Bewertung: 3.5 / 5
Der Film ist seit Mittwoch in den Kinos - Mittwoch war ich erstmals drin - heute dann zum zweiten Mal - dieses Mal in der OV. Da ich nach der Erstsichtung etwas unschlüssig über meine endgültige Meinung zum neuesten Marvel-Streich war, entschied ich mich das Review bis heute nach der OV ruhen zu lassen, um mit klarem Kopf, einer klaren Erwartungshaltung und offenen Augen und Ohren einen finalen Eindruck zu bekommen, der sich in Worte fassen lässt. Also auf geht´s.
Inhalt:
Während eines scheinbaren Routineeinsatzes in Lagos kommt es im Zusammenhang mit Scarlet Witchs Kräften im Kampf mit dem Schurken Crossbones (Frank Grillo) zu einem Unfall, bei dem einige Menschen verletzt und getötet werden. Dieses Ereignis ist der Tropfen, der das Fass im Bezug auf die Avengers letztlich zum überlaufen bringt und das Sokovia-Abkommen durch die Vereinten Nationen auf den Plan ruft. Hiernach sollen die Aktivitäten der Avengers unter Aufsicht der UN gestellt werden, um in Zukunft Unfälle durch eigenmächtige Handlungen zu verhindern. Es kommt wie es kommen muss und während einige der mächtigsten Helden der Erde für das Abkommen sind stellen sich manche dagegen. Zu allem Überfluss taucht auch noch der zuletzt als Winter Soldier aktive Bucky Barnes wieder auf und stellt Captain America vor weitere Probleme...
Trailer zu The First Avenger - Civil War
Review:
Zunächst einmal sei gesagt, dass die Ausgangslage im Film einiges an Marvel-Vorwissen verlangt. Selten wurden in einem einzelnen Film des MCU so unglaublich viele Elemente aus den bisherigen Filmen vereint wie in Captain America: Civil War. Aus nahezu jedem einzelnen Film des bisherigen MCU ist etwas für diesen Film auf die eine oder andere Weise relevant oder wird als Referenz erwähnt. In dieser Hinsicht ist der Film definitiv der bisher verknüpfteste Film des MCU und er jongliert hervorragend mit seinen Figuren und deren Motivationen.
Hier zeigt sich aber zugleich eins der kleineren Probleme des Films. Obgleich der Fokus recht klar auf Steve Rogers (Chris Evans) und Bucky Barnes (Sebastian Stan) liegt und darauf, wie diese sich dem neuen, von Daniel Brühl hervorragend verkörperten Schurken Helmut Zemo stellen müssen finden sich auch etliche Elemente anderer Storylines des MCU in diesem Film. Da wäre zunächst Tony Stark (Robert Downey Jr.), dessen Storyline aus den bisherigen Iron Man-Filmen fortgeführt und um einige Elemente ergänzt wird, wodurch sich der Film stellenweise doch etwas nach Iron Man 4 anfühlt. Von Grund auf ist das nichts schlechtes, doch sollte sich Marvel ernstlich überlegen, ob man sich mit der hinzukommenden, recht umfangreichen, Avengers-Komponente einen gefallen getan hat. Denn neben Captain America 3 und Iron Man 4 ist dieser Film zudem stellenweise gefährlich nah dran zu einem Avengers 2.5 zu werden.
All das sind kleinere Kritikpunkte, lassen den Film aber nach einem eher auf Cap fokussierten und gemäßigten Einstieg rund um das, am Ende von Avengers 2 präsentierte, "New Avengers"-Team - Scarlet Witch (Elisabeth Olsen), Vision (Paul Bettany), War Machine (Don Cheadle) und Falcon (Anthony Mackie) - mitunter etwas überfüllt wirken. Sicher gelingt es den Russo-Brüdern durchaus gut die verschiedenen Handlungsstränge zu verbinden und ein überwiegend kohärentes Ganzes zu schaffen, nichtsdestotrotz hätte an manchen Stellen weniger mehr sein können und vom Gewicht der verschiendenen Elemente her wäre hier locker Raum für zwei komplette Filme gewesen.
Sei es wie es ist, im Laufe der Handlung kommt es wie in den Trailern angekündigt zu Kampfhandlungen zwischen den beiden Seiten des Abkommens, wobei einige neue Helden in die Riege der "Avengers-Teams" eingeführt werden:
Gewohnt witzig und cool: Ant-Man (Paul Rudd) - beherrscht, düster und eindrucksvoll: Black Panther (Chadwick Boseman) - unfassbar lustig, gewitzt und ein echtes Plappermaul: Spider-Man (Tom Holland)
Neben den alten Hasen machen sich diese Neuankömmlinge ausgesprochen gut und während insbesondere T´Challa/Black Panther eine tiefere Rolle für den Film innehat und einen deutlichen Mehrwert für die Handlung bringt, merkt man Spider-Man seinen recht spät in den Film integrierten Einsatz durchaus stellenweise an. Nicht, dass er im Gefecht der Superhelden keinen Platz hätte, als Fan-Service war die Figur großartig und es hinterlässt einen mit einem Jucken in den Fingern mehr von diesem Peter Parker zu sehen. Holland macht seinen Job sehr gut, auch wenn er sich in Sachen Beweglichkeit und Kampfstil nicht viel mit dem von Andrew Garfield verkörperten Spider-Man tut. Da wird erst der Solofilm die wahren Qualitäten dieses neuen Spidey eröffnen. Was man sich allerdings bei der Besetzung von Marisa Tomei als Tante May gedacht hat - zugegeben, die Darstellerin ist jenseits der 50 - optisch wirkt sie dermaßen jung und unnatürlich gutaussehend für die Rolle von Peters zerknitterter und ergrauter, aber stets robuster Tante.
Wenn der Film in der zweiten Hälfte ankommt legen sich einige der Pacing-Probleme aus Hälfte eins glücklicherweise und alles nimmt an Fahrt auf. Überhaupt vergehen die knapp 2 1/2 Stunden recht fliegend und bei allem was passiert wünscht man sich durchaus noch etwas mehr Zeit mit den Figuren - was sicherlich auch manche der logischen Problemchen, die der Film stellenweise hat, ausräumen könnte. Auf den ersten Blick machen die meisten Punkte im Film durchaus Sinn, aber manches lässt einen doch stutzen oder etwas skeptisch zurück. Wer den Film gesehen hat - es geht um eine spezifische Information die von allen Figuren eine bestimmte nicht hat, was einen Konflikt auslöst, der mich persönlich zumindest irritiert hat.
Davon abgesehen hat der Film die üblichen Schauwerte zu bieten für die Marvel seit etlichen Jahren steht. Die Kämpfe sind hervorragend inszeniert und choreographiert, die Fähigkeiten der verschiedenen Figuren kommen gut zur Geltung und zum Einsatz und es macht unglaublich viel Spaß, wenn die Action erstmal losgeht. Auch viele Nahkampfszenen werden von den Russos ebenso gut und brachial umgesetzt wie bereits in Captain America 2.
Auch das CGI ist durch die Bank sehr gelungen, grade weil viele der Sets auch wirklich real wirken und man selten das Gefühl hat, dass viel CGI bei den Locations zum Einsatz kam. Das 3D ist vorhanden, bietet aber wie so oft praktisch keinen Mehrwert. Bis auf einige wenige Momente gibt es keine Stellen im Film wo es notwendig wäre oder eine besondere Tiefe ins Bild bringt. Schade, wenn man bedenkt wie effektiv und klasse es zuletzt in Ant-Man zum Einsatz kam.
Zu guter Letzt war der Score wirklich wenig beeindruckend. Die typische Kampfuntermalung war gegeben, aber eben nichts besonderes im Vergleich mit anderen großen Blockbustern. Bei Batman v Superman - Dawn of Justice hatte man zumindest die Themes für Superman und Wonder Woman die im Kopf blieben, hier bekamen nicht einmal die wirklich bekannten Figuren ihre Themes als Hinterlegung für ihre Sequenzen. Insbesondere das Titelthema aus Avengers oder auch das Iron Man Theme in Variationen hätten dem Film sicher gut zu Gesicht gestanden - besser jedenfalls als der überwiegend eher generische Soundbrei, der geboten wurde. Auch hier sieht man - erneut leider - verschenktes Potenzial, welches vielleicht hätte vermieden werden können, wenn man den Film nicht stellenweise so überladen hätte.
Fazit:
Unterm Strich ist Captain America - Civil War ein über weite Strecken sehr unterhaltsamer Film geworden. Die neuen Figuren fügen sich gut ins bestehende MCU ein, die alten Figuren bekommen ihren Platz und vor allem die Stellen im Film wo der Fokus auf den Konflikten zwischen bestimmten Figuren lag waren hervorragend. Leider merkt man dem Film stellenweise seine Überladenheit (Cap 3, Iron Man 4, Avengers 2.5) etwas an, was gepaart mit einigen Logikschnitzern, dem wenig beeindruckenden 3D und dem kaum memorablen Score zu einigen Abzügen in der B-Note führt. Es bleibt ein, vor allem in der zweiten Hälfte, sehenswerter Film, den sich Marvel/Comic-Fans nicht entgehen lassen sollten, trotztdem ist er leider weit entfernt davon sich den Titel "bisher bester Marvel-Film" anheften zu dürfen.
Ich vergebe daher aufgrund der Schwächen 3,5/5 Hüte bzw 7/10 Punkte,
für ein insgesamt unterhaltsames Kinoerlebnis, bei dem weniger vielleicht stellenweise mehr gewesen wäre.