Bewertung: 3.5 / 5
Wenn ich mir Terrence Malicks Filmographie anschaue, finde ich dort drei Filme (gut, es sind insgesamt ja auch nur sieben^^), die mich wirklich interessieren:
- The Thin Red Line, weil er vom Zweiten Weltkrieg im Pazifik handelt
- The New World, weil die Pocahontas-Geschichte als Realfilm umgesetzt wurde
- The Tree of Life, weil das gesamte Filmkonzept äußerst interessant ist
Da ich nach Apocalypse Now im "Antikriegsfilm-Fieber" war, habe ich mich gestern spontan dafür entschieden, mir The Thin Red Line anzuschauen. Allgemein gilt der Film ja als einer der besten Beiträge zum Thema Krieg, mich konnte er dagegen nicht durchgehend überzeugen.
Ein großes Problem sehe ich darin, dass Malick versucht, zu vielen Charakteren ein Gesicht zu geben. Leider reichen die 170 Minuten nur ansatzweise dafür aus, mit so gut wie keinem der Charaktere konnte ich mich wirklich identifizieren. Besonders für einen Kriegsfilm ist das tödlich, denn wenn schließlich das tatsächliche Sterben einsetzt, sollten dem Zuschauer die Charaktere nicht egal sein. Als einziger Konflikt, der sich hier aus der Masse hervorhebt, ist der Streit über den Angriffsplan zwischen Nick Nolte und Elias Koteas.
Dieser Mangel an Identifikationspotential ruft ein weiteres Problem hervor, welches denselbigen Mangel im Folgenden sogar noch verstärkt. Da Malick nach fast 20 Jahren Zurückgezogenheit wieder auf dem Regiestuhl Platz nahm, bewarb sich so gut wie jeder Hollywoodschauspieler mit Rang und Namen für sein neues Projekt. Eine Auflistung erspare ich mir an dieser Stelle, das kann jeder auf Wikipedia nachlesen, nur eines möchte ich diesbezüglich anmerken: Neben dem offiziellen Cast drehten sogar Bill Pullman, Gary Oldman, Mickey Rourke und Viggo Mortensen Szenen für den Film, wurden aber letztendlich herausgeschnitten. Wenn man als Zuschauer sowieso nur wenig mit den Charakteren anfangen kann und dann selbst in den kleinsten Nebenrollen namenhafte Schauspieler auftreten, sieht man nur die Schauspieler nicht aber die Charaktere. Dies führt wie oben erwähnt zu einem weiteren Mangel an Identifikation, denn wenn man nur die Schauspieler sieht, wirken die charakterbezogenen Kriegs- und Todesmomente vollkommen unecht. Man weiß, dass hier nur Krieg "gespielt" wird.
Darüberhinaus ist Malick verstärkt auf den Aufbau und der Entwicklung seiner Geschichte und seiner Sicht auf den von Menschen verursachten Krieg fixiert, dass er die eigentliche Handlung vernachlässt. So zieht sich The Thin Red Line trotz der interessanten Thematik streckenweise wie Kaugummi. Selbst ein Hans Zimmer kann mit seinem Soundtrack nur Akzente (dann aber auch hervorragende) setzen. Abseits der Längen wird der Film immer dann spannend und intensiv, wenn sich Malick von seinen Charakteren entfernt und stattdessen einfach nur die Kriegshandlungen zeigt. Und auch wenn ich oben das Schauspielerensemble kritisiere, ist es schon etwas Besonderes, so viele bekannte Gesichter in einem Film zu sehen.
Beschäftigt man sich näher mit der hier präsentierten Kriegsthematik und Malicks Gedankengängen, stößt man unweigerlich auf Genie und Wahnsinn. Das Genie findet sich in den Bildern und der Kameraarbeit. Den zerstörerischen Krieg kontrastiert Malick mit der idyllischen Natur. Er zeigt den Krieg als etwas Widernatürliches, als ein Ereignis, welches vom Menschen selbst in die Welt gebracht wird. Zwar beantwortet er mit The Thin Red Line Fragen, auf die bereits frühere Antikriegsfilme eine Antwort fanden, aber nichtsdestotrotz nimmt dieser Film aus heutiger Sicht einen großen Stellenwert ein. Während sich viele Regisseure aus Finanzierungsgründen immer noch einer bewussten Zensur durch das Pentagon fügen, wählte Malick den schwierigeren Weg und zeichnete somit ein ehrliches Bild des Krieges. Im Krieg gibt es nicht DAS Gut und Böse, alleine die Perspektive bestimmt über diese Empfindung. Ein US-Amerikaner wird den Japaner als Bösen und ein Japaner den US-Amerikaner als Bösen betrachten. Malick wählt keine Seite, er zeigt beide Parteien als Menschen, als Leidende, als Trauernde. Bezogen auf die Oscarverleihung 1999 ist es bezeichnend, dass sich The Thin Red Line ausgerechnet dem vor Patriotismus triefenden Saving Private Ryan geschlagen geben musste.
Den Wahnsinn sehe ich in Malicks Intention, der Geschichte einen religiösen Anstich zu verpassen. Warum versucht er hier, die Welt und insbesondere die Natur als etwas Gottgegebenes darzustellen? Wenn man nur fest genug an das Paradies glaubt, beschert einem der Krieg ein Leben nach dem Tod? War es Ironie des Schicksals oder Kalkül, dass Mel Gibson ausgerechnet James Caviezel als Jesus Christus für "Die Passion Christi" castete? Die Kommentare aus dem Off waren zum Großteil unerträglich und absolut nervtötend. Einmal stand ich kurz davor, den Film auszuschalten. Bei manchen Sprüchen kringeln sich mir da echt die Fußnägel hoch, hat da niemand das Drehbuch gegengelesen? "jeder sucht die Erlösung für sich allein... wie ein Stück Kohle, das man aus dem Feuer gezogen hat." Hilfe!
Bewertung: Ich tendiere zwischen 6 und 7 Punkten.