Bewertung: 4 / 5
Wir schreiben das Jahr 2018, im Dezember wird James Cameron´s Avatar 9 Jahre alt. Ich habe den Film damals irgendwann im Frühjahr 2010, nachdem er bereits 7 oder 8 Wochen in den Kinos lief, angesehen. Nach Empfehlungen von Familienmitgliedern und Freunden. Ich habe damals eine Review verfasst, die dem Film den erhofften Meisterwerk-Status absprach, ihn eher als okay beschrieb. Eine Review, die als meine erste Review überhaupt auf Moviejones einen gewissen Nostalgiewert für mich besitzt. Heute, etliche Jahre später, schreibe ich mit einer anderen Sichtweise auf Filme, viele Jahre als Filmfan und eben auch Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, haben mich zu einem anderen Menschen geformt, als ich es damals war. Doch hat sich meine Wahrnehmung des Films verändert? So oder so, ich fand, dass der Film eine etwas eloquentere Review verdient, also folgt nun zum ersten Mal für mich eine Re-Review. Viel Spaß beim Lesen...
Trailer zu Avatar - Aufbruch nach Pandora
Inhalt:
Wir schreiben das Jahr 2154, die Erde ist überbevölkert und die Menschheit hat sich an den Rand der Zerstörung gewirtschaftet. Doch es gibt eine Alternative, einen möglichen Ausweg: Pandora, tödliches Paradies am anderen Ende des Universums. Jake Sully hat nur davon gehört, könnte als paralysierter Ex-Soldat niemals erwarten jemals einen Blick auf diese Welt zu werfen. Doch als sein Zwillingsbruder unerwartet stirbt, wird ihm ein Platz im Avatar-Programm angeboten - einer wissenschaftlich motivierten Operation, um in Kontakt mit den Ureinwohnern Pandoras zu treten, den Na´vi. Zunächst vom Team abgelehnt wird er schnell zu einem Vertrauten der Na´vi und kommt der Tochter ihres Häuptlings, Neytiri, näher, während er die Wege ihres Volkes lernt. Doch als die Menschen ungeduliger werden, da auf den von ihnen so begehrten Rohstoffen der Heimatbaum der Navi steht und diese sich weigern zu gehen, muss sich Jake entscheiden, welche Welt und welches Volk ihm mehr bedeutet...
Kritik:
Avatar hat über die Jahre viele Reviews, Analysen und sehr viel Begeisterung entgegengebracht bekommen. Damals war es ein unglaublich beeindruckendes Technik-Monument, welches nicht nur 3D über Nacht salonfähig machte und den Hype dieser neuen alten Technikidee auf ein Hoch brachte, der heute kaum mehr nachvollziehbar scheint. 3D ist ein Gimmick, welches den Kartenpreis im Kino künstlich aufbläht und in den allerseltensten Fällen mehr liefert oder einen Film auch nur in irgendeiner Form aufzuwerten vermag. Doch damals mit Avatar schien klar, dass 3D die Zukunft gehört. Hatte man die fliegenden Berge von Pandora und die atemberaubenden Flugszenen erblickt, war man schnell zum "Believer" geworden. 3D konnte, nein musste, der Weg sein, den das Kino gehen würde und der uns allen Filmgenuss in einer nie dagewesenen Intensität bringen sollte.
Doch irgendwie kam dann alles anders als erwartet. 3D wurde zum oben genannten Gimmick degradiert, vom Publikum mit einer Hassliebe betrachtet, da es gut umgesetzt tatsächlich Spaß machen konnte (Ant-Man), schlecht umgesetzt jedoch lediglich für ein dunkleres und unschärferes Bild und nagende Kopfschmerzen sorgte (Underworld Awakening). Trotzdem war es damals Camerons Wunsch und absolutes Ziel 3D salonfähig zu machen und in Avatar gelang das Unerwartete auch ausgesprochen gut. Visuell kommt der Film ungemein beeindruckend daher, sieht auch heute noch überwiegend absolut solide, mitunter sogar richtig gut aus. Doch in den anderen Momenten, die in denen der Ursprung aus dem Computer ins Auge springt, die in denen alles nach Hochglanzplastik aussieht, lenkt die Optik ab. Sie reißt einen aus der Illusion und lässt einen manchmal rätselnd im Sessel zurück, zumindest ging es mir erneut immer wieder so.
Die nagende Frage ist dabei immer die gewesen, warum es überhaupt notwendig war, den Film letztlich zum glorifizierten Animationsfilm mit ein paar Realfilmmomenten zu machen. Die Effekte sind überwiegend völlig in Ordnung, aber die Momente in denen es auffällt sind unangenehm und geben dem Film diese unnötige Künstlichkeit. Auch die Na´vi bzw. Avatare leiden ein ums andere Mal darunter. Cavills weganimierter Schnauzbart sah vielleicht schlechter aus, aber mitunter grenzt die Mimik der blauen Animationswesen eben so hart an dieses uncanny Valley des Grauens, dass man es nur schwerlich übersehen kann.
Was nicht bedeutet, dass der Film keine Qualitäten besitzt. Denn neben der technisch nach wie vor zu weiten Teilen beeindruckenden Komponente setzt er auf effektive Emotionen. Effektiv deshalb, weil Cameron weiß, wie man mit Score und großen Bildern Emotionen "produziert". Produziert deshalb, weil der Film wenn er emotional wird so dick aufträgt, dass man das Gefühl nicht loswird jemand würde einem ins Ohr brüllen "FÜHLE! Sei emotional involviert, Bilder und Score diktieren es!". Ja, ich hatte stellenweise Gänsehaut, da insbesondere in der ersten Flugszene der Score so unfassbar gut mit den Bildern harmoniert, dass man sich das kindliche Grinsen nicht verkneifen kann. Oder wenn ein gewisses, welterschütterndes tragisches Ereignis im Film passiert überrollt einen der Score und die Verzweiflung trieft aus den perfekt komponierten Bildern nur so heraus. James Horner hat hier zweifellos einen grandiosen Score geschaffen, der viel vom Gesehenen ungemein eleviert.
Doch trotzdem fühle ich mich als Zuschauer ein ums andere Mal um die echte Emotion betrogen. Denn wäre Jake Sully kein solcher kumpelhafter "Everyman", der vom Skript auf billigste und vorhersehbarste Weise zum Helden hochstilisiert wird, würde mich seine Reise vielleicht wirklich emotional involvieren. Leider ist er 90% der Zeit ein - stellenweise sonderbar animierter - schlacksiger 3-Meter-Riese in Blau mit Lendenschurz. Und da hört eben die Emotion auch auf und das Problem beginnt. Wäre es ein Animationsfilm, würde ich diese Brücke nicht schlagen müssen, die mich wissen lässt, dass Jake eben eigentlich Sam Worhtington ist, der in einer "Link-Kapsel" liegt und gelähmte Beine hat. Das Problem ist der unfassbar glorifizierte Eskapismus mit dem sich dieser schwache, verkrüppelte Mann in diese ihm fremde Welt stürzt. Ja, er ist und bleibt zu einem Grad nachvollziehbar, aber ihn vom Alien über den Fremden zum Familienmitglied und dann regelrecht zum Messias hochzustilisieren - das ist zu viel für diese oberflächlich gezeichnete Figur und zu unglaubwürdig für die Geschichte.
Dazu eine forcierte Love-Story mit der Tochter des Häuptlings und das alte Motiv der Fremden, die voneinander lernen und sich dann verlieben. Beliebigkeit ist etwas was einer Story eben auch schaden kann. Und hier dämpft sie das Gefühl für das Gesehene. Sie nimmt die Dramatik, die einem die Bilder und der Score einhämmern wollen, einfach immer wieder zurück. Ich weiß von der ersten Sekunde an wohin all das führen wird. Nicht, weil ich den Film schon kenne, sondern weil der Film sich damit genug ist jede derartige Story zu kopieren, die man bereits hundert Mal in anderer Form gesehen hat.
Und obwohl ich all das weiß und sehe, obwohl es mich mehr als einmal verärgert hat, obwohl ich mich mitunter sehr manipuliert fühle, unterhält der Film mich. Weil er auf eine sehr simple, fast ursprüngliche Weise für 3 Stunden das Drumherum vergessen lässt. Ich spüre Camerons Begeisterung für das was er da geschaffen hat. Ich verzeihe ihm seine "in your Face"-Ökobotschaft mit dem Holzhammer, ich vergebe ihm die ungemein schwarz/weiß gezeichneten Charaktere, übersehe die forcierte Emotion und lasse mich 3 Stunden lang von beeindruckenden Bildern und einem großartigen Score nach Pandora entführen. Ich gehe den Weg mit und ärgere mich über liegengelassenes Potenzial, freue mich zugleich aber darüber, dass Cameron tut was Cameron nunmal tut - einfache Geschichten mit schierer handwerklicher Brillianz mit dem bisschen "mehr" zu etwas zu machen, was zumindest absolut unterhaltsam ist.
Fazit:
Avatar ist 2018 kein "besserer" Film geworden. Er hat immer noch die Probleme, die er damals hatte. Vielleicht ein paar mehr, weil nicht jeder Aspekt seiner technischen Umsetzung so gut gealtert ist wie man es sich vielleicht wünschen würde. Trotz allem bleibt es ein Cameron - und Cameron konnte immer schon unterhalten. Er war nie ein großer Geschichtenerzähler, schaffte es jedoch trotzdem immer wieder Emotionen hervorzurufen, weil er weiß wie man Emotionen produziert. In Terminator und Terminator 2 hat er es so geschickt gemacht und mit so guten Darstellern garniert, dass man es bereitwillig übersehen und mitgefühlt hat. In Avatar gelingt es durch das Performance Capture und das damit einhergehende sympathisch-limitierte Spiel der Darsteller nicht zu diesem Grad. Horners Score und Camerons Bilder liefern, die Story und die Figuren leider nicht so sehr. Der Film bleibt was er damals war - kein Meisterwerk, aber ein Meilenstein - zum Guten oder Schlechten. Ich persönlich habe meinen Frieden mit dem Film gemacht. Ich werde ihn niemals lieben, wie andere das tun. Aber mich dann und wann für 3 Stunden nach Pandora entführen lassen? Kann man mal machen.
Von mir gibt es, anders als damals, heute
8/10 Punkte bzw. 4/5 Hüte,
für einen Film der viele kleine Probleme hat, die aber nie wirklich darüber hinwegtäuschen können, das Cameron ein großartiger Filmemacher ist, der hier eine klare Vision hatte.