
Bewertung: 3.5 / 5
Während ich also noch immer darauf warte, dass der beste Film aller Zeiten der jemals gedreht werden wird, endlich in der MJ DB auftaucht - und erzählt mir nix von Wochen, das sind jetzt schon Monate - und der Corona Virus das normale Leben lahm legt, denke ich so bei mir, wieso eigentlich nicht auch mal eine kontrovers diskutierte Serie besprechen? Gesagt getan: Mit Hunters sind wir in genau diesem Terrain!
Produziert von Jordan Peele, hochkarätig mit Al Pacino als leading Man in einer Mentoren-Rolle irgendwo zwischen Professor X und Magneto besetzt geht es in den 1970ern auf Nazi-Jagd. Yeah Baby, sounds like fun :-)
Trailer zu Hunters
Bevor wir ans Eingemachte und der Serie an sich gehen, erst einmal zu der Kontroverse um die Serie: Die Betreiber des Mahnmals in auschwitz haben moniert, dass ein grausames Element den Erzählungen und Berichten der Gräueltaten in Auschwitz hinzugedichtet worden sei, und dass durch diese erfundene Geschichte Holocaust-Leugner den ganzen Holocaust nun auch noch mit Unterfütterung leugnen könnten. Hierbei geht es um ein perfides Schachspiel, das so nie tatsächlich statt gefunden haben soll. Nun gut, kann sein, dass an den Argumenten der betreiber was dran ist, aber andererseits wer den Holocaust leugnet, braucht nicht noch ein Argument, es weiter zu leugnen. Und außerdem handelt es sich hier ganz klar um eine Geschichte, die einfach nur eine Geschichte ist, die sich ein bißchen an den wahren Ereignissen orientiert, von wegen künstlerischer Freiheit und so, und eben nicht um eine Dokumentation. Beispielsweise wird mit zig anderen Elementen ebenfalls gespielt: Wann und wo von Braun gestorben ist, wer der Colonel ist usw. Es mag sein, dass den Betreibern die genannte Geschichte geschmack- und pietätslos erscheint, aber hier geht es nicht um diese eine sondern um eine völlig andere Geschichte. Hinzu kommt beispielsweise, dass sich die Serienmacher sehr wohl deutlich mehr Gedanken gemacht zu haben scheinen als es anfänglich wirken mag. So sind beispielsweise die Nummern an den Armen der Überlebenden des Holocaust allesamt immer höher als die letzte bekannte Nummer, um ja keine tatsächliche überlebende Person irgendwie zu entehren.
Und damit sind wir schon beim wahren Problem der Serie: Sie weiss nicht genau, was sie sein will, ernsthaftes Period-Drama, groteske Horror-Mär oder eine Coming-of-Age eines jungen unterprivilegierten Hochbegabten. Und mit dem Vorhaben alle Zielgruppen zu bedienen setzt sich die Serie sehr häufig und zunehmend zwischen die Stühle.
Einerseits haben wir die zunächst grotesk anmutende Prämisse, dass Nazis die USA unterwandert haben, und eine Handvoll Juden Jagd auf sie machen, und das in einem 1970er Setting. Dann kommt das typische Blaxxploitation Element zum Tragen, dass ein gewisser Teil der Bevölkerung durch ein neuartiges Element eliminiert bzw. klein gehalten werden soll. Und schließlich wird munter die Popkultur zitiert, vor allem Comics.
(Kleiner Einschub am Rande: Wenn es etwas wie Akuratesse zu bemängeln gäbe, dann würde hier das Eingreifen nötig sein, denn es werden munter Verweise auf Frank Castle und Jean Grey geleistet, die auf dem papier vielleicht Sinn machen würden, aber chronolgisch tatsächlich noch zu früh für diese Periode sind. Der Punisher war zwar auch zu der Zeit gerade am populär werden, aber bei weitem charakterlich noch nicht so ausgereift wie es hier angedeutet wird. Und Jean Grey zwar schon Phoenix aber noch ein gutes Stück vom Dark im Namen entfernt! Aber auch hier, das ist Haarspalterei und tut der oben geforderten künsterlischen Freiheit keinen Abbruch!)
Das Grundproblem ist nunmal, dass wir es zunehmend mit einer Allegorie auf unsere heuteit zu tun haben, und der Ton der Serie dadurch einfach nicht zu abgedreht werden kann. Immer wieder wird die Handlung mit Metaebenen durchbrochen, die dem Zuschauer ein akutes "Das ist ja wirklich so!" entlocken sollen und daher eher ein Kloss im Hals bescheren sollen als ein wohliges "Ich fühle mich unterhalten!"
Es ist ja tatsächlich so, dass nach dem 2. Weltkrieg die USA viele Nazis abgeworben hat, um sich für den kalten Krieg zu wappnen. Und es ist wahrscheinlich auch tatsächlich so, dass es gewisse staatlich induzierten Massnahmen gab, das "Negerproblem klein zu halten". Auf diesen Elementen wird munter und teilweise wirr aufgebaut, um eine ganz eigene Geschichte zu erzählen, die zunehmend auch noch auf den Spuren von den Boys from Brazil wandert, inklusiver einem Cameo eines gewissen Simon Wiesenthal, und uns dann auch noch ein alternatives Szenario vorsetzt, wie die Gefängnisse zur Brutstätte rechten Gedankengutes werden konnten.
Das ist bisweilen bizarr und selten wirklich spannend, aber nie dumm oder aufgesetzt.
Hinzu kommt, dass Logan Lehrmann mit Bravour den Part des Protagonisten meistert und sich vor niemanden schauspielerisch zu verstecken braucht. Auch nicht vor Al Pacino, der hier irgendwie verbraucht, alt und fast schon unpassend wirkt. Hätte er nicht gerade im Irishman so geglänzt wie fast zu besten Tagen würde ich fast meinen, dass er es nicht mehr wirklich drauf hat.
Alles in allem ist Hunters eine ambitionierte Serie, die deutlich mehr zum heutigen Weltbild zu erzählen hat als die absurd anmutende Prämisse es zuerst erahnen liesse, aber der Weg dahin ist voller Tücken und Untiefen, die Balance gelingt nicht immer, und auch das Ende überzeugt nicht völlig, aber ist in seiner Konsequenz im eigenen Kosmos nur folgerichtig. Wenn eine zweite Staffel käme, wäre ich also - und sei es nur, weil es derzeit so wenige sehenswerte makabere Serien gibt - trotz aller Kritikpunkte dabei.
Ach ja, die Serie ist natürlich auch hochqualitativ produziert, weswegen es dann eben doch zu einer wohlwollenden Bewertung reicht.
7 Punkte
