Bewertung: 4 / 5
Lee Jong-soo (Yoo Ah-in) lebt in Paju und versucht sich mit Auslieferungsjobs über Wasser zu halten. Der studierte Mann träumt davon Schrifftersteller zu werden, doch scheint nicht so recht aus seinem Trott herauszukommen. Als er eines Tages seine ehemalige Klassenkameradin Shin Hae-mi (Jeon Jong-seo) wiedertrifft, verbringen sie eine gemeinsame Nacht miteinander, bevor Hae-mi auf eine Afrikareise aufbricht. Eines Tages kehrt sie für kurze Zeit mit dem mysteriösen, gutaussehenden und reichen Mann Ben (Steven Yeun) zurück und verschwindet dann spurlos.
Mit Burning adaptierte Regisseur Lee Chang-dong eine zehnseitige Kurzgeschichte, welche es erstaunlicherweise auf einen zweieinhalbstündigen Film gebracht hat. Ein Film dessen Prämisse so schwer zu fassen, dessen Themen so komplex und dessen Bilder so peotisch sind. Denn die Wahrheit ist, daß die von mir zusammengefasste Prämisse etwa die Hälfte des gesamten Films ausmacht und sicherlich wird auch der ein oder andere denken, daß nicht viel mehr passiert. Und es stimmt auch. Denn Burning ist ein Film, der so ruhig ist, wie Filme heute nur noch selten sind. Er gibt uns die Möglichkeit unsere Hauptcharaktere lange genug kennenzulernen. Lee Jong-soo ist eigentlich ein introvertierter, schüchterner und zurückhaltender junger Mann, welcher wunderbar von Yoo Ah-in verkörpert wird. Ganz selten nur noch verlassen sich Filme auf mimisches Schauspiel und Aussagen, ohne dabei Worte zu finden. Ryan Gosling scheint das amerikanische Pendant zu sein, wenn man eines sucht. Steven Yeun verkörpert wunderbar den mysteriösen Ben: Reich, erfolgreich, gutaussehend. Und auch bei ihm scheinen sich die Fragen, um seine Herkunft, genauso wenig beantworten zu lassen, wie das Erlangen seines Reichtums.
Trailer zu Burning
Lee Chang-dong inszeniert den Film mit einer Ruhe und einer Fülle an Themen, daß dessen Erfolg dabei eigentlich paradox ist. Klassenkampf, Eifersucht, Verlangen und Gier werden mal eben so nebenbei abgehandelt, ohne das der Film diese Themen vernachlässigen, oder banalsieren würde. Es ist ein Film der Nebensächlichkeiten, ähnlich wie sie Fassbinder seiner Zeit machte. Und Burning ist dahingehend mindestens genauso gewagt, wie brilliant, und hat natürlich aufgrund des höheren Budgets, und der etwa vierzig Jahre Abstand zwischen den Filmen, einfach eine wesentlich schönere Optik.
Doch während Fassbinder für komplexe und vielschichtige Figuren stand, so ist dieser Film kein Actor-Piece, wie man so schön sagt. Die Figuren sind leider klischeebehaftete Abziehbilder von Highschoolfilm-Tropen. Wir haben den Loser, den Sportler und das Partygirl. Und während der Film von einigen als unvorhersehbar tituliert wurde, möchte ich an dieser Stelle behaupten, daß er das eben nicht ist. Denn spätestens nach dem Verschwinden Hae-mi, war zumindest mir klar wohin sich der Film entwickeln und auch zu welchem Ende er letztlich kommen würde. Ich war nicht gerade überrascht.
Aber dennoch ist der Weg dorthin vollgespickt mit wahrer Poesie, natürlicher Schönheit und Leiden. Dem großen Leiden, wie man es nur selten wahrnimmt. So sind doch gerade die meisten Filme aufdringlich und platt, wenn es um das Thema Sehnsucht und Schmerzen geht. Aber Burning bleibt hier so Hollywooduntypisch und dadurch einfach realistischer.
Der Film stellt sich im Grunde selber ein Bein, in dem er seine Charaktere symplifiziert und damit auch deren Stand. Das viel gelobte Charisma von Ben durch die internationale Presse habe ich in keiner Weise wahrgenommen. Für mich waren hier eindeutig Vertreter der Fraktionen von gut und böse zu erkennen. Aber dennoch, der Weg dort hin ist so vollgepackt mit einer Imposanz an Bildern, Besonnenheit und Ruhe, wie man sie sonst nur in Blade Runner findet. Die Themenvielfalt wird vielleicht nicht zum philosophieren anregen, aber vielleicht sollte sie das tun. Im Endeffekt ist das Pacing so gut, daß ich nach gut 90 Minuten das Gefühl hatte, ich hätte etwa die Hälfte an Film gesehen, was natürlich mehr als subjektiv, aber dem Film auf jeden Fall anzurechnen ist.