Ende April startet Gods of Egypt in unseren Kinos (unsere Kritik findet ihr hier) und obwohl noch etwas Zeit ist, zieht der Fantasyfilm schon einen Rattenschwanz an Ärger hinter sich her. Wohlgemerkt für Regisseur Alex Proyas und das Produktionsstudio Lionsgate, die sich im Vorfeld des US-Kinostarts einem Shitstorm gegenübersahen, der beispiellos ist. Warum? Weil sie das sogenannte "Whitewashing" unterstützen würden.
Hierbei handelt es sich um das Prinzip, Rollen einer bestimmten Ethnie bevorzugt mit weißen Darstellern zu besetzen, die dann z.B. schwarze, türkische oder eben ägyptische Rollen spielen. Das führte öfters soweit, dass Weiße auch mal schwarz angemalt wurden - in Zeiten, als schwarze Schauspieler wirklich nicht gerade populär waren, ein verständlicher, weil praktikabler Zug, waren die doch nicht an jeder Ecke zu engagieren.
Das grundsätzliche Problem ist dabei eine immer noch tief verankerte Ungerechtigkeit bei der Gleichberechtigung, die über Rassen hinausgeht und bei der finanziellen Gleichstellung von Mann und Frau endet. Ohne jetzt ein Fass ohne Boden aufmachen zu wollen, wollen wir an dieser Stelle unsere Gedanken als Filmfans äußern und freuen uns, wenn ihr uns eure mitteilt, denn wir müssen eine Lanze für Gods of Egypt brechen!
Whitewashing in Gods of Egypt?
Nun also Proyas. Ein Regisseur, der sonst gern zum Nachdenken anregt, hat sich offensichtlich eines Abends mit Lionsgate vorgenommen, mal so richtig Ärger zu machen und einen geplanten kunterbunten Action-Fantasyfilm nur mit Weißen zu besetzen. Wie kann er nur! Fassen wir mal zusammen: Ein Film, der von einem kanadischen Unternehmen produziert wird, wird nach westlichen Gesichtspunkten mit in unseren Breiten bekannten (erschwinglichen) Stars besetzt. Überraschend? Nein? Perfide? Nein. Resultat eines immanenten Problems? Ja.
Gods of Egypt ist das Bauernopfer, nicht zuletzt weil sich Leute berufen fühlen, die Diskussion anzustacheln, die in ihrer Argumentation mit dem Finger auf das Resultat zeigen, nicht aber die Ursache. Wieso jetzt? Wieso nicht bei Kampf der Titanen von 1981? Oder dem Remake? Der Fortsetzung?! Oder gar Krieg der Götter, wo ein Brite einen griechischen Helden spielt, der in der Überlieferung sicher auch nicht so blass daherkam? Selbst bei Prince of Persia - Der Sand der Zeit bekam die Diskussion nur im Nachhinein ein bisschen Beachtung, wo Jake Gyllenhaal einen persischen Prinzen spielte. Kurzum, wieso poppt das Thema bei diesem Film wie ein Tsunami auf und bei einem anderen fühlt sich niemand berufen, das Thema zu kritisieren? Weil es oft niemanden schert, bis nicht einer den Ballon ansticht - ein Schelm, wer hier nicht Kalkül vermutet.
"Gods of Egypt" Trailer 2 (dt.)
Der Aufschrei spielt sich aber wie so oft auf einem Nebenschauplatz ab und trifft selten die, die es betreffen sollte. Die Oscars verantwortlich zu machen, dass zu wenige Schwarze nominiert werden, ist Kritik am falschen Ende, weil es zu wenige Schwarze gibt, die man nominieren könnte. Sicherlich hätte auch ein Will Smith zuletzt für Erschütternde Wahrheit nominiert werden können, wurde er aber nicht - ebenso wie Leonardo DiCaprio (hoppla, ein Weißer) seit Jahrzehnten nicht gewann. Das macht es nicht weniger ungerecht, aber wir sprechen immer noch von einem Wettstreit der Besten, in dem ausgesiebt werden muss, und Ungerechtigkeit ist stets auch subjektiv. Hätten noch nie schwarze DarstellerInnen gewonnen, wäre diese Diskussion um die Oscars nach ihrer 88. Ausstrahlung unfassbar gerechtfertigt. Jedoch sollte sich die Kritik an die Entscheider wenden, die Drehbücher bewilligen und Rollen und Bilder im Kopf haben, nach denen sie Vorgaben machen und die erst wie eine schlechte Angewohnheit abgelegt werden müssen. Ja, das kostet Ausdauer, aber wer hier an einen schnellen Prozess glaubt, ist naiv.
Und was wäre das Resultat einer überhasteten Reaktion? Würden wir die Oscars 2017, wenn plötzlich 50% Schwarze gewinnen oder nominiert sind, nicht mit "War ja klar, dass das so kommt" abtun? Eine erzwungene Quote bringt weder Gleichberechtigung noch Akzeptanz. Wichtiger ist doch, dass der "Quotenschwarze" in Filmen mal nicht als Erster abtritt! - sondern vielmehr das Mädchen kriegt oder der Held ist, und das eben auch in Blockbustern. Aber Blockbuster machen wir Zuschauer und wir lehnen uns sicher nicht weit aus dem Fenster, wenn wir von euch, den MJ-Lesern behaupten, dass euch ein guter Plot wichtiger ist die Hautfarbe der Protagonisten!
Grundsätzlich haben es bestimmte Bevölkerungsgruppen jedoch schwerer, besetzt zu werden oder gar einem Klischee zu entkommen (der mexikanische Drogenkurier, der russische Schurke, die blonde Sexbombe, ...). Auch wenn wir uns so aufgeklärt im Jahr 2016 wähnen, so weit sind wir noch nicht, jahrzehntelange Mechanismen abzustreifen, die uns immer wieder vorgesetzt werden und die wir selbst prägen. Hand aufs Herz, viele von uns fühlen sich nun mal von Menschen ihres eigenen Phänotyps angesprochen. Und so folgen auch Produktionsfirmen reflexhaft dem, was ankommt und was das meiste Geld bringt. Das ist in Zeiten des Kapitalismus nur verständlich, aber hier mutiger zu sein, gegen den Strom zu schwimmen, ist ein Prozess, der sich nicht von heute auf morgen einstellt, so ungerecht das auch wirken mag.
Das Rollenangebot muss stimmen und hier muss angesetzt werden, auch mit der Kritik. Denn das Spiel könnte man so weiterspielen, mit jeder Hautfarbe, Ethnie, Geschlecht. Es wird immer jemanden geben, der sich angepisst fühlt, aber wichtig ist, dass wir generell offen für andere sind und uns Änderungen herbeiwünschen. Die kommen irgendwann von ganz allein.
Aber kann es nicht doch sein, dass manchmal das bloße Talent schwerer wiegt als das perfekte Aussehen, die Herkunft? Der großartige Yul Brynner, teils russisch-mongolischer Herkunft, spielte einst den König von Siam - und das sogar zweimal. Zum einen im Film Der König und Ich von 1956, zum anderen in der TV-Serie Anna und der König von Siam aus den 1970ern. Besonders die Serie ist uns in Erinnerung geblieben, weil die unfassbare Spielfreude, Präsenz und Attitüde Brynners einfach berauschend waren. Hätten wir auch einen thailändischen Darsteller akzeptiert? Sicherlich, wenn die Serie einst vom ZDF ausgestrahlt worden wäre.
Was ist erlaubt und was nicht?
Darf ein Ägypter einen Perser spielen, weil sich die Hautfarbe etwas gleicht oder muss es zwingend ein Iraner sein, vielleicht noch einer, der Kenntnisse im antiken Sprachduktus hat? Wie so oft fehlt die Balance, sowohl bei dieser einleitenden Frage als auch bei der generellen Kritik am sogenannten Whitewashing. Wie die Erwähnung Brynners verdeutlicht, ist es manchmal sogar möglich, etwas wunderbar zu präsentieren, wenngleich nicht in allen Einzelheiten "Perfektion" erreicht werden kann. Der Kern der Sache ist, dass die Rolle auch Thailändern bzw. Asiaten angeboten wird bzw. bei bestimmten Filmen plötzlich der weiße Protagonist ein Schwarzer wird, weil XY im Vorsprechen eben grandios war und überzeugte!
Es kann nicht alles auf dieser Welt für alle sein und jedem schmecken. Aber ebenso wenig sollte Gods of Egypt als Symptom abgestraft werden. Zudem fällt uns nicht ein bekannter ägyptischer Darsteller ein, der eine Hauptrolle in Gods of Egypt hätte spielen können - was ein Heidenstress, passable Akteure zu finden, die eben nicht nur als Statisten auftreten...
Übrigens ist der klügste Mensch im Film ein Schwarzer.