
Rob Zombies Remake von John Carpenters Klassiker Halloween wurde damals gemischt aufgenommen. Dabei gehören Zombies Filme, Halloween und Halloween 2 zu den spannenderen und mutigeren Horror-Remakes.
Zombies erster Ausflug ins Halloween-Universum orientiert sich dabei noch sehr stark an Carpenters bahnbrechendem Original. Eine reine Kopie ist er allerdings keinesfalls: Zombie begreift Michael Myers viel mehr als Menschen und wirft auch einen Blick hinter die Maske.
Knapp die erste halbe Stunde des Films beschäftigt sich mit Michaels Kindheit - ein Aspekt, der in Carpenters Film keine große Rolle spielt. Zombie schafft hier freilich kein Psychogramm des Serienkillers, er bleibt stets im Bereich des Küchenpsychologischen. Aber sein Film gewinnt trotzdem dadurch.
Carpenters Michael Myers war stets eine quasi-übernatürliche Präsenz, kein realer Mensch. Zombies Michael Myers wird dadurch, dass wir ihn als Kind sehen und als Persönlichkeit erleben viel mehr zu einem realen Menschen. In Kombination mit einem bestialischen, aber trotzdem geerdet wirkenden Gewaltgrad wird Rob Zombies Michael Myers hier zu einem glaubwürdigen und dadurch sehr beunruhigenden Schurken.
Inhaltlich folgt Rob Zombies Halloween dabei, abgesehen von der ersten halben Stunde, sehr eng dem Original. Aber auf einer inszenatorischen Ebene begreift er seinen Schurken ganz anders als John Carpenter. Beide verstehen Michael Myers als invasive Kraft, die das dünne Band der Zivilisation durchtrennt. Carpenters Bösewicht allerdings ist ein Stalker, der schleichend in den Alltag eindringt und das Band der Zivilisation chirurgisch präzise durchschneidet. Zombies Schurke hingegen ist eine Naturgewalt, jemand der die Tür eintritt und das Band mit brachialer Gewalt zerreißt.
Das ist ein anderer und spannender Ansatz, aber auch ein Ansatz, der weniger Suspense und Subtilität zulässt. Gegen Ende des Films stumpft die Brachialgewalt Michaels etwas ab, man fühlt sich nur noch erschöpft. Rob Zombies Halloween dauert länger an, als gut für ihn wäre.
Hier aber setzt ein Stück weit Zombies zweiter Film an. Der Film beleuchtet, anders als viele andere Slasher, den menschlichen Preis, den derartige Handlungen eigentlich haben. Hauptfigur Laurie ist traumatisiert von den Erfahrungen, sie ist erschöpft und steht gleichzeitig unter ständiger Anspannung. Auch die anderen aus dem ersten Teil wiederkehrenden Figuren sind alle auf ihre eigene Art und Weise von den Erfahrungen gezeichnet.
Der Star des Films aber ist natürlich Michael Myers. Zombie psychologisiert diesen Charakter wieder, diesmal aber viel visueller, weniger sprachlich. Da Zombie in beiden Filmen öfters Freud direkt oder indirekt zitiert, ziehen ihn wir hier auch zu Rate. Das Bewusstsein wird laut Freud durch die Sprache geschaffen - das Unbewusste hingegen, der grundlegende Seelenzustand, denkt sich in Bildern. Der erwachsene Michael Myers spricht in beiden Filmen nur ein einziges Wort. Ab einem bestimmten Zeitpunkt (nach einem einschneidenden Ereignis) hört das Kind Myers auf, zu sprechen.
Ab diesem Zeitpunkt lebt er im Unbewussten, archaische Wünsche und Triebe übernehmen die Macht in ihm. Zombies zweiter Film reflektiert das. Während der erste Teil von Zombies Remake Michaels Innenleben primär über Worte beschreiben will, und damit nie zum Kern des Unbewussten vorstoßen kann, versucht sich Teil 2 deutlich mehr an einer visuellen Darstellung. Der Film kann dadurch stärker zum Unbewussten des Charakters vorstoßen. Zombie bleibt dabei natürlich bei Freud’schen Klassikern - Inzestwünsche, Ödipaler Zorn und so weiter.
Ein interessanterer Aspekt ist die Entwicklung von Laurie. Gegen Ende des Films (AB HIER SPOILER) übernimmt sie die Vorstellungswelt Michael Myers, sie entwickelt selber mörderische Fantasien. Vielleicht ungewollt, stellt Zombie hier einen relativ bedeutsamen Freud’schen Abwehrmechanismus (allerdings beschrieben von Sigmunds Tochter Anna) dar: die Identifikation mit dem Angreifer. Laurie ist durch die Angriffe Michael Myers´ schwer traumatisiert. Um sich, nachdem das Trauma durch erneuten Angriff wieder auftritt, davon lösen zu können identifiziert sie sich mit Michael. Sie übernimmt seinen Sichtpunkt, eignet sich sein Seelenleben an - und kann dadurch am Ende des Films für einen ganz kurzen Moment in Zustand seltsamer Ruhe gelangen.
Der kurze Ausflug in die Psychoanalyse sei mir verziehen, aber er soll etwas aufzeigen, was mir an Rob Zombies Halloween-Interpretation so zusagt. Hinter der Oberfläche des Brachialslashers versucht Zombie auch, etwas über die Psyche seiner Charaktere zu erzählen. Der "entzaubernde" Ansatz mag vielen sauer aufgestoßen sein, mir gefällt er hingegen sehr gut. Es ist eine eigene und leidenschaftliche Erzählung, die sich besonders im zweiten Film auch wohltuend vom Original löst.
Rob Zombie versucht nicht, die einsame Größe von Carpenters Original zu imitieren. Stattdessen entwickelt er eine eigene künstlerische Vision - und dafür bin ich ihm, trotz aller Probleme und Schwächen, die seine beiden Filme haben mögen, sehr dankbar.