Bewertung: 5 / 5
GODZILLA - MINUS ONE
Vorwort
Trailer zu Godzilla - Minus One
Bitte lest jedes einzelne Wort. Jedes. Einzelne. Wort. Nur so werdet ihr verstehen, warum ich als lebenslanger Fan hier diese Punktanzahl vergebe:
Gestern am 02.12.2023 sah ich GODZILLA - MINUS ONE nach großer Zitterpartie (im mehrfachen Sinne) endlich auf der großen Leinwand, aber bevor ich zu meinem Seherlebnis komme, muss ich ein paar Jahre zurück gehen.
Als SHIN GODZILLA (2016) im damaligen Folgejahr ebenfalls eine Event-Kino-Ausstrahlung erlebte, konnte ich den Film erst im Heimkino erleben. Der Grund waren berufliche und geographische Umstände, die mich damals hinderten, den 29. Live-Action-Film mit Godzilla auf der großen Leinwand zu sehen.
Für GODZILLA - MINUS ONE (2023) waren es jetzt wetter- und geographische Umstände, aber dem König der Kaiju sei es gedankt, dass es jetzt endlich anders war.
Mit einem guten Freund, der mich abholen und nach Hause bringen konnte, sah ich zum ersten Male einen japanischen Spielfilm im Kino und das es neue Adaptation von Godzilla war, macht diese Sache nun für mich unvergesslich!
Das hatte ich wirklich gebraucht. Balsam für meine Seele in dieser für mich doch etwas schwierigen Zeit. Darum auch meine mehrheitliche Abwesenheit für Kommentare hier auf Moviejones.de.
Das „plötzliche“ Winterwetter mit seinem Frost und Schnee hatten am Freitag, den 01.12.2023, typisch deutsch, den Schienenverkehr ersatzlos ausfallen lassen. Hätte ich den Film am Freitag, den 01.12.2023 gesehen, hätte ich nur die deutsche Synchronisation sehen können. Das wäre zwar in Ordnung gewesen, aber die Ausstrahlung vom 02.12.2023 bot mir meine persönliche Präferenz: Original mit Untertitel!
Die Ära Reiwa
Godzilla ist eine japanische Geschichte mit vielen Facetten, die bis heute nichts von ihren Themen und ihrer Faszination auch Seitens der Inszenierung eingebüßt hat. Es ist zeitlos und kann bei entsprechenden Interesse am Land Japan, seinen Menschen und deren Historie, Philosophie, Gedanken, etc. auch im Westen zu einem gewissen Grad nachvollzogen werden.
Nicht vollständig, denn selbst in Deutschland wird die Frage gestellt: was ist Deutschland, oder was ist Deutsch? Diese Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten. Ich habe meine eigenen Antworten, aber ich unterstelle keinem das ich die Wahrheit kenne.
Wahrheit ist subjektiv, genauso wie Wahrnehmung.
Nun kommen zur Ära Reiwa. In Japan werden nach Regierungsperioden bis zum heutigen Tage durchgeführt und die aktuelle ist die Reiwa. Godzilla und die gesamte Tokusatsu-Kultur verzeichnen das auch in unterschiedlicher Auslegung auch.
Die Reiwa-Ära ist deswegen auf Seiten der Japaner auch so spannend, weil jeder Filmemacher eine unteschiedliche Perspektive und Interpretation auf Godzilla und was ihn ausmacht einnahm, bzw. einnimmt.
Für mich war es dank des Internets und meines großen Interesses auch am Land Japan und was dazu gehört (wie oben erwähnt) konnte ich entweder im Vorfeld (oder Nachklang) mich ebenfalls mit den Filmemachern der Reiwa intensiver beschäftigen:
- Hideaki Anno & Shinji Higuchi:
SHIN GODZILLA (2016)
- Hiroyuki Seshita, Gen Urobuchi & Kobun Shizuno: GODZILLA Anime-Film Trilogie:
GODZILLA - PLANET DER MONSTER (2017)
GODZILLA - EINE STADT AM RANDE DER SCHLACHT (2018)
GODZILLA - ZERSTÖRER DER WELT (2018)
- Atsushi Takahashi & Toh Enjoe:
GODZILLA - SINGULAR POINT (2021)
- Takashi Yamazaki:
GODZILLA - MINUS ONE (2023)
Was aber heißt beschäftigen?
Ganz einfach:
- ich habe mir Interviews und Literatur von ihnen durchgelesen
- Worte anderer Leute gelesen, Übersetzungen aus dem japanischen erstellt
- mich mit Fans respektive Freunden (wenn möglich) über diese Personen und deren Werke unterhalten
- ich habe so viel wie möglich von deren Filmographien angesehen
Erwartungshaltung und Einordnung
Durch diese Prozedur lernte (lerne) ich diese Personen zumindest ein bisschen kennen. Privat bleiben sie mir natürlich überwiegend verschlossen. Aber ich konnte Gemeinsamkeiten erkennen und was sie als Filmemacher ausmacht.
Egal welche Aussage wozu, ich legte keinen Wert auf persönliche Meinung oder Einordnung im Vorfeld. Die reine Informationssichtung und Verarbeitung steht hier im Vordergrund.
Das aber löst zusätzlich ein ganz anderes Thema aus: spoilere ich mich damit nicht? Das ist zugegeben eine sehr interessante Frage, denn ich fühlte mich nie gespoilert. Ich. Ich kann aber nicht für andere sprechen und werde mich hüten hier Spoiler zu setzen.
Kurioserweise konnte ich durch die Einordnung die Godzilla-Titel noch besser verstehen, dies natürlich in Kombination mit dem allgemeinen Japan-Interesse.
Und was ist der Erwartungshaltung? Ist diese gestiegen? Auch hier: Nein. Ganz auf den Meeresboden sank diese aber nie. Einfach aus dem Grundvertrauen, was ich der japanischen Unterhaltungsindustrie entgegenbringe. Aber auch ich wurde doch, trotz aller Recherche, immer wieder angenehm überrascht!
Ihr wisst es ja vielleicht: meine Haltung zu Hollywood ist eine willentliche Entkoppelung. Auch wenn ich natürlich gewisse News und Kritiken als stiller Leser konsumiere, Hollywood scheint einfach seinen Sinn für Unterhaltungsindustrie mehrheitlich verloren zu haben.
Sicher, ich konsumiere hier jetzt die Haltungen und Eindrücke von anderen Menschen. Auch wenn ich dafür stehe die eigenen Erfahrungen an vorderster Front zu machen: die Beschreibungen wie, was und warum reichen mir, damit ich erkennen kann: das trifft nicht meine Kragenweite = Geschmack = Interesse.
Zugegeben, die Diskussionskultur bei Moviejones.de ist noch immer sehr human und lobenswert, aber das Thema ist zuweit führend, dass ich mich jetzt im Rahmen dieser Kritik dazu noch äußere.
Der Film
Darauf haben jetzt alle Leser dieses Kritik gewartet: wie habe ich den Film empfunden?
Ich habe meinen Augen nicht trauen können und dürfen, was ich sah! Es war ein wunderbarer Film, der mir die Tiefe japanischer Kultur und Geschichtenerzählung (mit Godzilla in diesem Fall) nochmalig verdeutlichte.
Der Film wechselt zwischen Action, Drama und Ruhe, ohne seine Identität zu verlieren. Jede einzelne Szene bewegte mich zutiefst.
Die musikalische Untermalung von Naoki Sato (Yamazakis Haus-und-Hof-Komponist zuzusagen), zusammen mit den neu arrangierten Stücken von Akira Ifukube ist Gänsehaut pur.
Wo ich gerade Ifukube erwähne, wie ist es mit den Referenzen, die uns der Film inhaltlich und visuell zeigt?
Es gibt hier Referenzen an folgende Filme, weil ja Yamazaki auch Fan ist:
GODZILLA (1954)
GODZILLA - DIE RÜCKKEHR DES MONSTERS (1984)
Godzilla VS. KING GHIDORAH (GODZILLA - DUELL DER MEGASAURIER) (1991)
GODZILLA VS. DESTROYAH (1995)
GODZILLLA (1998)
GODZILLA, MOTHRA, KING GHIDORAH - GIANT MONSTERS ALL-OUT ATTACK (2001)
SHIN GODZILLA (2016)
Aber Yamazaki referenziert hier auch sich selbst:
ETERNAL ZERO - FLIGHT OF NO RETURN (2013)
YAMATO - SCHLACHT UM JAPAN (2019)
Und, ja, selbst das MonsterVerse referenziert er: hier ist eben GODZILLA (2014) von Gareth Edwards.
Es kann sein, dass Yamazaki vielleicht einen Aspekt von GODZILLA VS. KONG (2021) ebenfalls integriert hat. Ich aber sehe hier eher eine Verwirklichung eines Konzeptes das für SHIN GODZILLA (2016) geplant war. Dieses Konzept wurde aber selbst für Hideaki Annos EVANGELION 2.22 - YOU CAN (NOT) ADVANCE (2009) erstellt und dort umgesetzt.
Die Charaktere
Wie bei jeden Film von Takashi Yamazaki finden wir hier menschliche Charaktere, die in ihrem sozialen Umfelt ihrer Kultur entsprechend versuchen mit dem Leben umzugehen. Yamazaki versteht es die japanische Melancholie sehr individuell einzufangen und ohne einen erhobenen Zeigefinger in Szene zu setzen.
Es gibt keinen Charaktere auf Seiten der Menschen, der nicht Verständnis oder Anteilnahme auslöst.
Godzilla hier, ist auch wunderbar tragisch. Er ist und bleibt der Star! Jeder Mensch, der nur ein wenig Empathie besitzt, wird verstehen, dass hier eine vollständige Tragödie erzählt wird. Und die Japaner wissen, wie sie ihre Geschichte am besten erzählen können. Hier gibt es keine Gewinner, nur Verlierer! Godzilla wie die menschlichen Charaktere!
Größe findet sich auch hier wieder im Scheitern eines Königs!
Zwischen Wandel und Tradition stehts auf dem unendlichen Weg der Facetten des Phänomens das wir „Leben“ nennen, wandeln Godzilla und wir Menschen, der unser Begleiter ist!
Schwächen (und potentielle Zerrissenheit)
Ich empfinde GODZILLA - MINUS ONE als eine wirklich, wirklich große und wirklich gelungene Bereicherung für das Franchise und auch außerhalb dessen.
Nun da aber, wie schlagen sich die beiden Headliner im Live-Action-Filmbereich: SHIN GODZILLA vs. GODZILLA - MINUS ONE?
Meine Position ist nachwievor: SHIN GODZILLA (2016) bleibt das Optimum unserer Gegenwart. Er ist der 1954er GODZILLA unserer Zeit und danach kommt GODZILLA - MINUS ONE (2023). Für mich. Mich!
Warum?
Beide Filme haben nun etwas ausgelöst, was es zuvor noch nicht gab: eine Adaptation des 1954er Originals in kurzer Zeit. Nacheinander. Zwei Filme und mit so unterschiedlichen Positionen und Zielen, wie es nur geht.
Sind sie das Gegenteil des anderen? Womöglich Viellleicht, aber für mich sind sie beide auch Godzilla durch und durch!
Was aber macht GODZILLA - MINUS ONE (2023) schwächer? Ja, wo sind seine Schwachpunkte? GODZILLA - MINUS ONE (2023) wie SHIN GODZILLA (2016) setzt auf einen komplett CGI-animierten Godzilla.
Toho hat im Zuge (ohne direkte Aussage) seine Beteiligung an der Tokusatsu-Kultur für abendfüllende Spielfilme mehr oder weniger beendet. Die Gründe bei SHIN GODZILLA (2016) kenne ich und verstehe es. Diese Information bei GODZILLA - MINUS ONE (2023) fehlt mir aber - bis jetzt! Das finde ich schade. Sehr schade, denn das ist nunmal ein Teil von Godzillas Identität.
Die Konfrontation mit dem MonsterVerse
Zunächst:
Das MonsterVerse ist eine US-amerikanische Wahrnehmung und Reflexion japanischer Inhalte. Allerdings eine beschränkte - bisher! Sicher das MonsterVerse hat seit seinem Beginn 2014 eine eigene Form von Identität bereits angenommen, aber zur Vollendung dessen braucht es noch Zeit. So sehe ich es.
GODZILLA - MINUS ONE (2023) wie SHIN GODZILLA (2016) besitzen nur einen Bruchteil dessen was Legendary ausgibt und die Qualität ist sichtbar. Eine bittere Ironie.
Mit GODZILLA X KONG - THE NEW EMPIRE (2024) wird nun auf westlicher Seite das kommende 70. Jubiläum Godzillas gefeiert werden.
GODZILLA - MINUS ONE (2023) tut das schon jetzt für Toho und damit die Fans der japanischen Reihe. Zuschauer haben erneut die Auswahl was und welcher Aspekt ihnen an Godzilla mehr gefällt. Vergleiche sind hier nur normal und somit wird der Diskussionsstoff auch hier nicht so schnell ausgehen!
Die technische Umsetzung
Technisch gesprochen sind die CGI Effekte aber (wenn sich jemand mit Yamazaki und den Studios Robot Communications und Shiroigumi auseinander setzt) auf einem so hohen Niveau, dass es beinahe unglaubwürdig ist.
Es gab Szenen, wo ich dachte: das ist eine Macquette, aber nein. Es ist wirklich CGI. Hollywood und seine Budgets wird Japan nie erreichen und das braucht Toho (in diesem Falle) auch nicht. Gerade hier zeigt sich, dass Budget kein Ausschlag für Qualität ist. Es ist die Geschichte und die Fähigkeit des Filmemachers diese umzusetzen.
Schlussworte
GODZILLA - MINUS ONE (2023) ist ein mehr als würdiges Stück Godzilla-Geschichte. Ein persönliches Epos von Takashi Yamazaki, dass den Pantheon des Tokusatsu und Japans Unterhaltungkultur eine neue Säule gesetzt hat.
Zeitlos und spannend, erfüllt Godzilla mich stets und diese Liebe, die nicht enden wird, hat erneut gezeigt: das ich weiterhin nur sagen kann und werde:
Danke!