Bewertung: 4 / 5
Mendes hat anscheinend bei den Dreharbeiten zu seinem letzten Bond Film Gefallen am Oneshot gefunden und sich wohl entschlossen, seinen Kriegsfilm 1917 als eine gewaltige Plansequenz zu filmen. Nun ja, zumindest ist das die große Werbung für diesen Film, natürlich gibt es hier und da den einen oder anderen Schnitt. Vor allem gegen Ende werden diese dann natürlich auch immer deutlicher. Warum ich dieses hier genau an den Anfang so prominent platziere?
Ganz einfach, der ganze Film steht und fällt eben mit dieser einen Prämisse: Gelingt es dem Film glaubhaft, seine One-Take zu verkaufen? Und kann er die Charade aufrecht erhalten?
Trailer zu 1917
Dazu gleich mehr, zuerst mal kurz zur Handlung: 1 Soldat wird mit seinem Kumpel dazu verdonnert während dem ersten Weltkrieg durch vermeintliches Feindesland innerhalb einer bestimmten Zeit zu einer anderen Einheit zu stossen, um diese zu warnen, denn jene Einheit ist kurz davor, den Feinden in eine Falle zu laufen. Das Brisante an der ganzen Sache: Der Bruder eines der Soldaten befindet sich in der gefährdeten Truppe, so dass hier also auch noch eine persönliche Komponente mit rein spielt.
Recht schnell wird der Zuschauer ins Geschehen geworfen, die Spannungsschraube recht unerbittlich immer wieder in ungeahnte Höhen getrieben, immer wieder mal durchbrochen von kurzen Verschnaufpausen. Aber im Prinzip haben wir 2 Std. lang das Vergnügen zwei Rabauken beim Gotcha-Spiel zuzuschauen.
Wer hier also einen Antikriegsfilm oder einen Film mit Moral oder Message sucht, der ist eigentlich im falschen Film, das ist ein recht einfacher Kriegsactioner, der seine Daseinsberechtigung weiter oben im Genre nur durch den sich irgendwann abnutzenden Effekt der Plansequenz zieht. Auch wenn es ein völlig anderer Film ist, welcher Film das durchaus deutlich besser hinkriegt, ist beispielsweise Victoria. Auch muss ich ganz klar konstatieren, dass wenn der selling point des Films dieser Gimmick ist, dann darf der Film gegen Ende nicht so deutlich dieses Prinzip aus der Hand geben. das schreit dann regelrecht danach Beschiss zu sein. Der De Palma Film Snake Eyes beispielsweise zeigt eine minutiöse Plan Sequenz am Anfang seines Filmes, welche schlichtweg auch heute noch beeindruckend ist, und dann auf dem Höhepunkt ändert er das und zeigt einen normal ablaufenden Film. Niemand stört sich daran, im gegenteil der Film bleibt trotzdem genau wegen dieser Plansequenz in Erinnerung. Ähnlich ergeht es Abbitte. Mendes hätte sich hier durchaus solche Filme als Vorbild nehmen dürfen.
Unabhängig davon muss man natürlich wie üblich bei Mendes die Bildkomposition über den Klee loben, das war schon immer eine seiner Stärken, so dass er manch eines Mal damit über die Schwächen der Handlung und/oder des Films hinwegzutäuschen in der Lage war und ist. So auch hier, Deakins (glaube ich) liefert hier teilweise Bilder für die Ewigkeit.
Hinzu kommt ein in der neueren britischen Filmgeschichte kaum überbietbares Schaulaufen der britischen Schauspielelite, so dass man alleine als Cineast schon fast geneigt ist, dieses Filmchen mögen zu müssen.
Und wir dürfen natürlich nicht vergessen, dass der Film so ziemlich zur Mitte einen auf den ersten Blick dem Film sehr gut tuenden Wendepunkt beschert, so dass die Spannung bis zum Ende einfach quasi zum Zerbersten ist.
All das, so super es sich anhören mag, ist aber leider nun mal nur die Spitze des Eisberges.
Der Film verdichtet natürlich stilistisch seine Handlung und das ist nunmal eine künstlerische Entscheidung, aber dabei versucht mendes auch noch so viel wie möglich in seinen Film reinzupacken, ohne zu wissen, was er eigentlich nebenher erzählen möchte. Teilweise wirkt das alles irgendwann auch beliebig und wahllos reingeworfen, nur um den Film zu füllen.
Beispielsweise habe ich irgendwann gedacht: Wow, das wird wahrscheinlich der erste Film neben Lawrence von Arabien sein, wo mal keine Frau zu sehen sein wird. Und schwupps, 2 Minuten später - so als würde Mendes meine Gedanken lesen - taucht eine Frau auf. Diese episode mag irgendwie symbolisch oder foreshadowing oder was auch immer gewollt sein zu wollen, aber irgendwie war sie sehr unbeholfen in dieses Oneshot Szenario integriert, da die charakterliche Entwicklung für diesen Zeitrahmen einfach zu schnell ging.
Und genauso (zu schnelle Entwicklung der Abfolgen) verhielt es sich immer wieder in den einzelnen Teilepisoden. Das geht zwar gut, weil der Film immer wieder die Schraube extrem anzieht, aber man kann die Schraube auch anziehen, ohne einen falschen Gimmick einzubauen.
Ganz ehrlich, wenn es Schnitte gegeben hätte, und immer mal wieder eine Uhr eingeblendet worden wäre, hätten wir wahrscheinlich einen glaubhafteren Film mit durchaus auch glaubhafterem Setting erleben können.
So geht die ganze Kriegsszenerie und die ganzen gewollten Messages ein bißchen im Kabinettsstückchen des Oneshot unter - auch wennes top anzusehen ist.
Wenn ich den Film nun aber mit dem anderen großen Kriegsfilm der letzten Jahre vergleichen soll, muss ich trotzdem sagen, dass Mendes Film den Film von Nolan deutlich in den Schatten stellt, da Mendes zumindest sich nicht dazu hinreissen lässt, für irgendwen Partei zu ergreifen.
Prinzipiell zeigt er nur recht nüchtern. Und das ist in diesem Fall schonmal so viel wert, dass obwohl ich hier auch schon recht hart verbal mit dem vorliegenden Film ins Gericht gegangen bin, den Film nicht wirklich verreissen kann. Das ist für mich tatsächlich der beste Film, den Mendes bisher gedreht hat ( und ja, ich weiss dass er American Beauty und Road to Perdition gedreht hat), oder zumindest sein bester seit sehr langer Zeit, dennoch hat er so viel Potential liegen lassen, dass es mir wirklich schwer fällt, seine Punktzahl auszuschreiben.
Naja was solls sagen wir mal 8 Punkte (aber eigentlich näher an der 7)