Bewertung: 4.5 / 5
Mein erster Film von Ingmar Bergman.
Durch die Liebe zwischen zwei Menschen wird eine physisch nicht greifbare, gemeinsame Sprache zwischen den beiden Liebenden geschaffen, Liebe bedeutet zum Einen, dass man sich schweigend versteht, und zum Anderen, dass man mit dem Partner über alles reden kann. So banal es sich anhören mag, als so elementar offenbart es sich letztendlich, "Szenen einer Ehe" ist ein Dialogfilm über den Dialog in einer Liebesbeziehung beziehungsweise einem Eheverhältnis, über das Suchen, Finden und Verlieren einer gemeinsamen Sprache. Ein Film über die Wichtigkeit der Bereitschaft, alle möglichen Probleme zu besprechen, aber auch über die Gefahr des Zerredens, bis die Liebe genau deswegen schwindet.
Darüberhinaus entpuppen sich die Ehe und deren feste Strukturen in "Szenen einer Ehe" immer mehr als Altlast und Nebensächlichkeit im Liebes- und Sexleben. Kern des Dramas ist nicht der Bruch der Ehe zwischen Johan und Marianne (fantastisch: Erland Josephson und Liv Ullmann), sondern ihr paradox erscheinendes Verlangen nacheinander - aller Trennungen, Streitereien, Hässlichkeiten und Gewalttaten (!) zum Trotz. Beide Individuen befinden sich auf der Suche nach der eigenen Identität und nach individueller Freiheit, nach Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung. Johan verliebt sich in eine junge Frau und zieht mit ihr wegen seines Berufs nach Paris, Marianne vergnügt sich mit mehreren Liebhabern und erlebt ein spätes, sexuelles Erwachen, beide gehen nach der Scheidung sogar neue Ehen ein. Dennoch lieben und begehren sich Johan und Marianne nach all den Ereignissen und auch zwanzig Jahre später noch wie zuvor auf einzigartige Weise.
Das Konzept einer monogamen Ehe, "bis dass der Tod euch scheidet", kann das komplexe und wandelbare Wesen der menschlichen Liebe und des sexuellen Verlangens nicht erfassen, stattdessen hat es Einschränkungen zur Folge und kann zu Unglück führen.
Inszenatorisch dominieren in "Szenen einer Ehe" aufgrund der Dialoglastigkeit Close-Ups und Reactions Shots sowie Shot Reverse Shots. Einerseits saugt sich die Kamera an den Gesichtern der Charaktere fest und fängt dadurch unverhüllte Emotionen ein, aus den Close-Ups spricht dahingehend eine enorme Intimität. Andererseits bewahrt sich der Film durch das nüchterne Beobachten eine analytische Sachlichkeit, die Dialoglastigkeit erweckt in Kombination mit den Reaction Shots und den Shot Reverse Shots zumindest in meinen Augen den Eindruck eines gerichtlichen Kreuzverhörs, welches die Wahrheit ans Licht bringen soll. Insbesondere im ersten Kapitel macht sich das bemerkbar, Johan und Marianne haben hier ein befreundetes, sich bereits im Scheidungsprozess befindendes Ehepaar zu Besuch, am Esstisch sitzen sich die jeweiligen Eheleute gerade und am Wohnzimmertisch dann sogar diametral gegenüber. Des Weiteren deutet diese Anordnung der Charaktere bereits auf den kommenden Bruch der jeweiligen Eheverhältnisse hin.
Wie dem auch sei, die emotionale Intimität und die beobachtende, analytische Sachlichkeit widersprechen und unterlaufen einander jedenfalls nicht, sondern verschmelzen zu einem ausdrucksstarken Liebes- und Ehedrama.