Bewertung: 4.5 / 5
Die Antithese zu "Ben Hur" und "Die zehn Gebote".
Es kommt nicht von ungefähr, dass Produzent und Hauptdarsteller Kirk Douglas abseits von Stanley Kubrick als Regisseur auch Dalton Trumbo als Drehbuchautoren engagierte, stand dieser doch wegen seines kommunistischen Aktivismus auf der Schwarzen Liste Hollywoods. Während sich die beiden genannten Genrevorgänger als christlich-fundamentale und moralische Sandalenepen verstanden, handelt es sich bei "Spartacus" um die Ausformulierung einer sozialistischen Revolution und des Befreiungskampfes der arbeitenden Sklavenklasse gegen das römische Bürgertum. Ihren Höhepunkt findet die sozialistische Idee dabei in der ikonischen, kollektivistischen "Ich bin Spartacus"-Szene - jeder ist Spartacus, alle sind gleich und gleich zu behandeln.
Dalton Trumbo und Stanley Kubrick machen es sich in "Spartacus" zum Ziel, ein glaubhaftes, allgemeingültiges und sachliches, ein zwar klar sympathisierendes, aber dennoch niemals einseitiges Bild von der Revolution und dem Klassemkampf zu zeichnen. Ausführlich widmet sich "Spartacus" neben dem Leben der Sklaven ebenfalls dem Alltagsleben der römischen Bürger und der Politik im Senat, um das Weltbild, die Werte und Normen - die Ideologie - des Bürgertums zu vermitteln. Speziell werden dahingehend verschiedene Akteure und Nutznießer charakterisiert, Politiker wie Crassus und Julius Caesar, Geschäftsleute wie Batiatus, Sklavenhändler wie Gracchus oder ehemalige Sklaven und nun Gladiatorentrainer wie Marcellus. Nichtsdestotrotz sucht der Film keine individuellen Schuldigen, vielmehr werden allgemein die Schwächen und Fehler der bürgerlichen Ideologie, des bürgerlichen Gesellschaftssystems angeklagt.
Die Authentizität spiegelt sich darüberhinaus im Grad der Brutalität und in der Art des Schauspiels wider. Für einen Film aus dem Jahr 1960 fallen die Darstellung der Gewalt gegenüber Sklaven, die Gladiatorenkämpfe und die Kriegshandlungen äußerst hart aus, relativ gesehen spart Kubrick nicht an fließendem Blut und zeigt sogar das Abtrennen von Gliedmaßen. Das Schauspiel von Kirk Douglas als Spartacus, Jean Simmons als Spartacus´ Ehefrau Virinia, Charles Laughton als Gracchus und Peter Ustinov als Batiatus zeichnet sich durch immense und zeitlose Natürlichkeit aus. Insbesondere die leidenschaftliche, neckische und ungezwungene Liebesbeziehung zwischen Spartacus und Virinia hat es mir da angetan, die Kritik an Stanley Kubricks kalt-emotionsloser Inszenierung und Schauspielführung wird für mich selten so deutlich widerlegt wie hier! Ich bin ansonsten niemand, der den Oscars allzu große Wichtigkeit beimisst, dennoch ist es in meinen Augen geradezu unvorstellbar, dass von den Schauspielern tatsächlich nur Peter Ustinov nominiert - und dann auch ausgezeichnet wurde.
Des Weiteren finden sich in "Spartacus" mehrere, bemerkenswerte bis außergewöhnliche Untertöne.
Die Liebesbeziehung zwischen Spartacus und Virinia baut auf einem feministischen Fundament auf. Unter den Sklaven werden Frauen den Männern zugeteilt, um Sex mit ihnen zu haben, dem ist zu Beginn auch Spartacus nicht abgeneigt. Als ihm auffällt, dass ihm seine römischen Herren beim Sex zusehen wollen, schreit er ihnen entgegen, er sei kein Tier. Daraufhin meint Virinia zu Spartacus, sie sei gleichfalls kein Tier. Fortan behandelt Spartacus Virinia mit Respekt, was schließlich in der Liebesbeziehung mündet.
Anknüpfend an der Antithese zum Bibelfilm wird in "Spartacus" wissenschaftliches und antireligiöses Denken befürwortet. In einer Szene vertraut Spartacus Virinia an, er möchte die Naturphänomene verstehen lernen und nennt als Beispiele das Fallen von Steinen, die Flugfähigkeit von Vögeln, den Sonnenuntergang, die Mondphase und die Entstehung des Windes. Virinia karikiert dann die Vorstellung, dass Naturphänome einen göttlichen Ursprung haben.
Zwischen Crassus und seinem Haussklaven Antoninus kommt es zu einer sehr erotischen Badeszene, in der Crassus´ Bisexualität offengelegt wird. Antonius badet Crassus, während dieser Antonius mit zweideutigen Bemerkungen zu verführen sucht, er fragt ihn, ob er Austern und Schnecken esse. Ferner fragt Crassus, ob Ersteres moralisch, aber Letzteres Unmoralisch sei und kommt zu dem Schluss, dass es lediglich eine Frage des Geschmackes sei und beide Präferenzen unabhängig von der Moral existieren. Leider wurde diese Szene damals aus der Kinofassung herausgeschnitten und erst 1991 im Zuge der Restauration eingefügt.
Fazit: "Spartacus" ist mein fünfter Kubrick-Film, ich bin immer wieder fasziniert davon, wenn sich Regisseure in jedem Gerne, welches sie anpacken, pudelwohl fühlen und zu Meisterleistungen auflaufen. Trotz des christlich-fundamentalen Hintergrunds bin ich ein sehr großer Fan von "Ben Hur", "Die zehn Gebote" funktionierte diesbezüglich für mich dann leider nicht mehr. Daher ich bin froh, dass in der Zeit mit "Spartacus" auch ein alternativer Sandalenfilm gedreht wurde.