Wenn zwei Schwergewichte des Kinos aufeinandertreffen, fliegen nicht immer filmisch die Funken, sondern manchmal auch verbal. In einem Interview mit Deadline meldete sich nun James Cameron zu Wort und sprach über seine Eindrücke von Christopher Nolans preisgekröntem Biopic Oppenheimer. Dabei fand der Avatar-Regisseur nicht nur lobende, sondern durchaus auch kritische Worte.
Neben den zahlreichen Avatar-Fortsetzungen, die noch auf seiner Agenda stehen, plant er parallel auch ein neues Projekt, das für all jene Fans eine willkommene Abwechslung sein könnte, die seines langlebigen Franchises überdrüssig sind.
Der Regisseur will Charles Pellegrinos Buch Ghosts of Hiroshima verfilmen, das im August erscheint. Cameron möchte damit die erschütternden Auswirkungen der Atombomben auf einzelne Menschen und ganze Gemeinschaften beleuchten - etwas, das seiner Meinung nach im gefeierten Oppenheimer zu kurz kam.
Er, der selbst seit Jahrzehnten zu den einflussreichsten Stimmen der Branche gehört, zeigte sich enttäuscht darüber, wie der Film mit den Auswirkungen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki umgeht. Zwar lobte er das Handwerk, doch fehlte ihm eine klare Auseinandersetzung mit dem menschlichen Leid:
„Es ist interessant, worauf [Nolan] verzichtet hat. Ich liebe das Filmemachen, aber ich hatte schon das Gefühl, dass es moralisch ein bisschen ein Ausweichmanöver war. Denn es ist ja nicht so, als hätte Oppenheimer die Folgen nicht gekannt.“
Cameron fuhr fort: „Es gibt in dem Film eine einzige kurze Szene, in der man - und ich kritisiere ungern die Arbeit eines anderen Regisseurs - verkohlte Körper im Publikum sieht, und anschließend zeigt der Film, wie tief bewegt er [Oppenheimer] davon war. Aber ich finde, das Thema wurde umgangen. Ich weiß nicht, ob das Studio oder Chris selbst das als heikles Terrain angesehen haben, das sie lieber meiden wollten, aber ich will genau da hin. Ich bin da wohl einfach dumm genug.“
Für Cameron ist der Umgang mit Technologie, Verantwortung und ihren Konsequenzen seit jeher zentrales Thema vieler seiner Filme: Nicht nur in Avatar, sondern auch in Terminator oder Abyss. Umso mehr stößt ihm auf, dass Nolan sich in Oppenheimer eher auf die moralische Zerrissenheit der Hauptfigur konzentriert, weniger aber auf die Opfer.
Die Netz-Reaktionen auf Camerons Kritik lassen - wie üblich - nicht lange auf sich warten: Während einige seine Position als dringend notwendige Erinnerung an die Opfer von Hiroshima begrüßen, werfen andere ihm vor, Nolans erzählerischen Ansatz nicht verstanden zu haben - immerhin ist Oppenheimer bewusst subjektiv erzählt und zeigt nur, was im inneren Kosmos der Hauptfigur Platz hat.
Mitten in diesem Diskurs steht die ewig diskutierte Frage: Welche Verantwortung tragen Filmemacher, wenn sie aus der Geschichte erzählen? Reicht es in diesem Fall, einen genialen Wissenschaftler im moralischen Zwiespalt zu zeigen oder braucht es zusätzlich die ungeschönte Konfrontation mit den grausamen Ergebnissen seines Handelns?
Vielleicht prallen hier ja nicht nur zwei Visionen aufeinander, sondern auch einfach nur zwei unterschiedliche Vorstellungen davon, was Kino leisten kann oder gar leisten muss. Ob Oppenheimer zu viel ausblendet oder gerade darin seine Wirkung entfaltet, darüber wird man wohl noch länger diskutieren.