Mit Harry Potter und die Heiligtümer des Todes wird unwiderruflich der Anfang vom Ende einer Arä eingeläutet, die vor knapp 10 Jahren ihren Anfang nahm. Für Daniel Radcliffe, Emma Watson und Rupert Grint bedeutet die Reihe fast die gesamte Kindheit und es ist erstaunlich, wie groß die damaligen Kinderdarsteller inzwischen geworden sind. Wenn kommendes Jahr das große Finale mit Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 2 in den Kinos zu sehen ist, liegt ein langer Weg hinter ihnen, aber auch uns. Doch inwieweit kann dieser erste Teil die hohen Erwartungen erfüllen?
Achtung: Wir gehen in dieser Kritik davon aus, dass man die Bücher gelesen hat, vereinzelt wird es zu Spoilern kommen.
Dumbledore ist tot und es sind dunkle Zeiten in der Welt der Zauberer und Muggel angebrochen. Das ist der Ausgangspunkt in Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1, so wie wir ihn auch aus dem letzten Roman von J. K. Rowling kennen. Voldemort hat seine alte Macht wiedererlangt, wichtige Positionen in der Welt der Zauberer wurden durch seine Diener besetzt und jeder, der nicht reinen Blutes ist, muss um sein Leben fürchten. Mitten in diesem Chaos will Voldemort aber weiterhin nur eins, Harry Potter in die Finger bekommen. Die wenigen mutigen Zauberer, die sich gegen Voldemort und seine Todesser stellen, tun alles, um Harry und seine Freunde in Sicherheit zu bringen. Doch schon bald sind Harry, Ron und Hermine zum ersten Mal ganz auf sich allein gestellt. Fern ab vom vertrauten Hogwarts sind sie auf der Suche nach den geheimnisvollen Horcruxen, nur mit deren Vernichtung kann Voldemort endgültig gestoppt werden. Doch wie sollen die drei Freunde das schaffen, womit selbst Dumbledore seine Schwierigkeiten hatte? Und während die Welt im Chaos versinkt und Verzweiflung selbst Hermine, Ron und Harry erfassen, wird auch deren Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.
Seit Harry Potter und der Orden des Phönix ist David Yates für die Reihe zuständig, der die Vorarbeit von Chris Columbus, Alfonso Cuarón und Mike Newell zu einem Ende bringt. Dadurch war die Homogenität der letzten Filme ausgeglichener als wir es von Harry Potter 1-4 kennen, Stilbrüche kamen seltener vor und ebenso wurde ein gewisses Qualitätsniveau erreicht. Soviel sei daher schon gesagt, wem die letzten zwei Teile gefallen haben, der wird auch von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 nicht enttäuscht werden. Der neue Potter bietet aber auch viel Neues, ungewohnt sind neben der Zweiteilung besonders die vielen Schauplätze, da die Story dieses Mal nicht in Hogwarts spielt, sondern zu großen Teilen in Wäldern, der Muggelwelt und dem einen oder anderen bekannten Schauplatz aus den Vorgängern. Das bringt frischen Wind in die Reihe, unterscheidet sich dieser Film dadurch umso deutlicher von den bisherigen Werken.
Mit der Teilung von Harry Potter macht es Warner Bros. vor, Summit Entertainment macht es in Breaking Dawn - Biss zum Ende der Nacht nach. Warner mag hier natürlich werbewirksam den hohen Qualitätsanspruch ins Feld führen, aber im Grunde ist die Teilung des letzten Films in erster Instanz eine finanzielle Entscheidung. Diesen "Qualitätsanspruch" hätte man ansonsten schon bei früheren Teilen walten lassen müssen. Auch wenn sowohl bei Summit als auch Warner die Einnahmen im Vordergrund stehen, so sind die Unterschiede doch gewaltig. Während in den Twilight-Filmen, die als das jüngere Harry Potter-Phänomen angesehen werden können, die Qualität der Filme nur zweitrangig ist und möglichst schnell aus dem Rummel Kapital geschlagen werden soll, hatte Warner von Beginn an ein langfristiges Interesse. Statt wie Summit mit Mikrobudgets zu Werke zu gehen, scheute Warner nie das Risiko, war man sich der hohen Einnahmen doch sicher. Somit wurde auch der Zuschauer immer mit einer glaubwürdigen magischen Welt belohnt, die er zuvor nur aus den Büchern kannte. Summit kommt dagegen trotz der exorbitanten Einnahmen der Twilight-Filme kaum über das Niveau von DVD-Produktionen hinaus. Dieser Unterschied ist auch der Grund, warum die Zweiteilung von Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 für die Fans ein Vorteil ist, denn so können wir uns etwas länger in dieser vertrauten Welt aufhalten.
Und so ist auch der neue Film kein Schnellschuss. Die Produktionswerte stimmen und die Teilung sorgt endlich dafür, dass Harry Potter und die Heiligtümer des Todes nicht mehr die größte Schwäche der Vorgänger teilt. Mit fast 150 Minuten bleibt genug Raum, um die Handlung aus dem Buch angemessen umzusetzen und sogar einige neue Szenen unterzubringen oder bekannte Szenen zu intensivieren. An der Stelle sei eine sehr starke Szene mit Hermine und ihren Eltern zu Beginn des Films erwähnt. Die bisherigen Folgen von Harry Potter waren bis auf die ersten beiden Filme zu stark gekürzt worden, so dass oft eine Szene aus den Büchern an die nächste gereiht wurde. Figuren gingen unter, Figuren wurden gestrichen oder es wurden Änderungen an der Handlung vorgenommen, die manchmal unverständlich, manchmal problematisch waren für folgende Teile und wodurch mitunter sogar die Gesamtqualität der Reihe litt. Ohne Frage, auch Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 hat noch einen Teil dieser Schwächen. Das betrifft diesmal aber selten die Handlung, eher die Figuren. Im Zentrum stehen Harry und seine beiden Freunde, für alle anderen Protagonisten bleiben dagegen trotz der hohen Laufzeit oft nur wenige Minuten übrig, wenn überhaupt. Den Dursleys sind nur wenige Sekunden beschienen und selbst Voldemort ist erstaunlich selten im Bild. Auch werden einige Entwicklungen nur angedeutet und manche Szene hätte sogar ohne Weiteres gestrichen werden können.
Ein Fortschritt zu den Vorgängern ist dennoch deutlich spürbar und Yates schafft es, die düstere Stimmung aus den Vorgängern weiter zu steigern und das mit erstaunlich wenigen Bombastszenen. Überhaupt kommt der neue Film erstaunlich effektfrei daher, die spektakulärsten Szenen finden zu Beginn statt, danach erwarten uns mehr schöne Landschaftsaufnahmen mit Campingatmosphäre. Wäre der letzte Band nicht geteilt worden, wäre hier wohl sicher am stärksten die Schere angesetzt worden. Vielleicht mag das sogar teilweise von Vorteil gewesen sein, denn Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 macht zwar vieles besser als die bisherigen Filme, aber er verfolgt durch die starke Orientierung am Buch oft auch dessen Schwächen. Denn J.K. Rowling ging für unseren Geschmack im letzten Band dramaturgisch oft schluderig zu Werke. Da wäre zum einen die lange Wanderschaft der drei Freunde. Die entstehenden Konflikte waren im Buch bereits nicht allzu glaubwürdig umgesetzt, im Film treten diese jedoch so ruckartig von einer Szene auf die nächste auf, dass man sich als Zuschauer kaum darauf einstellen kann. Teils wurden hier sogar wieder relevante Buchinhalte gekürzt, was das Zerwürfnis und die Gefahren in der Welt der Zauberer noch unglaubhafter macht. Hinzu kommen einige unlogische Momente, die 1:1 aus dem Buch entnommen wurden. Wenn ich als Zauberer vor einem zugefrorenen Tümpel stehe und dort tauchen möchte, sollte es für mich easy sein, die gesamte Eisdecke zum Schmelzen zu bringen und das Wasser etwas besser zu temperieren. Unserem Genie Harry reichen 1m², gerade genug zum Eisangeln und Angst vor dem Kältetod scheint es hier nicht zu geben. Intelligenz sieht dann doch etwas anders aus.
Doch es gibt etwas anderes, das mehr an uns nagt. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in diesem finalen Konflikt zwischen Gut und Böse viele liebgewonne Figuren den Tod finden. Im Buch wurde das teils schlampig umgesetzt, Figuren, die wir über mehrere Bände kennen und lieben lernten, deren Tod wurde bestenfalls als Randnotiz erwähnt. So kam es, dass das Schicksal von Eulen und Hauselfen uns mehr berührten, als das so manch guten Zauberers. Und genau diese Schwäche hätte der Film ausbügeln können, sogar müssen. Schon Dumbledores Tod - im Buch gelang die emotionale Gratwanderung - wurde durch Storyänderungen in Harry Potter und der Halbblutprinz unlogisch umgesetzt, soviel emotionales Potential wurde damals verschenkt. Dazugelernt hat man nicht und so hat Yates im neuen Film noch mehr Probleme als Rowling. Hedwig ging uns im Buch nahe, im Film hat die Eule einen großen Moment, verkommt dann aber zu einer beiläufigen Randnotiz. Immerhin kommt Dobbys großer Moment auch im Film zur Geltung, im Buch wird dessen Schicksal erstaunlicherweise die meiste Beachtung geschenkt, aber 1-2 Minuten mehr hätten im Film nicht geschadet. Erwartet diesen Respekt aber nicht für Menschen. Zeit für Trauer ist nie vorhanden. In diesem Punkt haben wir etwas Angst, was uns im letzten Teil 2011 erwartet, eine Steigerung ist beim Kampf um Hogwarts bitter nötig. Andere Szenen sind dagegen wieder extrem gut gelungen. Das beklemmende Gefühl im Zaubereiministerium oder Hermines Leid zum Ende des Films geht wirklich unter die Haut. Daneben schafft es Yates trotz der allgegenwärtigen Düsternis, ein paar gelungene Gags in den Film einzustreuen, ohne dabei lächerlich zu werden. Ein großer Kritikpunkt, den wir durch Zweiteilung aber ankreiden müssen, ist, dass der Film irgendwann genau in der Mitte des Buches endet. Ausblick auf das Ende, ein Cliffhanger vielleicht? Nichts dergleichen. Der Film ist irgendwann einfach zu Ende. Die Stelle stimmt, aber hier hätten wir einfach eine bessere Regiearbeit erwartet.
Harry Potter-Fans werden defintiv nicht enttäuscht werden, der Film bietet die erwarteten Inhalte. Die Schauspieler sind gewohnt souverän, nur die Musik fällt dieses mal etwas langweilig aus. Dennoch ein Wort der Warnung: Schaut euch vor dem Film nicht den ersten Trailer an. Die Mehrzahl der Szenen fehlen im Film und werden uns erst kommenden Sommer gezeigt. Lobenswert ist, dass Warner von einer 3D-Veröffentlichung Abstand nahm. Zwar stand Zeit zur Verfügung, aber mehr als bei Kampf der Titanen wäre sicher nicht dabei rumgekommen. Uns fällt nicht eine Szene ein, die durch 3D profitiert hätte. Hoffentlich besinnt sich Warner auch im kommenden Jahr eines Besseren, denn das Finale soll weiterhin in 3D erscheinen. Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil 1 reiht sich ohne Probleme neben seinen Vorgängern ein, sollte aber keinesfalls unter 12 Jahren geschaut werden, denn einige Szenen sind weit drastischer als in früheren Filmen. Insgesamt vergeben wir 8 von 10 Punkten für eine gelungende Fantasyunterhaltung.
Der neue Harry Potter startet am 18. November in unseren Kinos.