Bewertung: 2 / 5
Ein Kinderbuchklassiker, der sich besonders in den USA großer Beliebtheit erfreut, erstrahlt in neuem Gewand. Das war das Ziel von Walt Disney, die kürzlich mit großem Tamtam Das Zeiträtsel in die US-Kinos brachten und nun bald auch bei uns. Ein Film, der so angestrengt versucht, alles richtig zu machen und so gnadenlos scheitert. Trotz vieler Zutaten, die vielversprechend sind und dem hehren Ziel, mit so viel Diversität erst recht allen zu gefallen.
Das Zeiträtsel Kritik
Die junge Meg Murry (Storm Reid) musste vor Jahren erleben, wie ihr geliebter Vater (Chris Pine), ein Physiker, verschwindet, urplötzlich und ohne irgendein Zeichen zu hinterlassen. Dieses Geschehnis lässt sie kraftlos und einsam zurück, auch wenn ihr kleiner Bruder Charles Wallace (Deric McCabe ) sie regelmäßig mit seiner großen Klappe aufmuntert. Eines Tages erscheinen drei merkwürdige Frauen (Oprah Winfrey, Reese Witherspoon, Mindy Kaling) auf ihrem Grundstück und eröffnen Meg, dass sie gemeinsam ihren verschwundenen Vater finden können. Und so begibt sich das Mädchen mit ihrem Bruder Charles Wallace und ihrem Freund Calvin (Levi Miller) auf eine Reise durch Raum und Zeit, in der es nur eine Gefahr gibt: Nicht genug an sich zu glauben...
Trailer zu Das Zeiträtsel
Ach Disney, Disney... Wir wissen doch, dass familienfreundliche Filme euer täglich Brot sind. Dass ihr alles versucht, um auf einer Welle mitzuschwimmen, obwohl ihr einst selbst Wellen zum Antrieb verholfen habt. Damals, als ihr zauberhafte Zeichentrickgeschichten umgesetzt habt, die zwar aalglatt waren wie Bambi, aber zur richtigen Zeit kamen, um Menschen an das Schöne im Leben zu erinnern und gekonnt Charme versprühten. Inzwischen seid ihr dazu übergegangen, seit Jahrzehnten auf 08/15-TV-Serien zu setzen mit ihren hyperaktiven, geklonten Stars. Und nun? Bisher gab es offenbar noch zu viele Ecken und Kanten, die Reibung produzierten, das Resultat sind dann Filme wie Das Zeiträtsel.
Groß angekündigt und mit einer immensen Werbekampagne in die Öffentlichkeit geschubst, kam der Film Anfang März in den USA heraus. Passend zum Internationalen Frauentag am 8. März wurden dann die Heldinnen der Geschichte ins Rampenlicht gerückt, um den Fokus noch mal so richtig auf "Girl Power" zu lenken. Im Live Chat dabei die stets was zu sagen habende Oprah Winfrey, daneben Reese Witherspoon, Hauptdarstellerin Storm Reid und selbstverständlich auch Regisseurin Ava DuVernay. Herausgekommen ist ein klebriger Balsam aus Allgemeinplätzen wie "Nichts ist unmöglich, wirklich nichts" (DuVernay) und ein Hoch auf einen Film, der so krampfhaft den Zeitgeist treffen will mit seiner erzwungenen Vielfalt und dabei so unnatürlich und unglaubwürdig wirkt.
Doch wie es Amerikaner mögen, möchten wir unsere Kritik mit etwas Positivem beginnen: Ein erfolgreiches, spannendes Kinderbuch namens "Die Zeitfalte" (im Original "A Wrinkle in Time") der US-amerikanischen Schriftstellerin Madeleine L´Engle liegt zugrunde und hat seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1962 Generationen von Kindern verzaubert. Eine Geschichte, die Mut, Spannung und Science Fiction verknüpft und damals äußerst modern wirkte - und mit Themen wie Mobbing auch leider immer noch aktuell ist. Hinzu kommt der eine oder andere energische Song, der den Soundtrack und die Reise von Meg und ihren Freunden untermalt. Kunterbunt, abenteuerlich, gefährlich und damit ein perfekter Stoff für einen tollen Filmgenuss.
Nur ist das leider alles, was man an guten Dingen über Das Zeiträtsel sagen kann, denn schlussendlich scheitert der Film nicht an schlechten Schauspielern oder zu viel CGI, das ein Zeichen der Zeit ist, sondern an seiner Verkrampftheit und seinen Absichten.
Fantasie lädt uns ein, sich treiben zu lassen, doch mit der Brechstange werden hier Botschaften vermittelt und akkurat verschnürt, dass der der Geschichte inneliegende Zauber gänzlich verfliegt. So nachvollziehbar es ist, politisch korrekt sein zu wollen, um Zuschauergruppen zu gewinnen, wird über das Ganze mitunter vergessen, eine Geschichte zu erzählen. In Das Zeiträtsel wird so viel Wert auf Korrektheit gelegt, dass einem der Atem stockt bei so viel Schleimigkeit. Denn natürlich reicht es nicht, es auf der Leinwand wirken zu lassen, die Entscheidungen müssen auch um den Film herum gebetsmühlenartig wie ein Mantra in die Köpfe geprügelt werden: Seht her, so geht´s, wir machen alles richtig! Da haben wir die schwarze Hauptdarstellerin, die unterschiedlichen Ethnien und Hautfarben der Zauberinnen, den weißen Vater und die schwarze Mutter, sie - und das wird extra betont seitens Disney - auch Wissenschaftlerin, der schwule Seher (Zach Galifianakis), der weiße, verständnisvolle Freund von Meg - und die bereits erwähnte Regisseurin, frauentagsmäßig abgesegnet, und Songs, die ebenso nur von Frauen stammen.
Ja, wir haben es verstanden, Frauen können alles sein (und das schreibt eine)! Es mag an unserer Herkunft aus der DDR liegen, und ohne eine jedwede geartete politische Diskussion anzustoßen: In einigem waren wir vor mehr als 30 Jahren weiter, wenn ein solcher "Du kannst es auch als Frau schaffen"-Ausruf im Jahre 2018 bei uns nur ein lässiges Schulterzucken hervorruft. Sicherlich ist es gut und richtig, gerade Mädchen und jungen Frauen, die in ihrem Land oder sozialen Umfeld gravierende Nachteile erleiden, zu helfen und ihnen Mut zuzusprechen! Aber auch Jungen leiden unter Mobbing! Fühlen sich zurückgesetzt, wenn sie nicht cool, schnell oder schlau sind! Es fühlt sich so unbeschreiblich berechnend an, wenn dieses themenreiche Kinderbuch so einseitig zugeschnitten wird und von Disney Plattitüden verbreitet werden, nur weil es aktuell in den Kontext passt - und bei Wonder Woman auch so super klappte. Noch 2003 setzte Disney das Buch (mit einer weißen Hauptdarstellerin) als kurze TV-Serie um, doch die Adaption gefiel der Autorin nicht, die sich an deren Qualität störte. Fünfzehn Jahre später nun der neue Versuch, dieses Mal mit einer schwarzen Hauptdarstellerin. Wohl weniger aus Überzeugung als passables Marketinginstrument, um ins Gespräch zu kommen.
Es gibt so wundervolle intelligente Kinderfilme aus unterschiedlichen Epochen, man denke nur an Mary Poppins, E.T. - Der Außerirdische, Die unendliche Geschichte, Filme der Ghibli- oder Pixar-Studios, Reise in die Urwelt und so viele andere. Da werden Themen wie Freundschaft, Durchhaltevermögen, Vertrauen und so viele Themen behandelt, auf natürliche Art mit passenden Charakteren und dem Fokus auf die Geschichte. Sicherlich wird auch Das Zeiträtsel sein Publikum mit so mancher schönen Sequenz und dem einen oder anderen Witz finden, nichtsdestotrotz wird es bei aller Anstrengung kein Selbstläufer. Zu aufgesetzt amerikanisch wirkt das Ganze, unauthentisch und angepasst. Bitte, Disney, ihr könnt es besser.