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Oppenheimer

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Wenn ein Regisseur der Faszination der Macht verfällt

Oppenheimer Kritik

Oppenheimer Kritik
18 Kommentare - 05.12.2023 von MobyDick
In dieser Userkritik verrät euch MobyDick, wie gut "Oppenheimer" ist.
Oppenheimer

Bewertung: 1.5 / 5

Wer eine detailgetreue Auseinandersetzung der historischen Ereignisse des vorliegenden Filmes haben möchte, dem empfehle ich den wirklich lesenswerten Artikel, verzeihung die Rezension von PaulLeger. Ich werde hier eher von meinem moralischen Kompass her rührend den Film betrachten und auch eine Gesamtwürdigung der Nolan Brüder vornehmen.

Handwerklich ist Oppenheimner ein beeindruckender Film, der genau weiß, welche Knöpfe er drücken muss, um welche Emotionen zu erzeugen. Er ist minutiös und bravourös. Er ist sensationell eingefangen, er ist sensationel geschnitten, er ist sensationell gespielt und er ist einfach sensationell komponiert. Die Award Season wird ganz sicher nicht an diesem Film vorbei kommen. Kein darsteller ist vergeudet, JEDER einzelne bekommt seine Minuten Ruhm und selbst Rami Malek, von dem ich fast drei Stunden lang dachte: "Wieso hat der sich bereit erklärt, hier mitzumahcen, der hat ja noch nicht einmal eine Sprechrolle?!?" darf später noch glänzen. Christopher Nolan geht soweit, dass er alte Weggefährten, die mittlerweile in Ungnade gefallen sind, auch wieder mit ins Boot zu holen, erstens weil er irgendwie "loyal" ist, zweitens weil diese Darsteller abliefern und drittens, weil er es kann (hust, Casey Affleck, hust...).

Trailer zu Oppenheimer

Wenn ich also danach gehen würde, wie ich bei David Finchers Killer argumentiert habe, dann müsste dieser Film MINDESTENS 9 Punkte bekommen, aber sowas von.

Wer damit leben kann, der kann jetzt aufhören weiter zu lesen und zufrieden mit sich selbst sich auf die Schulter klopfen, die 9 Punkte für gegeben annehmen und sich hier von Dannen machen. Wer es etwas genauer wissen möchte und nichts gegen Ausschweifende Prosa hat: Welcome to the bloody mess called Mobys damaged brain :-D

So einfach ist es nämlich eben nicht: David Fincher bedient auch gewisse Gruppierungen, aber nicht weil er offensichtlich politisch motiviert ist oder seine Ansichten den leuten aufdrücken möchte, sondern erstens weil er seine Zielgruppe kennt und diese bedient. Und zweitens ist glaube ich ein tiefgreifender Pessimismus und Nihilismus nicht die Art von politischer Motivation, die ich für sonderlich gesellschaftlich bedenklich und leicht entflammbar halte. Nolan ist da politisch eine ganz andere Nummer, und zwar eine, die gelinde gesagt bei mir sehr häufig Magenschmerzen verursacht. ich gehe mal ein paar Schritte zurück.

Michael Caine ist ein begnadeter Schauspieler und zu recht eine lebende Legende. ich bin sogar richtig glücklich darüber, dass der Mann jahrelang sozusagen als Glücksbringer für Nolan in jedem seiner Filme eingesetzt wurde. Fakt ist, dass der Mann - ich denke, das ist hier in Deutschland nicht so ganz bekannt - in England bekannt dafür ist/war, dass er ein konservativer Wähler war (was man sogar als rechtskonservativ auslegen könnte) und daher in der liberlane britischen Künstlerszene eben ein nicht gern gesehener Mensch. Wenn die Briten Filme mit ihm drehten, war es nur aufs Professionelle beschränkt und man sprach nie mehr miteinander. Im Grunde genommen wurde Michael Caine teilweise als eine Art Aussätziger angesehen. Seine Fähigkeiten als Darsteller mal außen vor. Dass da also ein Nolan so einen Mann wie Caine also tatsächlich als sein maskottchen ansieht, kann man schon auch als eine Art Signalwirkung verstehen. Freilich muss man das nicht. Zumal Michael Caine eben nicht wirklich rechts war, sondern halt nicht so links wie die Künstlerelite des Landes. Und nur weil er eine typischer Arbeiterklassekind ist und so erzogen wurde, muss er ja nicht gleich ein Nazi sein. Der Mann ist seit 50 jahren namens Shakira verheiratet, lange bevor der Name modern war. Aber wie auch immer. Das war nur das Prelude...

Nolans Filme hatten immer schon einen gewissen Rechtsdrall und eine gewisse der Zweck heiligt die Mittel Attitude, was ja schon manchmal in Filmen gut kommt, aber nicht wenn das einem ständig untergejubelt wird. Irgendwann wird es problematisch. Klar, Actionfilme haben gewisse Law and Order Mechanismen zu bedienen, aber als guter Regisseur mit einem gewissen Ethos hinterfragt man dies dann entweder moralisch (aktuelles Beispiel Tarantino, der immerzu moralisch wird mittlerweile, sogar so sehr, dass es fast nicht mehr Spass macht), macht sich darüber genüßlich lustig (erinnert sich noch irgendjemand an einen uralten Regisseur namens Paul Verhoeven) oder lässt jegliche politische Konnotation am besten gänzlich weg. Oder aber man bedient diese vollumfänglich und drückt dem Publikum seine eigene Meinung quasi komplett auf. Das letztgenannte wird mindestens in Kriegszeiten oder in gewissen Regimen oder Kreisen Propaganda genannt. Ein revolutionärer Propagandafilm, der wirklich tricktechnisch Massstäbe setzte, war beispielsweise - ihr ahnt es - Die Geburt einer Nation von Griffith. Aber um fair zu sein, natürlich gab und gibt es auch linke Propaganda, ich sage nur Eisenstein.

Ich will jetzt nicht sagen, dass Nolan rechte Propaganda verbreitet, aber rechtslastig propagandastisch unterwegs ist und immer wieder den alten American Way in die Höhe hebt - ohne Rücksicht auf Verlust. Da ist ein himmelweiter Unterschied und das muss auch differenziert betrachtet werden. Bei ihm geht es immer um irgendwelche Männer, die zu Großem auserkoren sind und dafür alles opfern und dies dann natürlich so groß ist, dass es das wert ist. Ihnen wird immer die Absolution erteilt dafür, dass sie als Väter versagen, ja sie müssen als Väter versagen, damit sie als Machtmenschen funktionieren. Wenn Matthew McConaughey seine Kinder in Interstellar verlässt und dabei so extrem leidet, dann leidet jeder Zuschauer mit diesem Heuchler, der seinem Sohn nicht eine Träne hinterher heult, aber die ganze Zeit über seine Tochter vermisst. Und warum? Weil sie intelligent ist und er nur ein Bauer. Das heisst, auch die Liebe für die Kinder müssen sich die Kinder verdienen, indem sie so effizient wie der Vater sein sollen. Und in Oppenheimer gibt der Kerl seine Kinder in die Obhut einer befreundetetn Familie, weil er sich nicht um das Kind kümmern kann und seine Frau eine Säuferin ist. Sinngemäß ist die Antwort des Freundes: "Was du für Amerika machst ist wichtiger, du machst es also völlig richtig, weiter so!" Wir halten fest Punkt 1: Irgendwie verquere Familiensicht über Väter und Kinder

Wer Macht hat, hat bei Nolan auch immer recht, es wird nie in Frage gestellt, dass Oppenheimer das Richtige tut oder irgendwie recht hat mit seinen Ansichten. Er hat das Richtige getan als er die Bombe baute. Ich beziehe mich jetzt nur auf den Film und nicht auf die Fakten (wie gesagt, für Fakten, auf das Parallelreview rüber gehen). Er hat ständig seine Meinung geändert, er hat Leute verpfiffen, er hat Leute für seine Sache eingespannt, er hat in fremden Gefilden gefischt, er hat seine Geliebte den Wölfen zum Frass vorgeworfen, aber er wird immer als der moralische Kompass des Filmes dargestellt. Ein kompletter Machtmensch, der selbst laut Film nur die besten Leute zusammengeführt hat, wird als größtes Genie der Jetztzeit angepriesen. Später entwickelt er "leichte Gewissensbisse" und erfährt dadurch natürlich Absolution. das erinnert ein bißchen in dieser Ausprägung an 24 mit Jack Bauer, der zwar ständig rumfoltert, aber es ihm selbst eigentlich mehr weh tut, als den Leuten, die er waterboarded, und deshalb ist alles natürlich vergeben, vergessen und gerechtfertigt, damit also auch gut. Auch in diesen Punkt gehört zum beispiel der Fakt, dass das schon immer bei Nolan so war, so ist beispielsweise in Inception das Ziel einen unbescholtenen Mann komplett zu verändern, was auch gelingt, und dies dann asl kompletter Triumph verkauft wird, und zwar ohne eine sarkastische Unternote! Punkt 2: Heuchelei und falsche Moralvorstellungen werden dem Publikum als richtiug verkauft

Dann kommen wir zur falschen Gewichtung von prioritäten in so einem Film: Es geht um den vater der Atombombe. Ich brauche hierfür keine Bilder aus Japan, es geht mir nicht darum sensationsgeile oder möglichst grausame Bilder zu sehen. Man kann trotzdem thematisieren, was da passiert ist, man muss es sogar! Allein aus einem humanistischen Ansatz heraus! Aber wenn die zweite HÄLFTE (!) des Films darum geht, dass ein anderer Mann sich von Oppenheimer gekränkt sieht und dann ein Komplott gegen den Mann anzettelt, und das dann wie ein Krimi aufgebaut wird, dann läuft hier thematisch komplett alles aus dem Ruder. Da kann das Endresultat noch so geil sein, aber es ist ganz klar das Thema verfehlt. Ich möchte ja auch nicht sehen, wenn ich in Schindlers Liste gehe, wie ein Aufzughersteller stundenlang seine Klienten abtelefoniert. Das mag eine pietätslose Aussage sein, aber noch pietätsloser empfinde ich das herangehen dieses Filmes an dieses Thema, weil dann Oppenheimer auch noch zu einem Opfer und Märtyrer stilisiert wird. Punkt 3: Falsche Gewichtung der Wichtigkeiten.

In diesem Kontext kommt etwas hinzu, was heutzutage extrem modern ist: Falsche Tatsachen dabei zu schaffen. Ohne sich mit der Materie auseinander zu setzen, sieht ein Blinder mit dem Krückstock, was auch mit EIN Grund für die Nichtnominierung von Strauss im Endeffekt ist, und dafür muss nicht einmal der Name Kennedy fallen. Im Übrigen ist dieser Name mittlerweile in jeder halbwegs historisch belesenen Produktion auch nicht etwas, womit man positiv hausieren gehen müsste, aber sei es drum. Strauss ist nunmal Jude gewesen, und auch deswegen wurde ihm der Zutritt zum Club nicht gewährt. Dieser Umstand wird sogar von Nolan selbst quasi vorbereitet, und dann mit einer diffusen letzten Stunde komplett untergraben. Alles super gespielt, keine Frage, aber Punkt 4: Alternative Fakten

Dann kommt hinzu, dass Nolan es einfach nicht schafft einen Film ohne irgendwelche zeitlichen Tricksereien zu inszenieren, hier jetzt mit Rahmenhandlungen und Farbspielen, die zumindestens mindestens einmal tatsächlich nicht so passen, aber egal. das vermittelt eine Dringlichkeit und eine Spannung, was auch okay ist. Aber letztendlich ist es immer derselbe Trick. Punkt 5: Die Unfähigkeit des lienaren Erzählens.

Dabei wäre es so einfach gewesen die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der dem Rausch der eigenen Macht verfällt, Erfolg hat und danach Zeit seines Lebens zu Recht Gewissensbisse hat. DIESE Geschichte würde was hergeben, stattdessen wird als quasi Gegenpol der Mann etabliert, der die Wasserstoffbombe von Anfang an propagiert, dieser Umstand am Anfang nur niedergevotet wird, weil sie technisch nicht in der Lage sind, das damals schon umzusetzen, und nicht etwa, weil sie von Anfang an das nicht mit ihrem Gewissen vereinen können, nur um Oppenheimer als besseren Menschen dastehen zu lassen. Ehrlich, man muss einen Mann, der sowas erreicht hat, nicht zum helden stiliseren und trotzdem kann ein sehr guter Film daraus entstehen, der auch die Massen ins Kino lotst. man denke nur an die Brücke am Kwai: da ist ein in Kriegsgefangenschaft geratener Offizier, der zum Mittäter wird, als er etwas "Großes machen kann". An sowas hätte man sich orientieren können (Übrigens ein tatsächlich großer und kluger britischer Filmemacher, dieser Lean!)

Nein, Oppenheimer ist in seiner professionellen machart eine Augenschmaus und ein absolutes Ärgernis zugleich. ich habe mich nach Inception über Nolan aufgeregt, ich habe mich noch mehr bei Dunkirk aufgeregt, ich habe mich besonders bei Interstellar aufgeregt, aber nirgends war ich so fassungslos, verblüfft wie bei Oppenheimer. Das ist fast perfekt in seiner Inszenierung und bietet auf den ersten Blick kaum Angriffsfläche, aber dann sind die Furchen umso tiefer. Dieser Engländer iszeniert amerikanischer als die ganzen Trumpisten der Welt und rechtfertigt alles weg, was ihm nicht in den Kram passt, das ist schon irgendwie schmerzhaft.

Das muss man gesehen haben. Nein, ich meine das so, wie ich es schreibe, man muss es gesehen haben! Aber man sollte sich danach trotzdem mal ein paar Gedanken machen, ob das was man da gesehen hat, denn tatsächlich als guter Film qualifiziert?

Eine Quasi Krasse Aussage am Schluss reicht mir da nicht. Nein, der Film ist nicht schlecht, er ist verlogen, er ist brutal menschenverachtend, wenn es bei dem ganzen Thema letztendlich nur um einen Egozentriker und seine Einschlafprobleme geht, aber wer bin ich schon?

Der Film wird seine Preise einheimsen, einige tatsächlich zu Recht und als einer der besten Filme der letzten Jahre gefeiert werden. Na gut, das sind ja die Zeiten...

Also: 3 Punkte

Achja: Letztlich noch eine kleine Einwertung der Brüder Nolan, ich habe das gefühl, dass seitdem die Brüder getrennte Wege gehen, dass Chris die schlechteren Filme macht und ich bei Jonathan besser aufgehoben wäre, auch intellektuell.

Oppenheimer Bewertung
Bewertung des Films
310

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18 Kommentare
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MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
07.12.2023 19:09 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

Ich muss hier eine mögliche Antwort wahrscheinlich vertagen, bis ich am Dienstag aus dem Urlaub zurück bin.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
07.12.2023 09:55 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Erstmal vielen dank an die weiteren Hutgeber :-)

Erstmal noch einmal um es ganz deutlich zu machen, ich bin schon der Meinung, dass es sich um einen sehr gut gemachten Film handelt, ICH habe nur meine Probleme mit ihm. Um das nochmal zu verifizieren habe ich ihn mir auch noch direkt ein zweites Mal gegeben, und fand die Probleme diesmal sogar noch deutlicher hervortretend, wobei ich ihn aber auch emotionaler wahrgenommen habe, jetzt wo ich eben nicht mehr unbefangen und analytisch rangegangen bin. Insofern, jeder der den Film großartig findet, hat schon seine nachvollziehbaren Gründe, ganz sicher.

TiiN:

Doch doch, ich finde sehr viele Filme von dem Man mindetsens sehr gut bis exzellent, wie du schon ahntest, seine Batman Trilogie ist für mich nach wie vor trotz extrem vorhandener ähnlicher Probleme wie hier vor allem im zweiten Teil der Goldstandard - und vor allem der zweite Teil ist eben trotz aller Probleme, die er hat eben der Goldstandard schlechthin (Die Aussage, Batman wäre ein Faschist, findet ja immerhin erstmals kinotechnisch auch hier seine Widerspiegelung). Prestige ist der absolute Hammer, sein nordisches Krimi-Remake ist auch sehr stark, über Memento müssen wir gar nicht erst reden (wobei ich ehrlicherweise tatsächlich sagen muss, dass ich hier das Bollywood-Remake Ghajini - nicht das Tollywoodwerk gleichen Namens, obacht! - einen Ticken besser finde, da es dort tatsächlich dann doch noch diesen einen Silberstreif am Horizont gibt), Inception finde ich wie sehr oft erwähnt extrem fragwürdig (wie sehr viele seiner Werke), aber trotzdem als Werk selbst auch sehr gut. Und Tenet ist einfach optisch eine Wucht und eine Rückkehr zu seinen Wurzeln, insofern mag ich den auch sehr. Wo ich tatsächlich enorme Probleme habe, sind eben Interstellar, ein betont gefühlsduseliger, verlogener, manipulativer Film, der einfach für mich komplett an den Haaren herbeigezogene Schlüsse zieht, die komplett falschen Aussagen tätigt und eben sein Publikum bis zum Gehtnichtmehr manipuliert. Und Dunkirk geht für mich auch gar nicht, da er einerseits die Schrecken des krieges thematisieren möchte, dann aber draus ein Hohelied für Tapferkeit daraus macht und einen astreinen Pro-Kriegsfilm daraus macht, als befänden wir uns in Kriegszeiten und müssten noch Leute für den Kriegsdienst akquirieren.

Und nicht falsch verstehen, handwerklich, schauspielerisch etc ist den Filmen rein gar nichts vorzuwerfen, nur inhaltlich sind diese Filme für mich immer sehr fragwürdig, und bei manchen Filmen akzeptiere ich dann eben auch nicht diese tatsächlich vorhandenen Qualitäten dann mehr, sondern erfühle diese Filme eben für mich als nicht sonderlich gut bis schlecht. Mag sein, dass es jetzt mit Oppenheimer den falscheren der drei genannten Filme trifft, aber nachdem ich abnehmend ein Auge zudrücken konnte, war das jetzt eben der Film, wo ich diese Probleme eben für mich nicht mehr wegdrücken kann. Und noch ein letztes Mal: Objektiv gesehen halte ich Oppenheimer tatsächlich sogar besser als Interstellar und Dunkirk, und eben von seiner Themenvielfalt, welche er anschneidet auch sehr dicht an Dark Knight, welcher eben auch mit ähnlichen Problemen kämpft, aber trotzdem von mir immer noch die volle Punktzahl bekommen würde.

ich hoffe trotz der ganzen Widerprüchlichkeit ist das alles trotzdem irgendwie verständlich?

Dünyayi Kurtaran Adam
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PaulLeger : : Moviejones-Fan
06.12.2023 18:32 Uhr
0
Dabei seit: 26.10.19 | Posts: 2.355 | Reviews: 17 | Hüte: 263

@ MobyDick

Ha, ich hatte es in einer anderen Diskussion sogar mal erwähnt, dass es mich nicht wundern würde, wenn du so deine Probleme mit diesem Film haben würdest. Ein Ausgleich dafür, dass ich dir die Wokeness-Abschweifung nicht zugetraut habe^^

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TiiN : : Goldkerlchen 2019
06.12.2023 18:03 Uhr | Editiert am 06.12.2023 - 18:16 Uhr
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Dabei seit: 01.12.13 | Posts: 9.047 | Reviews: 173 | Hüte: 607

Ich habe bei den 9 von 10 Punkten aufgehört zu lesen. Freut mich, dass dir der Film so gefallen hat!
Spaß beiseite, ich habe natürlich deinen ganzen Text gelesen. Leider ist die Kinosichtung bei mir auch schon ein Weilchen her, sodass ich nicht mehr alles 100 % im Kopf habe. Aber mir gehts wie Jool und luhp92 und ich habe Oppenheimer im gesamten Film auch nicht als Held, heldenhaft oder der gleichen wahrgenommen.

Auf ein paar Aussagen mag ich kurz eingehen:

Er ist sensationell eingefangen, er ist sensationel geschnitten, er ist sensationell gespielt und er ist einfach sensationell komponiert.

Tatsächlich fand ich den Schnitt an 1-2 Stellen innerhalb einer Szene etwas zu wild.

Wenn Matthew McConaughey seine Kinder in Interstellar verlässt und dabei so extrem leidet, dann leidet jeder Zuschauer mit diesem Heuchler, der seinem Sohn nicht eine Träne hinterher heult, aber die ganze Zeit über seine Tochter vermisst. Und warum? Weil sie intelligent ist und er nur ein Bauer.

Seine Tochter beschimpft ihn, sein Sohn unterstützt seinen Aufbruch. Da sind die Tränen verständlich. Tatsächlich bricht Cooper in Tränen aus, als er sieht wie sein Sohn erwachsen wird und z.B. von seiner ersten Freundin erzählt. Die Bindung ist also schon da gewesen.
Trotzdem mag ich nicht leugnen, dass es zwischen beiden Kindern schon ein Ungleichgewicht gibt.

Dieser Engländer iszeniert amerikanischer als die ganzen Trumpisten der Welt und rechtfertigt alles weg, was ihm nicht in den Kram passt, das ist schon irgendwie schmerzhaft.

Tatsächlich ist dieser Engländer auch ein Amerikaner. Seine Eltern kommen aus den USA (Mutter) und UK (Vater) und ist in beiden Ländern groß geworden.

Letztlich noch eine kleine Einwertung der Brüder Nolan, ich habe das gefühl, dass seitdem die Brüder getrennte Wege gehen, dass Chris die schlechteren Filme macht und ich bei Jonathan besser aufgehoben wäre, auch intellektuell.

Gibt es Filme von ihm, welche dir einigermaßen gefallen? Prestige, Memento, evtl. ein Batman?

Ich werde mir Oppenheimer diese oder nächste Woche ein zweites Mal anschauen und einige deiner Punkte auf jeden Fall im Hinterkopf haben. Spannende Betrachtung von dir.


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ProfessorX : : Moviejones-Fan
06.12.2023 17:43 Uhr
0
Dabei seit: 17.05.14 | Posts: 943 | Reviews: 1.055 | Hüte: 43

@Duck-Anch-Amun

Die Wucht liegt darin, daß Oppenheimer - vermutlich wie kaum ein anderer Film zum zweiten Weltkrieg - einen grandiosen Bezug zur Gegenwart schafft. All diese Diskurse, Ängste und das Verhalten der Gesellschaft, spiegeln unsere gegenwärtige Realität. Etwas, was in diesem "sub-Genre", sofern man den Film überhaupt auf ein einfaches Genre festnageln kann, beispiellos ist.

Es geht um politische Spielreiehn, Macht, Vernatwortung vor der Gesellschaft, notegdrungene Maßnahmen, Faknews gepaart mit brilliantem Schauspiel, ungalublichen Übergängen und so weiter und so fort. Klar, daß zu erklären dauerte auch wieder ewig, deshalb lass ich es jetzt. Aber ja, Oppenheimer ist mit deutlichem Abstand der beste Nolan, einer der brisantesten Filme dieses Jahrzehnts - da kann man sich jetzt schon sicher sein. Und als reiner Film atembraubend gespielt und inszeniert.

Es ist ein Meisterwerk, definitiv.

Consider that a divorce!

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Jool : : Odins Sohn
06.12.2023 10:43 Uhr
0
Dabei seit: 20.02.13 | Posts: 949 | Reviews: 0 | Hüte: 75

@MobyDick: Allerdings ist der Film auch nicht wirklich hilfreich die These Nolans, Oppenheimer wäre auch nur ansatzweise die wichtigste Person des Jahrhunderts gewesen zu unterfüttern: Oppenheimer ist nur Erfüllungsgehilfe der Regierung, und wenn er es nicht gewesen wäre, hätten sie jemand anderen gefunden, der die Bombe für sie baut.

Tatsächlich sagt Nolan das in dem Interview auch ziemlich ähnlich. Hab jetzt nochmal nachgelesen, daher hier der entsprechende Auszug:

I think it’s very easy to make the case for Oppenheimer as the most important person who ever lived, because he is the person who facilitated and achieved atomic weapons and indeed the hydrogen bomb, because he let Teller work on it. So he is the individual who was able to marshal the forces effectively.

Is there a parallel universe in which it wasn’t him, but it was somebody else and that would’ve happened? Quite possibly. That’s the argument for diminishing his importance in history. But that’s an assumption that history is made simply by movements of society and not by individuals. It’s a very philosophical debate.

Apparently within about 15 minutes of hearing that the atom had been split, he was suggesting that you could make a bomb in a chain reaction. But I think a lot of scientists had that same, “Oh, this could be a bomb.”

His story is central to the way in which we live now and the way we are going to live forever. It absolutely changed the world in a way that no one else has changed the world. You talk about the advent of the printing press or something. He gave the world the power to destroy itself. No one has done that before.

Also ja, wie du sagst, hätte es auch ein beliebiger anderer sein können. Und Oppenheimer war wie im Film gezeigt nicht der beste/schlauste Wissenschaftler, aber meiner Meinung nach bringt Nolan genau das gut auf den Punkt - durch sein manisches Antreiben der wirklich schlauen Köpfe, ist es zum Bombenbau und -abwurf gekommen. Somit ist im Endeffekt eben doch Oppenheimer hauptverantwortlich, auch wenn sich an der Geschichte selbst vielleicht nichts geändert hätte, wäre ein anderer Wissenschaftler, Offizier oder Politiker in seiner Position gewesen.

@luph92: Sicher hat der Film nicht den Anspruch auf 100% historische Korrektheit, da bin ich ganz bei dir. Aber ich verstehe den Einwand von Moby, dass man aufpassen muss, nicht ein falsches Bild zu vermitteln.

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MobyDick : : Moviejones-Fan
05.12.2023 19:53 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

luhp92

Ich finde da machst du es sowohl dem Film als auch dir zu einfach. Oppenheimer stand zu keinem Zeitpunkt im Film zur Disposition, egal wie seine Ideologie war, egal in welchen Zeiten. Erst als dieser lächerliche Racheplot in Gang kommt, steht er auf der Abschußliste. Und dann wird das ganze so aufgerollt, dass Strauss letztlich über Oppenheimer stolpert? Mit einem Ehrenreich, der stellvertretend für das Publikum mal entsetzt schauen, mal Genugtuung erfahren darf? Das unterläuft tatsächlich sogar ein Stück weit die Dringlichkeit und die Gefahr, in der man in der McCarty Ära sich ratzfatz befunden hat.

Der Film geht sogar soweit anzudeuten, dass um Oppenheimer vor einer möglichen Kompromitierung zu schützen, man sogar einen Mord begangen haben könnte. Da ist der Film schon sehr deutlich, dass manchmal der eine oder andere höher bewertet wird und eben immun gegen eine Hexenjagd sein könnte. Was also für mich schon ein Stück Heldenverehrung ist.

Auf der anderen Seite wird sogar das Antisemitismus Thema mit eingebunden, als es darum geht, warum die USA in dem Wettlauf einen Vorteil haben könnten, aber dann im entscheidenden Moment des Racheplots komplett außen vor gelassen und nur auf das Oppenheimer reduziert? Wie gesagt, da passt für mich einiges nicht zusammen.

Und auch wie gesagt, ich möchte den Film niemandem madig machen, ich schreibe ja selbst, dass er hervorragend inszeniert ist usw., nur mir stiess so einiges sauer auf.

Die Argumente von Jool halte ich tatsächlich für greufabarer, aber dann sehe ich Nolan tatsächlich sogar noch unvermögender, da er einen - für mich - komplett anderen Film gedreht hat als es seine Intuition war.

Desweiteren muss ich auch sagen, dass diese ganze Anhörungssache einfach der falsche Rahmen für den Film ist, der er bis dahin war, denn für ein Drama über die McCarty Ära ist der Film einfach nicht in der richtigen Situation, da Oppenheimer tatsächlich nur seine Freigabe verliert und sonst eigentlich nichts, im Gegensatz zu vielen anderen, die in dieser Zeit einer tatsächlichen Hexenjagd ausgeliefert waren und wirklich alles verloren haben, und da gibt es zig Filme, die das auch besser, aufwühlender und authentischer auf den Punkt bringen konnten.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
05.12.2023 19:30 Uhr | Editiert am 05.12.2023 - 19:34 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@Jool
Ich denke, man muss sich ohnehin von dem Gedanken verabschieden, dass "Oppenheimer" den Anspruch hat, ein historisch genaues Bild Oppenheimers zu zeichnen. Ich habe ihn mehr als Symbolfigur für die neue Zeitenwende durch Atomkraft und Atomwaffen verstanden.

@MobyDick
Sowohl der Verhör- als auch der Strauss-Handlungsstrang dienen finde ich schon gut dem Ansinnen, um in Bezug auf die Atomwaffen in die Zeit, den politischen Wandel und die ideologische Verschärfung nach dem Zweiten Weltkrieg einzuleiten. Die nächsten 45 Jahre sollten schließlich davon bestimmt werden. Den Strauss-Handlungsstrang hätte man allerdings stark kürzen können, das stimmt.

Der Verhör- und der Strauss-Handlungsstrang rechtfertigen nicht Oppenheimers Taten während des Manhattan-Projektes und Zweiten Weltkrieges, sie rechtfertigen den Wandel hin zum kritischen Blick auf die Produktion und Weiterentwicklung von Atomwaffen unter Einfluss ideologischer und nationalistischer Motive.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
05.12.2023 19:09 Uhr
0
Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

Jool

Das sind allerhand interessante Aspekte, die den Film zumindest in einen anderen Hintergrund verpacken. Allerdings ist der Film auch nicht wirklich hilfreich die These Nolans, Oppenheimer wäre auch nur ansatzweise die wichtigste Person des Jahrhunderts gewesen zu unterfüttern: Oppenheimer ist nur Erfüllungsgehilfe der Regierung, und wenn er es nicht gewesen wäre, hätten sie jemand anderen gefunden, der die Bombe für sie baut. Zudem ist er auch gar nicht wirklich der Fitteste, auch wenn es immer wieder behauptet wird, zeigt der Film immer wieder seine Unzulänglichkeiten, sei es, dass er zu lange nur theoretisch unterwegs und es für unmöglich hält, bis ihm ein Experiment das Gegenteil beweist. Später hat dieser andere Physiker die Idee der H-Bombe, und sie sind alle zu dem Zeitpunkt offen für die Idee, verwerfen diese aber nur, weil sie es momentan für unmöglich halten. Und er ist gar nicht tatsächlich derjenige, der die Bombe irgendwie baut, er ist nur der Überwacher, dass alles in geordneten Bahnen verläuft und funktioniert. Später erteilt ihm sogar der Präsident Absolution, mit einer gar biblischen Geste. All das passt da nicht in dieses Bild, das Nolan anscheinend vermitteln möchte, womit ich aber irgendwie wieder bei seinen erzählerischen Unzulänglichkeiten wäre.

Das alles rückt meine Wahrnehmung allerdings dann natürlich in ein noch subjektiveres Bild, womit ich aber ganz gut leben kann, denn solch ein Film kann ja jeder anders wahrnehmen :-)

Dünyayi Kurtaran Adam
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Jool : : Odins Sohn
05.12.2023 15:41 Uhr | Editiert am 05.12.2023 - 15:45 Uhr
0
Dabei seit: 20.02.13 | Posts: 949 | Reviews: 0 | Hüte: 75

@Mobydick: Ich verstehe komplett was du meinst. Und deine Ansicht wird je mehr ich darüber nachdenke auch durch einige Szenen mehr als gestützt. Da hätte man seine Rolle sicher etwas weniger beschönigen können - gerade da er in der Realität scheinbar relativ wenig Reue gezeigt hat.

Allerdings denke ich nicht, dass Nolan ihn (oder Amerika) glorifizieren möchte. Gibt dazu ein Interview, ich glaube in de NY Times, in dem Nolan nach seiner Aussage gefragt wird, Oppenheimer sei "die wichtigste Person, die je gelebt hat". Darin erläutert Nolan seine Gedanken - Oppenheimer sei deswegen die wichtigste Person, weil er der Mann ist, der für die Zerstörung des Planeten verantwortlich sein könnte. Der quasi sofort nach der ersten Kernspaltung an Waffen gedacht hat, für Atomwaffen und im Endeffekt auch die Wasserstoffbombe mitverantwortlich ist. Also der Menschheit mehr oder weniger den Knopf geliefert hat, den man nur mehr drücken muss, um alles zu beenden.

Nolan sagt auch, dass einige Ansichten von Oppenheimer komplett naiv sind und er einfach eine kontroverse Person ist.. Müsste das aber alles nochmal genau nachlesen. Auf jeden Fall denke ich nicht, dass er persönlich ihn als Helden sieht. Nur als jemand, der (wenn auch nicht gerade positiv behaftet) eine sehr wichtige Person in der Geschichte ist.

Aber du hast natürlich recht, durch den Spagat zwischen Historizität und Spielfilm wird der eine oder andere Aspekt sicher in ein falsches Licht gerückt.

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MobyDick : : Moviejones-Fan
05.12.2023 14:29 Uhr
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Dabei seit: 29.10.13 | Posts: 7.688 | Reviews: 254 | Hüte: 620

luhp92

Das würde ich tatsächlich auch durchgehen lassen, wenn da nicht die komplette zweite Hälfte des Films damit beschäftigt wäre, ihn als Opfer und Märtyrer zu stilisieren, der den Mächtigen in die Quere kommt und zermalmt werden muss. Dadurch bekommt der Film eben die eine Ebene, die ihn rechtfertigt und den Film komplett in eine Richtung bugsiert, wo er eigentlich nicht hingehört. Und das ist meines Erachtens eine bewusste Entscheidung seitens Nolan, diesen Mann, eben doch zu glorifizieren.

Dünyayi Kurtaran Adam
MJ-Pat
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luhp92 : : BOTman Begins
05.12.2023 13:39 Uhr
0
Dabei seit: 16.11.11 | Posts: 17.398 | Reviews: 180 | Hüte: 635

@MobyDick

Ich würde das wie Jool sehen, man muss hier schon weit gehen, um Robert Oppenheimer im Film als sympathisch, heldenhaft und moralisch integer anzusehen. Er handelt doch durchgehend manisch und dominant, die Macht an sich reißend, alles ihm und dem Ziel unterordnend. Bürgermeister, Sheriff und Priester des Glaubens an die Atombombe zugleich. Für mich hatte Robert Oppenheimer hier schon viel von Daniel Plainview aus "There Will Be Blood".

Schnitt und Musik arbeiteten auch ständig gegen Robert Oppenheimer bzw. allgemein gegen die Mitglieder des Manhattan Projektes, durchkreuzen die behauptete Heldengeschichte.

Der Film rechtfertigt die Atombombenabwürfe auf Japan auch nicht, die Notwendigkeit bzw. der die Mittel heiligende Zweck wird sehr wohl hinterfragt. Und insbesondere die Mittel, also die Atomwaffen, werden im Film zu keiner Sekunde geheiligt. Sehr wohl spricht natürlich eine naturwissenschaftliche Fasination für die Atomkraft aus dem Film heraus.

"Dabei wäre es so einfach gewesen die Geschichte eines Mannes zu erzählen, der dem Rausch der eigenen Macht verfällt, Erfolg hat und danach Zeit seines Lebens zu Recht Gewissensbisse hat."

Das ist doch genau die Geschichte des Films^^ Die Gewissensbisse führen mitunter ja dazu, dass Oppenheimer u.A. gegen das Wasserstoffbomben-Projekt vorgeht. Am Ende befindet sich Oppenheimer nur eben in einer Position, in der sich das Projekt US-Atomwaffen in der Gesellschaft, der Politik und dem Militär verselbstständigt hat, auch weil ein komplett neues politisches Klima herrscht.

Die Dissonanz bzw. Verselbstständigung sieht man allein ja schon eindrucksvoll in der Plenarsaal-Szene, in der sich das Publikum zum faschistoiden Hochgefühl aufpeitscht, während Oppenheimer nicht mehr der Führer ist, sondern nur noch den Führer spielt.

"Dit is einfach kleinlich, weeste? Kleinjeld macht kleinlich, Alter. Dieset Rechnen und Feilschen und Anjebote lesen, Flaschenpfand, weeste? Dit schlägt dir einfach auf de Seele."

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MobyDick : : Moviejones-Fan
05.12.2023 13:28 Uhr
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Jool

Dann sind wir ja in der Wahrnehmung ja gar nicht so weit auseinander, das freut mich. Wie ich ja auch schon sagte, Nolan zeigt diese gewissen Punkte ja, aber für mein Empfinden relativiert er die ganzen negativen Aspekte ja immer wieder, um den Mann trotzdem auf ein Podest zu erheben: "Ja, er ist ein Arsch, aber es gibt größere Ärsche. Ja, er tut dies und forciert es, aber nur um langfristig Menschenleben zu retten. Ja, er wollte seinen Prof. vergiften, tut es aber nicht, und dann holt er sich ja psychiatrische Hilfe usw..."

Dünyayi Kurtaran Adam
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Jool : : Odins Sohn
05.12.2023 11:07 Uhr
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@MobyDick:

Für mich stellt es sich etwas anders dar: Er gibt tatsächlich Tipps, aber zu dem zeitpunkt hat er schon einen inneren Wandel durchlebt und versucht diese Tipps zu geben, um den Schaden zu minimieren.

Hm, das kann ich leider nicht mehr so genau sagen.. Dazu müsste ich den Film nochmal sehen, um das zeitlich besser einordnen zu können.

Ich frage mal so: Ob es unbedingt richtiger gewesen wäre, wenn die Bomben in Deutschland abgeworfen worden wären? Wäre Oppenheimer dann ein besserer Mensch gewesen? Menschenleben sind Menschenleben, ich denke nicht, dass man sowas irgendwie rechtfertigen kann, erst recht nicht mit der Zweck heiligt die Mittel...

Nein, hätte natürlich überhaupt nichts geändert. Mir ging es eigentlich genau darum, dass seine ganze Motivation sowieso nur ein Vorwand war. Dachte das "ach so noble" in meinem Satz hätte das zum Ausdruck gebracht smile Dass er den Abwurf dann aber trotzdem noch forciert hat, obwohl sein ursprüngliches (offizielles) Ziel ja eigentlich schon erreicht war, wirkt für mich dann doch so, als würde es ihm um nur Selbstverwirklichung/Ego/Ruhm oder was auch immer gehen.

Wie es um seine Moral bestellt ist, zeigt Nolan ja auch schon relativ früh -> vergifteter Apfel. Und das zieht sich mMn doch irgendwie durch den ganzen Film hindurch.. also zwischenmenschlich und moralisch hat er einen an der Waffel, er selbst ist nicht das große Genie, das er gerne wäre, will sich aber in Fachkreisen unsterblich machen und ordnet diesem Ziel einfach alles unter - das wäre so mein Fazit von seinem (Film-)Charakter.

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MobyDick : : Moviejones-Fan
05.12.2023 10:33 Uhr
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Jool, Duck:

Vielen Dank für die Hüte und eure Kommentare :-)

Ich nehme jetzt nicht für mich in Anspruch, dass ich es richtig wahrnehme und andere es falsch sehen, ist nur meine Interpretation.

Ja, er tut einige Sachen, die nicht in Ordnung sind, und das wird auch im Film gezeigt, aber für mich stellt es Nolan so dar, dass das ok ist, da er nunmal ein großer Mann ist und daher kann dieser Mann amnestiert werden.

De eine Szne, die Jool beschreibt beispielsweise, nehme ich im Film anders wahr:

auf der anderen Seite gibt er Tipps, wie/wo die Bombe explodieren muss, damit so viele Menschen wie möglich erwischt werden. Für mich nicht unbedingt ein Mann, den Nolan als Helden zeigen möchte. Und wenn ich mich richtig erinnere, war es im Film auch Oppenheimer selbst, der den Abwurf der Bombe vorantreibt?

Für mich stellt es sich etwas anders dar: Er gibt tatsächlich Tipps, aber zu dem zeitpunkt hat er schon einen inneren Wandel durchlebt und versucht diese Tipps zu geben, um den Schaden zu minimieren. Er treibt zudem den Abwurf zwar voran, aber nur, weil er weiss, dass die Katze aus dem Sack ist und er aber in seiner Position versuchen will, seine Einflüsse geltend machen will, um den anrichtbaren Schaden zu minimieren und ein Wettrüsten zu vermeiden.

Für mich macht es Nolan hier sehr geschickt, indem er uns die "Fakten" nicht vor enthält, aber sie immer für seine Argumentation entweder inszenatorisch anders gewichtet oder die Bilder anders wirken lässt als es tatsächlich der Fall war. Eine gewisse Ambiguität behält er bei, klar, du kannst so einen Mann nicht durchweg als Guten darstellen, aber indem er ihm dann drei Bösewichter entgegen setzt, die allesamt auf ihre Art wirklich böser wirken, macht er Oppenheimer hier zum tragischen Helden der Geschichte, der im rahmen immer nur versucht hat, das Richtige zu tun.

Ich frage mal so: Ob es unbedingt richtiger gewesen wäre, wenn die Bomben in Deutschland abgeworfen worden wären? Wäre Oppenheimer dann ein besserer Mensch gewesen? Menschenleben sind Menschenleben, ich denke nicht, dass man sowas irgendwie rechtfertigen kann, erst recht nicht mit der Zweck heiligt die Mittel...

Dünyayi Kurtaran Adam
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