Bewertung: 3.5 / 5
Eigentlich hatte ich nicht vor, den Film zu schauen, da mich die Trailer schon nicht gross abgeholt haben, und ich den ersten teil schon für einen ziemlich miserablen Film halte, der nur von Gadots Charme zusammengehalten wird. Nunja, in Zeiten wie diesen ist alles ein bißchen anders. Da bin ich zu einem Kleinstbesuch bei einem sehr guten Freund zu dessen Geburtstag und er hat ausgerechnet Wonder Woman 1984 in 1080p vorliegen. Keine Ahnung, hat mir was von VPN und so erzählt. Also gut, da sitzen sie nun, zwei Kerle mit Mindestabstand, und schauen sich in einem Wohnzimmer gemeinsam Wonder Woman 1984 an.
Wie eigentlich immer zuletzt bei meinen Kritiken: Ein kleiner Disclaimer vorab: Ich halte Petty Jenkins für eine höchstens mittelmäßige Geschichtenerzählerin, die mit dem ersten Teil unglaubliches Glück hatte, da sie die Optik von Snyder übernehmen konnte, dem Ganzen aber irgendwie noch Empathie hinzugeben konnte. Der Film hat ansonsten nicht viel zu bieten gehabt. Und auch beim zweiten Teil hat sie keinerlei Kontrolle über den Film, zu keinem Zeitpunkt seiner viel zu langen Laufzeit. Aber ich greife vor, eines nach dem anderen.
Trailer zu Wonder Woman 1984
Im Prinzip ist der Kritik von FlyingKerbecs nicht viel hinzuzufügen, aber warum der Film dann trotz aller Unzulänglichkeiten trotzdem doch funktioniert, lest ihr jetzt:
Wonder Woman 1984 spielt wie der Name es schon sagt im Jahr 1984. Diana hat sich immer noch nicht mit Trevors Tod im ersten Weltkrieg abgefunden (sind schon fast 70 Jahre, das ist wirklich fast schon Titanic-Rose-Niveau möchte man meinen), und plötzlich taucht ein Artefakt auf, der alle Wünsche wahr machen kann. Und plötzlich taucht auch noch Trevor wieder auf.
Mehr möchte ich zu der Story erst mal nicht verraten, da es erstens dann schon zu viel spoilern wäre und zweitens gibt der Film eigentlich auch nicht mehr Story her, trotz seiner (viel zu) langen Laufzeit. Stattdessen werden zig Nebenhandlungsstränge, die zwar für die Hauptstory von keinerlei Belang sind, den Erzählfluss ausbremsen und zudem sogar teilweise recht beliebeig eingeflochten sind, in den Film integriert, die den Film auf kuriose Weise dann trotzdem zu bereichern in der Lage sind.
Wieso ist das so?
Durch sein 1984er Setting lebt er die Nostalgie Schiene komplett aus. Das geht erst mal damit los, dass Wonder Womans (erwachsener) Charakter in den Film so eingeführt wird, wie es in den 1980ern Christopher Reeves als Superman widerfahren wäre, inklusive dem gleichen dämlichen Grinsen und Kindern zuzwinkern. Das ist auf der einen Seite eine recht einfache Art der Ehrerbietung, auf der anderen Seite aber auch von Anfang an ein Zeichen dafür, dass wir uns eigentlich in einer anderen Superheldenverfilmungsära befinden: Einer einfacheren, wo die Bedrohungen noch behäbig waren, und unser Held da auch noch Zeit für sich selbst und seine Freunde hatte. Und dementsprechend plätschert er auch gefühlt 2 Stunden vor sich hin, bevor es endlich mal zu so etwas wie Spannung kommt. Immer wieder erwischte ich mich beim Gedanken, dass der Film sich irgendwie für alles Mögliche so viel Zeit nimmt, dass man das glatt auch als Miniserie hätte verfilmen können.
Und natürlich ist Dianas größter Kampf der gegen ihre inneren Dämonen. Natürlich ist dieser Umstand jetzt nicht plötzlich aus der Mode, nur weil es schon früher so war, aber Wonder Woman erinnert in vielerlei Hinsicht eben genau an den Superman Film, der damals schon sehr seltsam anmutete und daher heute ein bißchen zu Unrecht in Vergessenheit egraten ist: Superman 3. Genauso wie der Reeves Schinken von einst haben wir einen Schurken im Nadelstreifenanzug und einen Helden, der sich erst mal selbst überwinden bzw. finden muss.
Und hier fangen die Probleme an: Diana kann Deus ex Machina Sachen unsichtbar machen, und nachdem sie sich irgendwie überwinden konnte, plötzlich sogar mit waschechter Heldenpose fliegen. Ja, ich weiss, dass es nicht per se Fliegen ist, aber irgendeinen Aufhänger für meine gespielte Entrüstung brauche ich ja. Zu allem Überfluss wird das Ganze dann auch noch minutenlang und völlig unnötig zelebriert und in die Länge gezogen, so als müsse man eine Mindestlänge für den ohnehin schon viel zu langen Film erreichen.
Warum der Film dann trotz allem eben doch funktioniert, hat was damit zu tun, was eigentlich die grosse Schwäche von Jenkins ist, aber ausgerechnet bei einem Film wie Wonder Woman sich zu ihrer grossen Stärke entwickelt: Jenkins ist so sehr darauf bedacht, die einzelnen Charaktere so zu etablieren, dass sie "relatable" werden, seien sie nun Held oder Schurke, so dass jeder einzelne Schritt irgendwann nachvollziehbar wird. So wird eine empathische Herangehensweise etabliert, die eben genau den Kern dessen trifft, wofür eine Wonder Woman eben auch stehen kann. Ein Held muss nicht immer zur Gewalt greifen. Eben dafür spricht auch der im Vorfeld so zelebrierte Umstand, dass man in diesem Film Diana eben kein Schwert mehr gibt. Das Zerstören des Gegners war nie Dianas Ziel, für sie gilt es die Menschen zu schützen und behüten.
Dieser empathische Aspekt wird vor allem auch dadurch bekräftigt, dass die Entwicklung von Cheetah eben durch eine Fastvergewaltigung in Gang gesetzt wird und genau dieser schleimige 1980er-Park-Yuppieh dann auch entscheidend wieder in Erscheinung tritt: Auch wenn wir wissen, dass sie sich in eine dunkle Richtung entwickelt, so ist es eben nicht nur das Böse werden um des Böse werden willens, sondern immer auch irgendwie motiviert.
Hinzu kommt, dass gerade als es am Schlimmsten für alle Beteiligten auszusehen beginnt, eine extrem cheesy Ansprache von Diana den Tag rettet. Eben genau so wie die Filme früher waren, nur noch pazifistischer und die besinnlichen Dinge des Lebens zelebrierend, das Beisammensein, den Zusammenhalt.
Und genau diese fast schon naiv anmutende, und dennoch - oder gerade deswegen - sehr zeitgemässe Inszenierung rettet den Film dann doch noch. Es wird eine extrem positive Grundgesinnung propagiert und dem Zuschauer Hoffnung gegeben. Und damit wird ausgerechnte der auf den ersten Blick furchtbar generische, ziemlich beliebig und behäbig inszenierte Wonder Woman 1984 zu einem Film über endlose Hoffnung und Zuversicht und auf den Zielgeraden des beschissenen 2020 zum Film der Corona-Krise (deutlich vor Borat 2), denn er spendet etwas, was die Menschen gerade in diesem Moment am dringendsten benötigen.
Das wird freilich nicht jeder so sehen, denn oberflächlich ist der Film einfach nicht sonderlich gut - weder gemacht noch geschrieben - aber er kommt nunmal genau im richtigen Moment. Und dann auch noch zur Weihnachtszeit, wo man sowieso solche Werte zelebriert.
Als der Film zu Ende war, hatte ich auch ganz klar sehr viele Probleme mit all den Entscheidungen, die seitens Jenkins getroffen wurden, am meisten mit den oben genannten plötzlichen Fähigkeiten, ohne die der Film auch so noch funktioniert hätte. Aber wenn ich einen Schritt zurück gehe, dann sind sie in diesem Narrativ eben doch notwendig gewesen.
Das ist eben nicht der Superheldenblockbuster, in dem die Männer ihr Testosteron sprechen lassen, das ist der tatsächlich femininste und eleganteste Nostalgiesuperheldenfilm der letzten 25 Jahre. Natürlich wird der Film in dieser Art viele konsterniert zurück lassen, die einen typischen 0815 Heldenfilm erwartet haben, aber so wie er ist, ist er tatsächlich auch konzipiert worden.
Und wenn ich ganz ehrlich bin: Trotz all der enormen Anzahl an Fehlern, die der Film hat, das ist tatsächlich der einzige Film 2020, den ich im Nachhinein tatsächlich sehr gerne im Kino gesehen hätte. So sympathisch den Finger in die Wunde legend weht er für mich alle anderen vermeintlichen Blockbuster des Jahres 2020 im Vorbeigehen mit dem Lasso fort.
Ich schwanke zwischen 7 und 8 Punkten