
Bewertung: 3.5 / 5
Mit Spuk in Hill House hatte Mike Flanagan 2018 die vielleicht beste Horror-Miniserie aller Zeiten veröffentlicht. Nachdem er ein Jahr später mit der Shining-Fortsetzung Doctor Sleep bewiesen hatte, dass er auch bei Kinofilmen Atmosphäre und Storytelling gelungen miteinander verweben kann, kehrte er mit Spuk in Bly Manor in den Serienbereich zurück. Nach Midnight Mass sowie der im vergangenen Jahr gestarteten und nach einer Staffel abgesetzten Serie Gänsehaut um Mitternacht ist mit Der Untergang des Hauses Usher vergangene Woche sein neuster Serienstreich für Netflix erschienen, bei dem Flanagan wieder einmal Drama mit Horror vermischt.
Das Geschwisterpaar Roderick und Madeline Usher hat Fortunato Pharmaceuticals zu einem Imperium aus Reichtum, Privilegien und Macht aufgebaut. Doch vergangene Geheimnisse kommen ans Licht, als die Erben der Usher-Dynastie zu sterben beginnen...
Trailer zu Der Untergang des Hauses Usher
Der Untergang des Hauses Usher Review
Mit Der Untergang des Hauses Usher hat Mike Flanagan wieder einmal eine Literaturvorlage adaptiert. Nachdem Spuk in Hill House auf dem gleichnamigen Roman von Shirley Jackson basierte, Spuk in Bly Manor eine Adaption der Novelle The Turn of the Screw von Henry James darstellte und Gänsehaut um Mitternacht den Roman The Midnight Club von Christopher Pike adaptierte, geht Der Untergang des Hauses Usher auf die gleichnamige und 1839 veröffentlichte Kurzgeschichte sowie weitere Werke von Edgar Allan Poe zurück.
An deren Rahmenhandlung hält sich Der Untergang des Hauses Usher auch, übersetzt diese aber ins 21. Jahrhundert und erweitert sie um zahlreiche Handlungselemente. Die Miniserie greift so die seit den 1990er-Jahren vor allem in den USA grassierende Opioid-Epidemie auf und übt immer wieder Kritik an der Pharmaindustrie. Im Zentrum der Handlung stehen aber die einzelnen Figuren der Usher-Familie und die damit verbundenen Themen Gier und Macht. Selten wurde eine so skrupellose und unsympathische Familie im Serienbereich in Szene gesetzt, für die Betrug und Bestechung an der Tagesordnung steht.
Dies ist auch ein Knackpunkt der Serie, die deutlich weniger emotionale Ankerpunkte als Spuk in Hill House, Spuk in Bly Manor und Midnight Mass bietet. Es gibt zwar sympathische Figuren, diese finden allerdings eher am Rand statt. Nicht alle Figuren besitzen zudem die nötige Tiefe, um die Handlung der Serie auf ihren Schultern zu tragen und das ein oder andere Familienmitglied hätte gerne mehr Screentime als das andere bekommen können.
Den Schauspielern kann man allerdings keinen Vorwurf machen. Wie bei Mike Flanagan so üblich, hat er für Der Untergang des Hauses Usher zum wiederholten Mal mit einigen Darstellern zusammengearbeitet. Carla Gugino, Henry Thomas und Kate Siegel standen bereits für Spuk in Hill House, Spuk in Bly Manor und Midnight Mass vor der Kamera. Rahul Kohli gehört seit Spuk in Bly Manor zum Cast jeder Flanagan-Serie und auch Zach Gilford, Samantha Sloyan, T’Nia Miller, Annabeth Gish waren schon in von ihm verantworteten Serien zu sehen.
Alle dieser Darsteller wissen auch erneut zu überzeugen, hervorzuheben sind aber zwei Neuzugänge für das Flanagan-Universum. Während Bruce Greenwood Familienoberhaupt Roderick Usher mit jeder Menge Charisma füllt, brilliert Mark Hamill als grimmiger Anwalt des Usher-Klans. Etwas mehr Tiefe hätte dagegen vor allem die von Gugino verkörperte Figur bekommen dürfen, deren Motivation sich zudem nur erahnen lässt.
Nichts für Zartbesaitete
Im Kern ist Der Untergang des Hauses Usher eine von den Beziehungen der Figuren untereinander geprägte Dramaserie mit immer wieder eingewobenen Horrorelementen. Es gibt etwa zahlreiche Jumpscares, die einen bis zum Schluss zusammenzucken lassen. Bereits bei Spuk in Hill House waren die Jumpscares geschickt Teil der Handlung und auch hier wirken sie nie willkürlich. Überhaupt hat Mike Flanagan wie kein zweiter Filmschaffender verinnerlicht, dass Horror dann am besten ist, wenn er vom persönlichen Drama der Figuren ausgelöst wird.
Der Untergang des Hauses Usher spart zudem nicht an Gewalt und Blut und nicht selten besitzen die Bilder verstörenden Charakter. Dass Netflix die Serie nicht für unter 18-Jährige empfiehlt, kommt also nicht von ungefähr. Gleichzeitig gibt es immer wieder visuell beeindruckende Bilder zu bewundern.
Vor allem atmosphärisch weiß Der Untergang des Hauses Usher zu überzeugen. In nahezu jeder der acht Episoden kippt die Serie sehr organisch von zwischenmenschlichem Drama in atmosphärischen Horror und wieder zurück. Neben der ruhigen Kameraarbeit von Michael Fimognari muss vor allem der Schnitt von Brett Bachman gelobt werden, der die einzelnen Zeitebenen teils nahtlos ineinander übergehen lässt.
Der Wechsel zwischen den einzelnen Zeitebenen erfolgt aber gerade zu Beginn der Serie teilweise sehr sprunghaft, sodass man gut aufpassen muss, um alle Informationen aufzunehmen. Gleichzeitig sehen vor allem die in der Vergangenheit spielenden Szenen unglaublich gut aus, wie man es von Netflix bislang auch gewohnt war. Etwas dick tragen teilweise die Dialoge und insbesondere Monologe von Roderick Usher auf und auch die vorgetragenen Gedichte sind eher gewöhnungsbedürftig. Schade ist zudem, dass die im Raum stehende philosophische Frage der Serie erst in der finalen Folge gestellt wird, welche die Logik etwas gegen die Wand fährt.
Fazit
Obwohl Der Untergang des Hauses Usher nicht an Spuk in Hill House und auch nicht an Spuk in Bly Manor und Midnight Mass heranreicht, weiß die Serie zu überzeugen. Dies liegt vor allem an durchgängig starken Schauspielleistungen und einer interessanten Eigendynamik der Figuren untereinander. Fehlende emotionale Ankerpunkte macht die Serie mit einer immer wieder dichten Atmosphäre wett. Mike Flanagan begeistert erneut mit einer ganz eigenen Art des Storytelling, die im Horror-Genre noch immer ihresgleichen sucht. Der Untergang des Hauses Usher ist eine gelungene Miniserie, die etwas braucht, um in Fahrt zu kommen, dann aber immer besser wird.
