Bewertung: 4 / 5
Das war er nun also - Indiana Jones and the Dial of Destiny - das große Finale einer legendären Filmreihe. Zumindest wenn man den aktuellen Aussagen von Disney/Lucasfilm glauben darf. Sicher, über kurz oder lang wird das Jucken in der Brieftasche immer größer werden, weil die Marke immer noch als zugkräftig angesehen wird und man wird sich vermutlich damit anfreunden müssen, dass Indy in irgendeiner Form zurückkehrt. Aber bis auf Weiteres stehen wir hier vor dem letzten Film der Reihe, der seinen Helden in den verdienten Ruhestand schickt. Ob das gelingt, oder ob Indy hier unwürdig ins Altenheim gesteckt wird? Mehr dazu im Folgenden.
Trailer zu Indiana Jones und das Rad des Schicksals
Inhalt:
Indiana Jones (Harrison Ford) ist gemeinsam mit Archäologen-Kollege Basil Shaw (Toby Jones) 1944 auf einer Mission in Europa, um den Nazis geschichtliche Artefakte von unschätzbarem Wert zu entreißen. Dabei stoßen die beiden auf Nazi-Wissenschaftler Jürgen Voller (Mads Mikkelsen), welcher im Auftrag Colonel Webers (Thomas Kretschmann) für Hitler kriegsentscheidende Reliquien beschaffen soll. Während dieser Konfrontation entdecken sie, dass Voller eine Hälfte einer Legendären Apparatur besitzt, die als Antikythera bekannt ist, der mystische Kräfte zugeschrieben werden und stehlen diese. Als viele Jahre später unvermittelt Shaws Tochter Helena (Phoebe Waller-Bridge) vor Indy steht und nach der Apparatur fragt, beginnt für die beiden ein Wettlauf gegen die Zeit...
Kritik:
Dass der Film mit einer Sequenz im Jahr 1944 beginnt, in der Harrison Ford digital verjüngt wurde und uns noch einmal zurück in die Zeit versetzt, in der die originale Trilogie spielt, ist vielen im Vorfeld sicherlich bekannt gewesen, wurde es doch in den Trailern mehr als einmal gezeigt. Dieser Kniff verleiht dem Film, im Gegensatz zu seinen drei Vorgängern, dann auch einen Prolog, der als Setup für die weitere Geschichte dient - ähnlich wie in Teil 4, in dem auch ganz zu Beginn die Story um den Kristallschädel aufgezogen wird.
Mir gefiel der Ansatz der originalen Trilogie immer - zu zeigen, dass Indy auch abseits des aktuellen "Story-Abenteuers" verschiedene Episoden erlebt, die nicht zwingend damit zusammenhängen. Die Suche nach der Relique in Raiders mit ihrer, heute nicht mehr aus der Popkultur wegzudenken, Sequenz mit dem rollenden Felsen oder auch die Szene im Club in Shanghai aus Temple of Doom - derlei Openings erschaffen im Kopf stets das Bild, dass Indy weit mehr Abenteuer erlebt hat, als die wenigen, derer wir in den Filmen Zeuge werden durften. Und trotzdem ergibt die Wahl der Filmemacher, allen voran Regisseur James Mangolds, hier direkt mit der eigentlichen Geschichte zu starten, absolut Sinn, schafft sie doch eine emotionale Verbindung zum vorliegenden Abenteuer, welches ich - 5 Euro ins Phrasenschwein - als Indys wohl persönlichstes beschreiben würde.
Indy ist zu Beginn nicht mehr der Alte, wohl aber sehr viel älter geworden. In Unterwäsche (Man darf hoffen, dass man als 80-Jähriger noch so eine Physis aufweist...) auf einem Sessel in seiner Wohnung in New York dösend weckt ihn laute Musik aus einer Nachbarwohnung und in bester "grumpy Old Man"-Manier stiefelt er mit Baseballschläger bewaffnet den Hausflur hinab, um erzürnd damit wedelnd seinem Verlangen Ausdruck zu verleihen, dass die verdammten jungen Leute die Musik doch leiser drehen sollen. Er wirkt verbittert, er ist allein und auch in seinem Job ist er weit weg von all dem, was früher einmal war, als seine Schüler schwärmend an seinen Lippen hingen. Doch als dann seine Vergangenheit in Form von Patentochter Helena wieder in sein Leben tritt, nimmt es wieder fahrt auf.
Zunächst zögernd und im abgetragenen Anzug, schnell dann aber zurück im ikonischen Dress mit Fedora-Hut und Peitsche, begibt sich Henry Jones Jr. hinaus in diese Welt, die ihm fremd geworden ist und hinein in ein Abenteuer, das den Lauf der Geschichte entscheidend beeinflussen könnte. Waller-Bridges Helena bleibt dabei stets die profitgeleitere Zynikerin, die als "moderner" Gegenpol zu Idealist Indy fungiert und deren unterschiedliche Wertevorstellungen mehr als einmal kollidieren. Zugleich verbindet die beiden jedoch eine Aura aus Verlust - Indy lebt ein sehr einsames Leben, als wir ihn 1969 wiedertreffen und Helena hat vor Jahren ihren Vater verloren und macht ihrem Patenonkel Vorwürfe, nie für sie da gewesen zu sein.
Hier werden manche Ideen von Indy dekonstruiert, die vor allem die ersten drei Filme zementiert hatten - Lebemann Indiana Jones, der Frauenheld, der nie lange an einem Ort verweilt und sich emotional nur ungern bindet - das holt ihn nun ein. Denn auch wenn Indy am Ende von Teil 4 angekommen schien - der emotional unzugängliche und über die Jahre verbittert gewordene Mann braucht eine ganze Weile, bis er sich seiner Patentochter öffnen kann. Damit beschert er uns aber auch eine der mit Abstand stärksten Szenen im Film, die zugleich dessen Ende andeuten darf. Hier kann Mangold, gemeinsam mit dem superben Ford und seinem Team, den Kern der Figur herausbringen - den guten Mann mit den hehren Idealen, der lernen muss Nähe zuzulassen und aus seinem, klassisch maskulinen, Mindset, dass er alles mit sich selbst ausmachen und nach außen immer Coolness und Unnahbarkeit austrahlen muss, auszubrechen versucht.
Und das weiß zu gefallen. Denn zwischen all den schönen Verfolgungsjagden, sei es durch New York zu Pferde oder in einer Motor-Riksha durch die engen Gassen von Tanger (Marokko) und den erwartbaren Setpieces in alten Ruinen, düsteren Krypten und zwielichtigen Hinterzimmern, kann hier mehr mit der Figur erreicht werden als in den vier Filmen davor. Ob es einen Indy-Film gebraucht hat, in dem aus der Legende ein Mensch gemacht wird, der in seiner Fehlbarkeit trotzdem noch Wert hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich denke, grade im Hinblick auf das Alter Fords in diesem letzten großen Hurra, war es der richige Schritt für die Geschichte.
Einen weiteren Abenteuerfilm voller Schießereien und Verfolgungsjagden, einen wilden Ritt durch die Welt, haben wir ja trotzdem bekommen - dieses Mal eben nur mit ein wenig mehr emotionaler Basis, die mich als Zuschauer die Wehmut um diesen Abschied weit besser spüren lässt. Ob der Film dabei eventuell ein paar Minuten zu lang geraten ist (wie ich an verschiedenen Stellen lesen durfte), darüber lässt sich freilich debattieren. Für mich fühlte sich die Laufzeit rund und gerechtfertigt an und auch die Gastauftritte von John Rhys-Davies, Thomas Kretschmann (wie oft will der wohl noch als harter Nazi-Offizier gecastet werden in seiner Karriere?) oder Antonio Banderas wirkten nie deplaziert, sondern sorgten für ein breites Grinsen meinerseits.
Und dieses Grinsen kam natürlich insbesondere bei der Musik von John Williams auf - ob er nun zu Anfang in der 1944-Sequenz das klassische Nazi-Thema aus Last Crusade aufgreift und es verspielt in neue Richtungen klingen lässt oder er seinen augenzwinkernd-leichtfüßigen Klangteppich unter die Verfolgungsjagden legt - die Musik eleviert jeden einzelnen Moment. Spätestens wenn das erste mal das Raiders-Theme erschallt hat mich der Film dann und ich bin wieder 10 und sitze mitfiebernd vor dem Fernseher im Wohnzimmer meiner Eltern, während ich VHS-Aufnahmen der Original-Trilogie anschaue.
Dass der Film den einen oder anderen Moment mitbringt, über den Online garantiert wieder debatiert und gezetert werden wird, will ich nicht verhehlen. Insbesondere gegen Ende läuft die Geschichte stellenweise doch ein wenig in Richtungen, die man so eventuell nicht zwingend erwartet hätte (mir war recht früh klar, wohin der Hase läuft und ich konnte es trotzdem genießen) und eine bestimmte Sequenz wird garantiert die Zuschauer spalten. Ich sehe das und werde es auch in meine Wertung einfließen lassen - aber da Indy immer das Übernatürliche und Absonderliche mit offenen Amen in seinen Stories begrüßt hat, empfinde ich es, genau wie die Interdimensionalen Aliens aus Crystal Skull, als "im Rahmen der Reihe passend".
Fazit:
Wenn Indiana Jones sich auf sein letztes Abenteuer begibt, dann sollte man dabei sein. Mangold gelingt es einen tollen, spannenden und unterhaltsamen Abenteuerfilm zu stricken, in dessen Zentrum eine erstaunlich emotionale Geschichte um Fehler und Wiedergutmachung steht, die Indy zu einem reiferen Charakter werden lässt und sich stellenweise beinahe kritisch mit dem Männerbild Indys aus der Original-Trilogie auseinandersetzt. Der Rest ist eine Art Best-Of des cineastischen Erbes dieser Figur und darf mit Verfolgungsjagden, mystischen Artefakten, alten Gräbern und übernatürlichen Elementen für 140 Minuten die Welt da draußen vergessen lassen. Untermalt vom legendären Score aus Meister Williams Feder kann man sich voll kindlichem Staunen einfach mitreißen lassen.
Zyniker werden über manche Elemente des Films sicher die Nase rümpfen - meiner Frau und mir gefiel das finale Abenteuer von unser aller Lieblings-Archäologen jedoch ausgesprochen gut und unterm Strich landen wir bei
4/5 Hüten bzw. 8/10 Punkten
und der klaren Empfehlung für jeden Fan der Figur, sich den Film im Kino nicht entgehen zu lassen.