nicht einer der vielen Cameos bekommt auch nur ein wenig Backstory spendiert. Das lässt die Charaktere leider sehr blass und somit uninteressant wirken. Emotional packen mich die Auftritte alle nicht. Als Wesley Snipes als Blade seinen Auftritt bekommt, habe ich kurz totale Freude empfunden. Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Doch was hat man draus gemacht? Nichts! Man hätte Blade auch mehr Background und Charakterentwicklung verpassen können, ihn an der (leider sehr flachen) Haupthandlung teilhaben lassen können, doch nein, er darf nur mal kurz an einer Actionszene teilnehmen und ein paar Sprüche ablassen. Auf diese Weise verpufft der Auftritt nahezu ins Nichts. Verschenktes Potential.
Das gleiche gilt auch für die anderen Cameo-Charaktere wie Elektra, X-23, Johnny Storm, Pyro, Gambit und die anderen. Sie alle sind für ein paar Sprüche und eine große Actionszene da.
Also sieht es nicht nur auf der Handlungsebene, sondern auch auf Ebene der Charaktere recht mau aus, trotz der schieren Masse an Cameos, aus der letztlich nichts herausgeholt wird. Auch hier wurde viel Potential verschenkt.
Kommen wir zu den Actionszenen. Hier gibt es im ganzen Film gleich mehrere. Nicht jede davon weiß zu überzeugen und die Qualität schwankt unter diesen doch recht stark. Es gibt zwei Kampfszenen zwischen Deadpool und Wolverine. Die erste ist brutal und auch irgendwie recht schnell langweilig, weil sie sich ohnehin beide nicht wirklich ernsthaft verletzen können. Mich wundert allerdings ein wenig, dass Logan sich so unglaublich schnell von den Verletzungen durch die Adamantium-Schwerter von Deadpool erholt. Mir scheint, seine Selbstheilungskräfte wurden hier um eine ganze Ecke verstärkt, damit man diese Actionszene drehen konnte und der Kampf nicht nach 30 Sekunden beendet ist. Die zweite Actionszene zwischen den beiden im Minivan hat mir deutlich besser gefallen. Sie war witzig, sie war abwechslungsreich und cool inszeniert und wurde auch von der Kamera gut eingefangen.
Eine weitere große Actionszene findet dann in der Leere bzw. im Nichts statt. Hier treten dann auch die meisten Cameo-Charaktere auf. Dieser Kampf jedoch ist leider völlig zerschnitten, und auch die Kameraführung ist in diesem Kampf nicht wirklich gut. Die Kamera ist oft zu nah dran oder mittendrin, dann wackelt sie sehr viel und es wird zu viel geschnitten zwischen den Einstellungen. Als Zuschauer hier noch den Überblick zu behalten, ist schier unmöglich. Dabei ist es leider auch kaum möglich, alle Cameo-Auftritte mitzubekommen oder zu genießen. Da bekommen die Cameos schon so ein schlechtes Script, dass man doch wenigstens die Actionszenen mit ihnen genießen will, und selbst das vergönnt einem der Film nicht.
Dann ist da die große letzte Actionszene, in der Logan und Wade gegen unzählige Deadpool-Varianten kämpfen. Diese Szene ist immerhin richtig gut inszeniert worden. Sie macht Spaß, ist abwechslungsreich und lustig und wurde durch die Kamera gut eingefangen. Auch die Schnitte halten sich hier stark in Grenzen (andere reden hier von einem One-Shot, doch das trifft meiner Meinung nach nicht zu, denn es gibt Schnitte).
Im Großen und Ganzen war es das dann aber auch. Es gibt zwar noch einige kleinere Kampf-Szenen, doch die will ich hier nicht alle aufzählen.
Der Humor des Films ist nach wie vor Deadpool-typisch. Entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht. Fans des Humors kommen auch hier voll auf ihre Kosten. Bei mir hingegen haben gefühlt nur drei oder vier von zehn Gags gezündet. Vielleicht auch jeder zweite, das kann ich gar nicht mehr so genau sagen. Es kam jedenfalls oft vor, dass im Kino laut gelacht wurde, ohne dass ich mitgelacht habe. Aber immerhin konnte ich bei vielleicht jedem zweiten Gag dann doch mitlachen, und das sehe ich immerhin als positiv an. Es hätte schlimmer kommen können, so wie in „Deadpool 1“, bei dem ich fast gar nicht lachen kann. Aber auf jeden Fall sollte für jeden Humor-Typ etwas dabei sein, worüber gelacht werden kann.
Die Tonabmischung und Klagkulisse des Films ist solide, aber disneytypisch auch nichts, was man wirklich positiv hervorheben könnte.
Die Musik des Films war größtenteils gut und passte auch immer zu den Szenen. Hier kann ich nicht groß etwas kritisieren, aber an die Klasse des Soundtracks von „Thor 1“ kommt auch der bei weitem nicht heran.
Fazit
Die Handlung von „Deadpool & Wolverine“ ist sehr flach. Sie bringt das MCU um keinen Millimeter vorwärts, und der Film "rettet" auch keinesfalls das MCU (was meiner Meinung nach sowieso nicht gerettet werden muss, weil es mir auch in den Phasen 4 & 5 überwiegend gut gefallen hat). Der Film ist kurzweilig und unterhaltsam, bleibt jedoch auch nicht sonderlich lange im Gedächtnis, weil er auch nichts Tiefgründiges oder Relevantes zu erzählen hat. Die Charaktere, vor allem die Cameos, bleiben extrem flach, wodurch deren Auftritte nahezu inhaltslos verpuffen. Der Film fühlt sich ein wenig an wie „Avengers: Endgame“ und „No Way Home“, nur mit einer seichteren Handlung und einer viel geringeren emotionalen Tiefe. Auf vielen Ebenen wurde hier viel Potential verschenkt, auch wenn viele Zuschauer das anders empfinden als ich. Aus meiner Sicht wäre deutlich mehr möglich gewesen. An die inhaltliche Qualität der X-Men-Filme von Fox kommt „Deadpool & Wolverine“ bei weitem nicht heran. Und selbst Deadpool 2 empfinde ich ebenfalls als deutlich besser, weil der immerhin ein gutes Drehbuch hatte und eine gewisse Charaktertiefe und -entwicklung bot, wodurch der mich emotional auch mehr gepackt hat. Die größte Stärke von „Deadpool & Wolverine“ bleibt somit Hugh Jackman alias Logan alias Wolverine. Er spielt alle anderen an die Wand und degradiert auch Ryan Reynolds´ Wade Wilson / Deadpool zu einem unbedeutenden Charakter.
Bewertung: 6/10 Punkte
Wiederschauwert: Gering
Nachhaltiger Eindruck: Gering
Emotionale Tiefe: Gering


